Geisteswissenschaft / Philosophie Gibt es einen rechten und linken Totalitarismus
Gibt es einen „rechten“ oder „linken“ Totalitarismus?
„Totalitär“ ist eine Wortschöpfung des 20. Jahrhunderts. Wenn neuartige oder ungewohnte Erscheinungen auftreten, ergibt sich die Notwendigkeit einen Begriff dafür zu finden. Ab 1925 scheint das Adjektiv totalitario in Italien verwendet worden zu sein. Tatsächlich aber kann aber ein neues Wort schon längst Dinge bezeichnen, die längst vorhanden sind oder schon früher beschrieben wurden. Bereits Aristoteles stellt in seiner „Politik“ bereits Methoden dar, mit denen die bekannten späteren Diktatoren Mussolini, Hitler und Stalin sich an der Macht gehalten und ihre Politik gestaltet haben. Er nannte die Alleinherrschaft Tyrannis. In seiner Beschreibung werden bereits alle Elemente der Herrschaftsmethoden der Führer totaler Staaten bis auf die allgemeine Mobilisierung und die demokratische Fassade genannt, welche ebenfalls für die drei totalitären Diktaturen des 20. Jhds kennzeichnend sind.
Hitler, Mussolini, Stalin werden als Phämomene moderner Diktaturen zusammen gesehen. Dass sie gleiche oder ähnliche Grundsätze und Methoden der Herrschaftsausübung anwandten, muss nicht dazu führen, dass sie alle drei in einen Topf geworfen werden. Eine Unsicherheit bleibt, weil der geistige Hintergrund des Faschismus anders ist als der des Stalinismus:
Shapiro schrieb dies um 1970. Der Text stellt keine Billigung, Beschönigung oder Relativierung der Verbrechen des Stalinismus dar. Es geht um einen Maßstab und eine Methode für die Beurteilung des Problems Totalitarismus. Die Vernunft setzt auf die Kraft der Argumente, sagte Karl einmal. Wie also muss Vernunft aussehen im Streit um die richtige Bewertung des totalitären Systems des Stalinismus, in dem die Vernunft der Aufklärung und deutscher Philosophie enthalten ist?
Viele Grüße
c.
„Totalitär“ ist eine Wortschöpfung des 20. Jahrhunderts. Wenn neuartige oder ungewohnte Erscheinungen auftreten, ergibt sich die Notwendigkeit einen Begriff dafür zu finden. Ab 1925 scheint das Adjektiv totalitario in Italien verwendet worden zu sein. Tatsächlich aber kann aber ein neues Wort schon längst Dinge bezeichnen, die längst vorhanden sind oder schon früher beschrieben wurden. Bereits Aristoteles stellt in seiner „Politik“ bereits Methoden dar, mit denen die bekannten späteren Diktatoren Mussolini, Hitler und Stalin sich an der Macht gehalten und ihre Politik gestaltet haben. Er nannte die Alleinherrschaft Tyrannis. In seiner Beschreibung werden bereits alle Elemente der Herrschaftsmethoden der Führer totaler Staaten bis auf die allgemeine Mobilisierung und die demokratische Fassade genannt, welche ebenfalls für die drei totalitären Diktaturen des 20. Jhds kennzeichnend sind.
Hitler, Mussolini, Stalin werden als Phämomene moderner Diktaturen zusammen gesehen. Dass sie gleiche oder ähnliche Grundsätze und Methoden der Herrschaftsausübung anwandten, muss nicht dazu führen, dass sie alle drei in einen Topf geworfen werden. Eine Unsicherheit bleibt, weil der geistige Hintergrund des Faschismus anders ist als der des Stalinismus:
„Der Kommunismus erinnert selbst in der entarteten Gestalt des Stalinismus noch daran, dass er einst aus dem Wunsch nach Vernunft, Gleichheit, Internationalismus und demokratischer Ordnung entsprang.“ „….. immerhin birgt der Kommunismus in allen seinen Erscheinungsformen die Möglichkeit einer Entwicklung zur liberalen Demokratie in sich. Für den Faschismus gilt das nicht; denn eine Theorie, nach der alle Macht im Staat dem Führer (russisch: woshd, oder so ähnlich) vorbehalten ist, kann bestenfalls einen neuen Führer hervorbringen. Die demokratische Theorie und die Aufklärungsterminologie des Marxismus-Leninismus-Stalinismus lassen es immerhin denkbar erscheinen, dass einmal die Forderung erhoben wird, es müsse den theoretischen Formeln auch in der Praxis entsprochen werden (wie das in gewissem Maße heute in der UdSSR geschieht).“ L-B. Shapiro in Marxismus im Systemvergleich, Geschichte 5, 1974 (Sonderausgabe der Enzyklopädie „Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft), Seite 103
Shapiro schrieb dies um 1970. Der Text stellt keine Billigung, Beschönigung oder Relativierung der Verbrechen des Stalinismus dar. Es geht um einen Maßstab und eine Methode für die Beurteilung des Problems Totalitarismus. Die Vernunft setzt auf die Kraft der Argumente, sagte Karl einmal. Wie also muss Vernunft aussehen im Streit um die richtige Bewertung des totalitären Systems des Stalinismus, in dem die Vernunft der Aufklärung und deutscher Philosophie enthalten ist?
