Forum Kunst und Literatur Fernsehen und Film Der Tag, der in der Handtasche verschwand.

Fernsehen und Film Der Tag, der in der Handtasche verschwand.

mane
mane
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Der Tag, der in der Handtasche verschwand.
geschrieben von mane
"Was suchen sie denn?" wird die alte Dame gefragt, als sie in ihrer Handtasche kramt. Sie suche den Tag, sagt sie - jeden Tag aufs Neue. Sie ist an Alzheimer erkrankt und lebt in einem Seniorenpflegeheim in Duisburg.
Der Film begleitet die alte Dame in ihrem Alltag und zeigt, wie sie verzweifelt versucht, sich zu erinnern:

"Hier hab ich es drin - es kommt nicht raus."
"Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll."
"Ich bin vollkommen verloren, wenn ich mich nicht mehr erinnern kann."
"Da ist eine dunkle Wand vor mit."
"Ich will irgendwo hingehen, wo man mich kennt, damit ich Anhaltspunkte habe, wo ich die ganze Zeit gewesen bin und was ich getan habe."

Es ist ein sehr berührender Film, der ansatzweise zeigt, was in Menschen vorgeht, die ihre Erinnerung verlieren, ihre immer gleichen Frage (weil sie die Antworten ihrer Mitmenschen direkt wieder vergessen haben) und ihre Verlorenheit und ihre Ängste.

Die Bilder des Films sprechen für sich selbst. Es gibt kaum Kommentare der Person hinter der Kamera. Dadurch hat man das Gefühl mitten im Geschehen zu sein.
Allerdings machen auch die Zustände in diesem Seniorenheim betroffen.

Wer sich auf den Film einlassen möchte, dem empfehle ich auch den zweiten und dritten Teil anzusachauen, sie erscheinen mir noch aussagekräftiger.
Mane
Klara39
Klara39
Mitglied

Re: Der Tag, der in der Handtasche verschwand.
geschrieben von Klara39
als Antwort auf mane vom 29.01.2016, 15:07:57
Danke, Mane, dass Du diesen Link mit Deiner Einführung eingestellt hast. Alle 3 Teile habe ich mir angesehen, sie haben mich sehr berührt und ich werde wohl noch eine Weile nachdenken, vor allem darüber, was man besser machen könnte. Es ist für mich eine ganz schlimme Vorstellung, wenn ich eine derartige Demenz bekäme. Wie könnte man die Zustände in diesem Pflegeheim ändern. Es kam mir vor, als würden da zwei Welten miteinander auskommen müssen. Als die alte Dame gefragt wurde, was ihr denn fehle, sagte sie: "Was fehlt ist Liebe..." und die Verlorenheit und Angst hat man ihren Augen die ganze Zeit über angesehen. Wann hört eigentlich "Leben" auf?
Wenn ich Angehörige hätte, würde ich sie - bevor ich in eine ähnliche Situation käme - um eine Reise in die Schweiz bitten...
Klara
Karl
Karl
Administrator

Re: Der Tag, der in der Handtasche verschwand.
geschrieben von Karl
als Antwort auf mane vom 29.01.2016, 15:07:57
Da fehlen mir die Worte. Wir alle können nur hoffen, dass uns dies erspart bleibt.

Karl

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mane
mane
Mitglied

Re: Der Tag, der in der Handtasche verschwand.
geschrieben von mane
als Antwort auf Klara39 vom 29.01.2016, 18:37:50
Liebe Klara,

die alte Dame befand sich wahrscheinlich zur Drehzeit noch in einem relativ wachen Zustand, in dem es für die Betroffenen sehr schwer ist, mit der Situation, mit dem Vergessen umzugehen. Ich habe gelesen, dass sie 7 Jahre nach dem Film gestorben ist. Vielleicht schwinden die Ängste und die Verlorenheit mit den Jahren etwas. Ich hoffe, dass es so ist.

Du fragst, was man besser machen könnte, wie man die Zustände in Pflegeheimen ändern könnte.
Ich habe schon einiges über den Pflegeforscher Erwin Böhm gelesen, dessen Konzept in mehreren Pflegeheimen umgesetzt wird. Es ist, wie ich finde, eine gute Möglichkeit, den Menschen mit Demenz ihre verbleibende Lebenszeit zu erleichtern.



In dem oben eingestellten Link wird ein Seniorenzentrum vorgestellt, welches sich seit 2000 auf Menschen mit Demenz spezialisiert hat und nach dem Böhm-Konzept arbeitet.
Das Personal geht sehr individuell mit den Menschen um, versucht herauszufinden, was sie in ihrer speziellen Lebenssituation brauchen, was für sie wichtig ist, damit sie ausgeglichen und zufrieden leben können. Man versucht, auch mit extremen Auffälligkeiten so umzugehen, dass diese Menschen ihren Freiraum haben, "praktisch ohne Medikamente". "Er kann so sein wie er ist, wir lassen es zu."

