Fernsehen und Film Sonntag 3. Januar ARD (und alle 3. Programme) 20.15 Uhr - Feinde
WEr den Autor Ferdinand von Schirach kennt undschätzt, wird erahnen, dass dieser TV-Abend ziemlich einzigartig, aber auch fordernd wird.
Es geht um einen Kindsentführer (angelehnt an den Bankierssohn Jakob von Metzler,der 2002 entführt wurde) und die Aufarbeitung dieses Falles durch Ermittlungsbehörden, aber auch die juristisch anwaltliche Sicht, dargestellt von Klaus Maria Brandauer (endlich mal wieder - dieser gute Schauspieler macht sich ja leider sehr, sehr rar).
Zwischen den beiden TV-Teilen gibt es noch eine Doku - man sollte sich also auf einen langen TV-Abend mit Herausforderungen einstellen. Viel Freude. Olga
man sollte sich also auf einen langen TV-Abend mit Herausforderungen einstellen. Viel Freude. Olga
"Der Rechtsstaat hat gewonnen".
So hat Strafverteidiger Biegler die bitter Feststellung seiner Frau, "du hast gewonnen",
gestern selbstlos beantwortet.
Die offene Frage an die Zuschauer war: Hat er das, der Rechtsstaat?
Es stimmt, schon die langes Sendezeit des Ethikdilemmas gestern ist für mich eine Herausforderung gewesen (bin zuletzt kurzfristig eingedöst).
Die Frage befriedigend eindeutig zu beantworten ist mir bis heute nicht möglich.
Kam mir doch ungewollt die Rolle der Vertreter des Rechtsstaates bei der Verurteilung von Horst Arnold vorm LG in Darmstadt 2002 während der Sendung in den Sinn:
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/fall-horst-arnold-heidi-k-wegen-freiheitsberaubung-verurteilt-a-922097.html
I. Kant, das ist zuzugestehen, stützt die Argumentation des Juristen Biegler.
Doch macht das die Welt, macht das Deutschland wirklich zu einem gerechteren Ort?
Muss Gerechtigkeit im gemeinten Sinne nicht zwangsläufig immer als Ideal angesehen werden, dem es sich möglichst zu nähern gilt?
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Bei der Gelegenheit: Dürfen die Beitragszahler aufgrund der vorläufig misslungene Absicht der Sendeanstalten die Beiträge zu erhöhen künftig mit mehr solcher Programmgestaltungen rechnen?
Rechtsprechung, die davon ausgeht, dass jemand als unschuldig gilt solange ihm nichts nachgewiesen werden kann, ist wirklich manchmal schwer auszuhalten. Dass ein Mörder davonkommt, nur weil ihm der Mord nicht nachgewiesen werden kann, verstößt gegen jeden Gerechtigkeitssinn. Die Juristerei ist für den "Laien" oft nicht nachvollziehbar.
Roxanna
Ich habe es mir angesehen, zum einen, weil ich Schirach als Autor schätze und zum anderen weil ich einen aktuellen Klaus-Maria Brandauer sehen wollte. Eine selten brillanter Fernsehabend, Brandauer in Hochform, vlt. etwas selbstgefällig, war möglicherweise der Rolle geschuldet.
Und dann ein solch brisantes Thema! Die Frage bleibt: Ist Folter erlaubt, um den Entführer eines Kindes zum Reden zu bringen? Und ist das Urteil gerecht? Ein Freispruch, weil das Geständnis durch Folter (waterboarding) erzwungen wurde und anzuzweifeln ist, weil Beweise fehlen? Auch hier: Im Zweifel für den Angeklagten?
Dass die Entführung tödlich ausgeht, das hatte der Entführer nicht geplant, aber hätte er es einkalkulieren müssen?
Die Eltern des Kindes werden das Urteil nicht akzeptieren können, das ist verständlich.
Die Juristerei ist für den "Laien" oft nicht nachvollziehbar.Ja, Roxanna.
Roxanna
Juristen scheinen darum zu wissen, wenn sie bspw. erklären, dass man vor Gericht ein Urteil bekommt.
Dennoch glaube ich, dass es Aufgabe von Juristen und Politikern bleibt - Berufsgruppen die nicht zufällig oft identisch sind - interessierten Laien verständlich zu vermitteln was sie bewogen hat so oder so in einem konkreten Fall zu handeln und deren Einwände nicht mit Verweis auf Kompetenz einfach abzutun.