Viele Grüße
c.
Re: Gibt es einen rechten und linken Totalitarismus
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Ich finde dein Thema makaber.
Es geht dir nach deinen Worten darum einen Maßstab und eine Methode für die Beurteilung von "Totalitarismus" aufzustellen.
Die Opfer schert es einen Dreck, ob sie durch einen Hauch von Aufklärung im Stalinismus oder durch einen Hauch von deutscher Kultur im Hitlerismus zu Tode gekommen sind.
Nun, mein Posting ist gerade das Gegenteil von dem Gespräch, das du dir vorstellst .... mit Vernunft und Argumenten einen Maßstab zu finden, auf dem totalitäre Systeme verankert werden können. Darum überlies es einfach.
Für mich ist das Ausmaß der Mißachtung des einzelnen Menschen Maßstab genug ... ob mit Wagner oder mit Votaire orchestriert ist für mich so was von nebenrangig!
Es geht dir nach deinen Worten darum einen Maßstab und eine Methode für die Beurteilung von "Totalitarismus" aufzustellen.
Die Opfer schert es einen Dreck, ob sie durch einen Hauch von Aufklärung im Stalinismus oder durch einen Hauch von deutscher Kultur im Hitlerismus zu Tode gekommen sind.
Nun, mein Posting ist gerade das Gegenteil von dem Gespräch, das du dir vorstellst .... mit Vernunft und Argumenten einen Maßstab zu finden, auf dem totalitäre Systeme verankert werden können. Darum überlies es einfach.
Für mich ist das Ausmaß der Mißachtung des einzelnen Menschen Maßstab genug ... ob mit Wagner oder mit Votaire orchestriert ist für mich so was von nebenrangig!
Genau meine Meinung, mart.
Wie sagte ein Ex-Bundeskanzler genau für dieses "angesetzte" Thema (mit einschmeichlerischem Hintergrund?), leicht abgewandelt: Entscheidend ist, was hinten raus kam!
Für Totalitarismen wie unter Hitler und Stalin kann es keine Exante-Beurteilung geben. Man kann nicht so tun als sei nichts passiert.
--
adam
Respekt cor deiner Meinung, mart1. Ich bin der gleichen Auffassung. Zu fragen ist, warum der moralische Aspekt des Kommunismus (sowjetrussischer dialektische Materialismus) vor Jahren so viele Intellektuelle und Massen in Bewegung setzen konnte. War es nicht so, dass der Einsatz für die „Befreiung der unterdrückten Klassen“ dem Kommunismus viele Anhänger gewann? War es nicht auch so, dass viele ganz allgemein den Diamat, die eigentliche Philosophie des Marxismus-Leninismus-Stalinismus, nicht genau genug kannten? Sie wussten nicht, dass es sich beim Diamat nicht um eine gesellschaftliche Doktrin handelte, sondern um eine – philosophisch betrachtet – spekulative Weltanschauung. Die sozialen Anwendungen und Auswirkungen waren nur entferntere Folgen. So ging auch unter, dass die soziale Befreiung nicht letztes Ziel war, sondern dass es darum ging die Gesellschaft in eine fortwährende Revolution mitzureißen.