50% ist Einzelbetreuung und ganz auf den einzelnen Menschen ausgerichtet. Sie werden auf der Interaktionsstufe abgeholt, in der sie sich befinden. Dazu ist es wichtig, die Lebensbiografie zu kennen, alte Gewohnheiten, was sie gerne essen und was ihnen Freude macht.
Mane
Klara39
Klara39
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Re: Der Tag, der in der Handtasche verschwand.
geschrieben von Klara39
als Antwort auf mane vom 30.01.2016, 11:17:54
Mane, dieses Konzept müsste überall realisiert werden! In dieser Einrichtung würde ich wohl eher Heimat finden, als in der vorher gezeigten - dort lief es mir etwas zu fabrikmäßig, d.h. der demente Mensch wurde mehr als Versorgungsobjekt behandelt. Dieser Link gibt Hoffnung! Danke. Aber ich bin mit Karl einer Meinung, man kann nur beten, dass einem eine derartige Erkrankung erspart bleibt!
Klara
mane
mane
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Re: Der Tag, der in der Handtasche verschwand.
geschrieben von mane
als Antwort auf Klara39 vom 30.01.2016, 11:34:46
Liebe Klara,

hier ist eine Auflistung der Seniorenheime, die nach dem psychobiographischen Pflegemodell nach Erwin Böhm in Deutschland, Österreich, Luxemburg und der Schweiz arbeiten:
Zertifizierte Häuser

Gruß Mane

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Klara39
Klara39
Mitglied

Re: Der Tag, der in der Handtasche verschwand.
geschrieben von Klara39
als Antwort auf mane vom 30.01.2016, 18:28:48
Danke für die Auflistung der Heime, mane! Es ist doch ein Hoffnungsschimmer, dass es solche Bemühungen in der Pflege gibt.
Klara
youngster
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Re: Der Tag, der in der Handtasche verschwand.
geschrieben von youngster
als Antwort auf Klara39 vom 30.01.2016, 11:34:46
Mane, dieses Konzept müsste überall realisiert werden! In dieser Einrichtung würde ich wohl eher Heimat finden, als in der vorher gezeigten - dort lief es mir etwas zu fabrikmäßig, d.h. der demente Mensch wurde mehr als Versorgungsobjekt behandelt. Dieser Link gibt Hoffnung! Danke. Aber ich bin mit Karl einer Meinung, man kann nur beten, dass einem eine derartige Erkrankung erspart bleibt!
Klara


Auch ich habe mir alle drei Teile des Films angesehen und kann aus meiner Sicht auch nur hoffen, dass mir und meinen Angehörigen diese schreckliche Krankheit einmal erspart bleiben möge. Ich fand die Filme sehr berührend und mich hat so manche Szene auch sehr zum Nachdenken angeregt. M.E. haben sich jedoch die Pflegekräfte und Betreuerinnen bzw. Betreuer sehr um diese demente Dame bemüht. Das von dir angesprochene fabrikmäßige konnte ich nicht so empfinden.

Bei dem Pfelgemodell nach Erwin Böhm kam ja nur der veranwortliche Heimleiter zu Wort, der sein Haus und das darin verwirklichte Konzept vorstellte. Es kam keine der betroffenen Bewohnerinnen bzw. Bewohner zu Wort so wie in dem dreiteiligen Fim. Deshalb lassen sich für mich da auch keine schlüssigen Vergleiche ziehen ob z.B. die demente Dame in dem anderen Heim besser zurechtgekommen wäre.

Ich fand aus meiner Sicht die Filme mit der betroffenen Person aufschlussreicher und bin der Meinug man muss dem vorgestellten Heim danken, dass es sich für die Filmproduktion zur Verfügung gestellt hat um auch zu verdeutlichen wie schwierig es ist mit diesen Menschen und der Krankheit umzugehen.

Möge uns allen so ein Schicksal erspart bleiben.

Gruß youngster
Klara39
Klara39
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Re: Der Tag, der in der Handtasche verschwand.
geschrieben von Klara39
als Antwort auf youngster vom 01.02.2016, 10:34:30
Youngster, ich gebe Dir recht, der Ausdruck "fabrikmäßig" war daneben und ich nehme ihn zurück. Jeder sieht die Berichte mit anderen Augen und auch die einzelnen von der Krankheit Betroffenen reagieren jeweils anders. Obwohl in dem 2.Bericht sich nur der Heimleiter äußerte, waren mir die gezeigten Bilder vom Zusammenleben der Bewohner sympathischer, aber das ist nun auch wieder mein ganz persönlicher Eindruck. Es ist überhaupt schwer, zu dem Thema die richtigen Worte zu finden...
Klara
youngster
youngster
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Re: Der Tag, der in der Handtasche verschwand.
geschrieben von youngster
als Antwort auf Klara39 vom 01.02.2016, 12:37:39
Klara ich danke dir für deine Antwort und habe den Eindruck gewonnen,
wir sind bei diesem doch sehr kompliziertem Thema auf einer Wellenlänge. M.E. bedarf es hier voller fachlicher Hilfe sowohl in pflegerischer als auch in psychologischer und sogar soziologischer Sicht.

Im Grunde können sich alle dementen Menschen und vor allem auch deren Angehörige glücklich schätzen wenn sie eine entsprechende Hilfe je nach Grad und Ausprägung der Krankheit finden solange es geht im sozialen Umfeld ihres Zuhauses und im fortgeschrittenem Stadium dann eben in einem dafür geeignetem Pflegeheim wo die fachliche Betreuung sichergestellt werden kann.

Wünsche uns aber allen hier dass wir von dieser Krankheit verschont bleiben mögen sei es als Betroffner selber als auch als Angehöriger eines Betroffenen.

Gruß youngster

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