Abgehobene Erklärungen aufgrund von Definitionsmacht führen auf Dauer gewiss auch auf diesem Gebiet zur Unfähigkeit miteinander zivilisiert zu kommunizieren.
Es lohnte sich auf jeden Fall, jedoch waren die jeweiligen, identischen Gerichtsverhandlungen dann doch zu viel, finde ich zumindest...man kannte sie ja aus dem ersten Film.
Der Grundgedanke von Schirach, die jeweiligen Sichtweisen (Kriminalkommissar & Strafverteidiger) filmisch in zwei Filmen darzustellen, war ein Debüt, hochinteressant, gut umgesetzt, schwer auszuhalten !
Wenn ich diesen Fragebogen bekommen hätte, wäre für mich auch nur "Ja", also Freispruch infrage gekommen aber gerecht war es niemals.
Geständnisse mit Folter o.ä. Maßnahmen zu erzwingen gehört nicht (!!!) zu einem Rechtsstaat .
Immer wenn Kinder im Focus eines Verbrechens stehen, kochen die Emotionen sehr, sehr hoch, sodass fast ein sachliches Denken nicht möglich ist...
Wenn man Kinder hat und involviert ist, sieht man dieses Urteil ganz sicher anders, dass hat ja auch die Doku zwischendurch gezeigt.
Es wurde ja erwähnt, dass der Rechtsstaat das Urteil aushalten MUSS...was aber ist mit den Betroffenen, Hinterbliebenen...?
Kristine
Ein brisantes Thema sehr gut umgesetzt in einen TV-Film, den jeder sicher mindestens einen Tag danach noch innerlich beschäftigt. Sowas gibts ja in der großen Auswahl von Krimis nicht mehr, die auch keine Botschaft haben.
Nur weil Ferdinand von Schirach das Thema gebracht hat, sah ich mir den Film an und ich alle Filme von ihm kenne.
Dass Folter eines Gefangenen verwerflich ist, wird klar sein, das war auch sehr krass dargestellt. Es gibt sicher in der Realität andere Foltermethoden, die sich nicht nachweisen lassen. Mit einem guten Anwalt erst recht nicht. Man könnte diese Geschichte noch weiterspinnen, dann wird es noch schwieriger mit dem Thema Gerechtigkeit. Vielleicht macht ja Schirach noch was draus. Ich bin gespannt.
Mehr als den ersten Film aus Sicht des Kriminalbeamten konnte ich nicht aushalten.
Wenn Richter nach den geschriebenen Gesetzen urteilen müssen ist ihnen kein Vorwurf zu machen, solange Politiker aus solchen Fällen keine Konsequenzen ziehen und Gesetze anpassen.
Ich dürfte hier nichts schreiben, denn ich habe es mir gar nicht angetan, obwohl ich Schirach und
Brandauer auch sehr schätze, aber was ich zuvor über diesen öffentlich-rechtlichen Fernsehabend
gelesen hatte, hätten diese 2 Teile und die Doku an meiner Meinung über die Justiz nichts
geändert.
Der Fall Metzler hat mich damals sehr aufgewühlt, und ich bekenne mich dazu, daß ich volles
Verständnis habe für jeden "Ermittler", wenn es durch Zeitdruck um Leben und Tod eines
unschuldigen Opfers eines Höchstkriminellen geht, selbst wenn zu Mitteln gegriffen wird, die
diesem Verbrecher "etwas weh " tun.
Mein Mann fand es ein wenig "frech" von den öffentlich-rechtlichen Sendern, daß die Filme
überall liefen, aber wir gucken ohnehin kaum noch auf diesen Kanälen...........
LG Charlie
Im Rückblick zu sagen, es ist gut und richtig, dass der Entführer freigesprochen wurde, ist natürlich kaum möglich, denn das Geständnis brachte ja Fakten zu Tage - der Ort wo das Kind gefangen gehalten wurde - somit war der Angeklagte zweifellos zumindest (ohne weiteren Beweise) involviert.
Jedoch er wurde gefoltert, obwohl keine Nachweise vorhanden waren, dass der Verdacht begründet war.
Auf Grund von Vermutungen Folter zu erlauben, kann man nicht befürworten.
Eine Dilemma-Situation?