Ich bin mit dir völlig einig, was das den Art. 1 des Grundgesetz betrifft, aber gerade deshalb vergesse ich nicht, dass im Diamat und dem daraus abgeleiteten Histomat als Kern der Kommunistischen Lehre nicht der Einzelmensch bei dieser Befreiung gemeint war, sondern die gesamte Menschheit. Ein gewichtiger Unterschied. Dem herrlichen Plan der Befreiung im Diamat wird der Einzelne geopfert. Welche Rolle spielen dann noch einige verbohrte Konterrevolutionäre, die erledigt werden oder der Gulag gegenüber dem Glück der Menschheit? Für eine bessere Welt der Gerechtigkeit und Freiheit einzutreten und gleichzeitig Millionen zu opfern für das zukünftige Wohl der Menschheit insgesamt ist doch kein Verbrechen?? Schließlich verläuft die geschichtliche Entwicklung notwendig und unabhängig von unserem Willen nach ewig feststehenden Gesetzen. Der Diamat ist nach kommunistischer Lehre eine wissenschaftliche Philosophie. Ich vertrete diese Auffassung nicht, weise nur darauf hin. Ist es nicht auch so, dass Unschuldige (darunter Lenins Kampfgefährte Sinovjev 1939) in Schauprozessen, schließlich Geständnisse ablegten, die ein Todesurteil legitimierten?
Kurz erwähnt sei nur, dass der Diamat viele Behauptungen aufstellt, die richtig sind und unseren Alltagserfahrungen entsprechen. Möchte jemand bestreiten, dass die Idee für die Praxis bedeutsam ist? Oder, dass die Philosophie für das Leben Bedeutung gewinnen kann? Ausgewiesene Stalinismus-Kenner betonen sogar, dass man von den Kommunisten den Respekt vor dem spekulativen Gedanken lernen kann, obwohl die Doktrin determinstisch ist? Der Diamat beruht im Grunde auf dem, was deutsche Philosophen im 19. Jhd aufgetischt haben. In Russland wurden diese Gedanken aber verändert.
Jeder Stalinist und echte Kommunist würde vor Jahrzehnten über die von dir vorgebrachten Argumente und mich müde lächeln. Einige tun es sicher heute. Alles Lüge, wer behauptet es gehe den Massen im Sozialismsus schlecht. Denn die Lage muss dialektisch gesehen werden.
Makaber. Volle Zustimmung.
Viele Grüße
c.
"Für Totalitarismen wie unter Hitler und Stalin kann es keine Exante-Beurteilung geben. Man kann nicht so tun als sei nichts passiert." adam
So geht es aber seit mehr als 2000 Jahren zu, adam .Bitte nicht so tun, als sei das nur Vergangenheit. Es ist Zukunft, nur in anderen Formen. Nur die äußeren Umstände sind anders. Wo liegen denn die Ursachen des Totalitarismus?
Was "hinten rauskommt" bezieht sich auf die Konsumgesellschaft. Es kann auch missvertanden werden, wie es den braven Untertanen des deutschen Kaseers unterlief. Bei einem Kaiserbesuch in Hinter-Ponnern spannten sie ein Spruchband auf: Heil Kaiser dir, so drühnt´s aus Vorder-Pommern, doch aus dem Hintern solls noch lauter donnern."
viele Grüße
Ob "Stalinismus" oder "Hitlerismus" - bei beiden Ideologien war der Mensch als "Individuum" nur lästig,
wichtig wurde er erst wieder als "Masse", die in Mammutveranstaltungen und Aufmärschen dem jeweiligen großen Diktator huldigend zujubelte.
Scherten ehemalige "Kampfgefährten/Gefährtinnen" aus, weil sich ihr Weltbild verändert hatte, wurden sie ohne Skrupel
"eliminiert" oder in Zwangslagern mundtot gemacht, da sie der "großen Weltrevolution" des linken oder rechten Herrschers nicht mehr dienlich waren.
In der Wahl der Mittel und dem Herrschaftsanspruch gibt es m.M.n. keine gravierenden Unterschiede, die Diktatoren sehen sich in beiden Ideologien als die Heilsbringer für die übrige Menschheit.
Medea.
wichtig wurde er erst wieder als "Masse", die in Mammutveranstaltungen und Aufmärschen dem jeweiligen großen Diktator huldigend zujubelte.
