Diskussion historischer Ereignisse Warum stehen in Washington, London, Paris, Moskau und anderen Hauptstädten keine Mahnmale/Denkmale der eigenen Schande?
Schon seit geraumer Zeit treibt mich diese Frage um und ich habe bis heute keine befriedigende Antwort darauf. Ich würde mich daher freuen, wenn in diesem Thread sachlich und ohne gegenseitige Polemik darüber dikutiert und vielleicht sogar eine Erklärung gefunden werden könnte, die allgemeine Zustimmung findet. Nur weil ein Herr Höcke auf recht verzwirbelte und mehrdeutige Weise in seiner Rede u.a. gesagt hat, dass Berlin eine diesbezüglich Ausnahme darstellt, ist es nach meiner Meinung erlaubt, diese Tatsache einmal ganz unvoreingenommen zur Diskussion zu stellen.
Nicht wenige Fragen stellen sich in diesem Zusammenhang. Spielt vielleicht die Zahl der Opfer eine Rolle, ein Mahnmal zu setzen und sind mehrere hundertausend Menschen, die verfolgt und getötet wurden, es (noch) nicht wert, ihrer in Form eines Mahnmals zu gedenken? Müssen erst Millionen umgebracht worden sein wie in Deutschland während der Nazidiktatur? Kann es vielleicht auch sein, dass der Nationalstolz dieser Völker dabei eine nicht unwesentliche Rolle spielt? Fragen über Fragen!
Und zum Schluss, damit erst gar keine Missverständnisse aufkommen, ich bin ein Befürworter des Holocaust-Mahnmals in Berlin, weil es für uns und nachfolgende Generationen die Erinnerung an dieses dunkelste Kapitel deutscher Geschichte wach hält, damit so etwas Schreckliches niemals wieder geschieht.
Fred
Ich erinnere an unsere Diskussion Warum Erinnerungskultur wichtig ist. Dort wurden bereits ähnliche Fragen gestellt und auch beantwortet. Du hast Dich an der Diskussion sogar beteiligt.
Ich wage deshalb ausnahmsweise einmal ein Crossposting. Monja_moin hat in diesem Thread berichtet, dass in Lissabon ein Denkmal steht, das an ein Massaker an Juden von 1506 erinnert.
Monja_moin schrieb:Aber völlig unabhängig davon, dass auch andere Völker Denkmäler für Opfer von Greueltaten aufstellen, muss an die Opfer des Holocausts gedacht werden. Wir sind es unseren Kindern und Enkelkindern schuldig, alles dafür zu tun, dass sich Ähnliches nicht wiederholt und dazu ist die Kenntnis der Geschichte eine wichtige Voraussetzung.
Denkmäler sorgen dafür, daß bestimmte Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten. Erinnern ohne Denkmäler tun sich meist nur die es selbst erlebt haben, vielleicht noch die Generation danach. Meist dann auch nur was sie persönlich erlebt haben. Zum Glückt gibt es noch viele, die sich informieren und nachlesen, wenn sie ein Denkmal sehen und mehr darüber wissen möchten. So erging es mir als ich in Lissabon dieses Denkmal sah.
Sicher las ich am Denkmal um was es sich handelt. Ich wollte mehr wissen und suchte mir Informationen aus verschiedenen Webseiten. Kurz zusammengefaßt sind es folgende Informationen: Holocaust-Denkstein auf dem Platz Largo de Domingos in Lissabon. Dieser Gedenkstein erinnert an das Massaker 1506 in Lissabon, an dem zwischen 2000 und 4000 Juden ausgeraubt, verstümmelt mit Speeren und Schwertern, geschändet, verbrannt und getötet wurden (die Zahl der Opfer variiert in verschiedenen Berichten. So soll dieses Massaker durch zwei Dominikaner begonnen haben, die mit ihren Kruzifixen auf den Schultern diese Volksverhetzung begannen. Der Begriff "Bluthochzeit von Lissabon" ist oft zu lesen. Monja.
karl
... Das Denkmal ist ein Mahnmal und niemals käme ich auf die Idee es in Frage zu stellen oder es zu relativieren, weil andere Völker auch Verbrechen begangen haben. ..Ich habe dies in meinem Beitrag weder infrage gestellt, noch relativiert. Ich habe lediglich die Frage gestellt, warum in anderen Hauptstädten der Welt keine ähnlichen Denkmale/Mahnmale stehen. Die Betonung lag dabei auf den von mir genannten HAUPTSTÄDTEN. Dass es in Lissabon ein Denkmal gibt, war mir bekannt.
karl
Es sollte doch möglich sein, auf meine Frage(n) konkret einzugehen, denke ich.