Scherten ehemalige "Kampfgefährten/Gefährtinnen" aus, weil sich ihr Weltbild verändert hatte, wurden sie ohne Skrupel
"eliminiert" oder in Zwangslagern mundtot gemacht, da sie der "großen Weltrevolution" des linken oder rechten Herrschers nicht mehr dienlich waren.
In der Wahl der Mittel und dem Herrschaftsanspruch gibt es m.M.n. keine gravierenden Unterschiede, die Diktatoren sehen sich in beiden Ideologien als die Heilsbringer für die übrige Menschheit.
Medea.
Re: Gibt es einen rechten und linken Totalitarismus
@ Adam:
Ich sehe es ebenso. Hitler und Stalin waren gewöhnliche menschenverachtende Verbrecher.
Ob man diese Verbrecher nun philosophisch betrachten muss, halte ich für fragwürdig.
Hafel
Ich sehe es ebenso. Hitler und Stalin waren gewöhnliche menschenverachtende Verbrecher.
Ob man diese Verbrecher nun philosophisch betrachten muss, halte ich für fragwürdig.
Hafel
Re: Gibt es einen rechten und linken Totalitarismus
geschrieben von ehemaliges Mitglied
lichtung (von ernst jandl, * 1. August 1925 in Wien; † 9. Juni 2000 ebenda)
manche meinen
lechts und rinks
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum
--
Wolfgang
Re: Gibt es einen rechten und linken Totalitarismus
Das mußt Du nicht philosophisch, sondern vom klassenstandpunkt aus betrachten.
Aus vorhergegangenen diskussionen haben wir doch lernen sollen, daß es gute und schlechte diktatoren und totalitäre systeme gibt.
Die guten waren immer die, die sich selbst sozialistisch nannten oder noch nennen.
Die schlechten waren eben alle anderen.
Aus vorhergegangenen diskussionen haben wir doch lernen sollen, daß es gute und schlechte diktatoren und totalitäre systeme gibt.
Die guten waren immer die, die sich selbst sozialistisch nannten oder noch nennen.
Die schlechten waren eben alle anderen.
"Ich sehe es ebenso. Hitler und Stalin waren gewöhnliche menschenverachtende Verbrecher.
Ob man diese Verbrecher nun philosophisch betrachten muss, halte ich für fragwürdig." hafel und adam
Ob man diese Verbrecher nun philosophisch betrachten muss, halte ich für fragwürdig." hafel und adam
@adam
@hafel
Das Wort "fragwürdig" kann auch heißen des "Fragens würdig" sein.
Die Legitimation des totalitären Stalinismus erfolgte nicht durch Terror und Massenlenkung allein (wie erwähnt), vielmehr auch durch philosophische Theorien, die auf Menschheitsziele verweisen und die in der Tradition der europäischen Aufklärung stehen. Deutsche Philosophie übrigens bildete die Grundlage dafür. Die Vernunft steckte im Glauben an eine Höherentwicklung der menschlichen Gesellschaft und der Freiheit. Gewöhnliche menschenverachtende Verbrecher oder Schlächter?? Theoretisch eher nein. Die Praxis aber sah anders aus.
Robespierre ließ während des "Terreur" der Französischen 1793/94 viele Zehntausende im Namen der Vernunft hinrichten, darunter eigene Kampfgefährten. Ende Juli 1794 wurde er selbst hingerichtet. Die Revolution hatte ihren Höhepunkt überschritten. Die autoritäre Herrschaft Napoleons beendete sie vollends: "Ich habe den Krater der Revolution gechlossen (Napoleon)."
Mit Vernunftargumenten gegen eine "wissenschaftliche" Philosophie, die sich als Verkörperung der Vernunft sieht, würde die Wahrheitsfrage stellen. Sinnloser Streit. In den 50er Jahren fragten sich viele Wissenschaftler im WEsten, ob eine Kritik vom Standpunkt der westlichen Philosophie überhaupt zulässig sei. Man befürchtete eine Verabsolutierung der eigenen Ansichten und Haltungen. So beschloss man den Diamat als ein fremdartiges Phänomen zu sehen, ohne es zu bewerten. Natürlich rief das Kritik hervor. Dahinter verbirgt sich die Anerkennung der Relativität jeglicher menschlichen Haltung.
Ein frontales Anrennen gegen eine auf die Vernunft sich berufende Ideologie dürfte allgemein wenig erfolgversprechend sein.
Viele Grüße
c.