Es gibt in vielen Ländern Gedenkstätten, manchmal sogar nur für 1 Person in Vertretung für das Unrecht. insgesamt. Also hat es mit der Anzahl der Toten sicher nichts zu tun.
In Großbritannien gibt es vielerorts Mahnmale für die Hexenverbrennungen. I
In der Finnmark ( Norwegen ) ebenso.
Das Denkmal in Amerika , was an schreckliches Unrecht an den Indianern ( Woundet Knee )erinnert.
Oder die Strafgefangenenlager, die in Australien, daran erinnern sollen, wie dort die Gefangenen behandelt wurden.
usw.
Hallo Fred
Ich habe mal einen Blick auf die Niederlande geworfen.
In der Schulzeit haben wir als Pflichtlektüre Bücher über Sklaverei gelesen und besprochen.
Ob es Denkmäler gibt zur Erinnerung weiß ich nicht.
Vor einigen Jahren gab es ein Gedenkjahr:
„Dies ist ein Schandfleck unserer Geschichte“, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Lodewijk Asscher bei einer Gedenkfeier in Amsterdam. König Willem-Alexander und Königin Máxima gaben mit ihrer Anwesenheit der Veranstaltung historisches Gewicht, die mit 21 Salutschüssen eingeleitet worden war.
Dennoch war die Reaktion schwarzer Niederländer verhalten, hatten sie doch eine offizielle Entschuldigung erwartet. Das wäre eine wichtige Geste gewesen, sagte der Vorsitzende des nationalen Instituts für Sklavereigeschichte, Eddy Campbell. „Aber das können wir nicht erzwingen.“ Die niederländische Regierung lehnt ein Schuldeingeständnis aus Sorge vor Schadenersatzforderungen ab.
https://www.welt.de/geschichte/article117637605/Niederlande-entschuldigen-sich-fuer-500-000-Sklaven.html
Danke für diesen Link, Mareike!
Dass diese Traumate heute noch immer bei den Nachkommen nachwirken, ist nicht erstaunlich, deren Weitergabe ist sowohl kulturell wie biologisch belegt.Niederlande entschuldigen sich für 500.000 Sklaven
Der Menschenhandel gehört zu den größten Schattenseiten der Moderne. Ausgerechnet die Nationen, die ihn vorantrieben – England, die Niederlande, Frankreich – entwickelten die transkontinentale Sklaverei zu einem Exempel früher globaler Wirtschaft. Man schätzt, dass zwischen 1500 und 1850 zehn bis zwölf Millionen Afrikaner in die Neue Welt geschafft wurden, wobei auf einen überlebenden Sklaven bis zu drei Menschen kamen, die die Tortur der Gefangennahme und der Überfahrt nicht überlebten.
Karl
Hallo Mareike,
auch von mir vielen Dank für den interessanten Link und deinen Beitrag.
Bei weiterem Nachdenken im Vergleich zu Deutschland kommen mir spontan einige
"Erklärungen" wieso das Erinnern unterschiedlich gestaltet und auch empfunden wird.
Ich bin mir bewusst, dass es eine sehr persönliche Einschätzung ist:
- "Die Deutschen" fühlen sich stärker als Volk
- Somit auch stärker als Volk schuldig oder verantwortlich, was in Sprache und Denkmäler offenkundig wird
- Hinzu kommt die deutsche Gründlichkeit.
Die Banalität des Bösen
Wir Deutsche haben in einem langen Prozess (der nach wie vor nicht abgeschlossen ist, wie wir aufgrund des neuerwachten Antisemitismus und der Naziparteien in unserem Land wissen) uns mit dem grössten Verbrechen an der Menschheit in der Neuzeit identifiziert,das wir Deutsche durch Tötung vieler Millionen Menschen weltweit verübten.
Österreich hat sich gerade jetzt zu einer Mitschuld für ermordete Juden bekannt und will jetzt, nach fast 80 Jahren, ebenfalls ein Denkmal errichten. Ich denke aber, dass dieses mehr dazu beitragen soll,dass die neue Regierung in Österreich mit "rechter" Beteiligung und ebensolchen Ministern nicht zu sehr in das falsche Licht gerät.
Eine Frage an Sie: woher wissen Sie explizit, dass in Washington, London, Paris, Moskau usw. keine Mahnmale/Denkmale "der eigenen Schande" (was immer darunter zu verstehen ist) stehen? Olga
Eine Frage an Sie: woher wissen Sie explizit, dass in Washington, London, Paris, Moskau usw. keine Mahnmale/Denkmale "der eigenen Schande" (was immer darunter zu verstehen ist) stehen? OlgaWo wollen Sie das gelesen haben?