Anthropologie / Psychologie Perfektionismus durch Online-Netze?
Im Psychological Bulletin von Dez. 2017 wurde anhand der Daten von 41000 Studierenden aus den USA, Kanada und Großbritannien die Entwicklung von Perfektionismus von 1989 bis 2016 untersucht. Die Probanden waren alle mit dem gleichen Fragebogen konfrontiert, der drei Facetten von Perfektionismus betraf - den Wunsch, selbst perfekt zu sein, den rezipierten Druck von außen, und die eigenen Erwartungen Anderen gegenüber. Das Ergebnis - in allen drei Aspekten zeigten Studierende deutlich höhere Werte als vor 30 Jahren, am höchsten beim sozialen Druck (33%), gefolgt von den Erwartungen gegenüber Anderen (16%) und dem eigenen Wunsch nach Perfektion (10%). In dem Artikel werden vor allem soziale Netzwerke für diesen Anstieg verantwortlich gemacht - die 'millennials' fühlten sich durch ständige Vergleiche zunehmend unter Druck gesetzt - aber auch das öffentlich geförderte Konkurrenzdenken und der Erfolgsdruck würden eine Rolle spielen. So habe 1976 etwa jeder zweite Highschool-Absolvent ein Studium abgeschlossen, 2008 seien es bereits mehr als 80% gewesen - Tendenz immer noch steigend...
Klingt interessant - da drängte sich mir spontan die Frage auf, wer künftig unsere Straßen reinigt, in der Pflege tätig sein wird usw., wenn es vor lauter Perfektionismus irgendwann einmal nur noch Hochschulabsolventen geben wird??? Vielleicht wird aber auch irgendwann für alle Berufe die Hochschulreife Voraussetzung???
Ja, ich glaube auch, dass die Ansprüche an sich selbst in den letzten 30 Jahren gestiegen sind - das einfache Leben im normalen Mittelstand gibt es nicht mehr...., d.h. der Mittelstand schwindet - leider - was wird die Zukunft bringen?
LG barbarakary
Das scheint mir doch eine der typischen Arbeiten zu sein, die vollständig von autonomen Maschinen erledigt werden können. Menschen werden mehr Zeit haben.barbarakary
Klingt interessant - da drängte sich mir spontan die Frage auf, wer künftig unsere Straßen reinigt
Karl
@Karl,
Was machen Biologen, die problemlos wenige Generationen später von Maschinen ersetzt werden?
Unter der Voraussetzung, dass deine Vorhersagen bezüglich künstlicher (scheinbarer) Intelligenz zutreffen.
Man kann sich manchen Fragen und Entwicklungen auch zu spät stellen.
Ciao
Hobbyradler
einen möglichst hohen Prozentsatz von Akademikern aufweisen zu können... Es gibt aber noch
einen zweiten Aspekt, an den ich nicht gedacht hatte - der Bericht sieht einen Zusammenhang
mit dem gleichzeitig festgestellten Überhandnehmen von Narzissmus - Jugendliche in westlichen
Industrieländern beschreiben sich selbst zunehmend als egozentrischer und feindlicher Anderen
gegenüber als die Elterngeneration - und haben Probleme mit dem Perfektionsdruck von außen,
der in der Untersuchung ja den stärksten Anstieg aufwies. Die Autoren vermuten darin die
'relevanteste Erklärung für die Zunahme psychischer Erkrankungen junger Menschen'...
Ich denke auch ,dass in nicht allzu ferner Zeit alle Tätigkeiten, deren manuelle 'ERledigung in einem ständig wiederkehrenden Rhytmus erfolgen (wie z.B. Strassenkehren) maschinell erledigt werden. Auch wenn sich immer weniger Menschen finden, Pflegetätigkeiten auszuüben aber immer mehr Menschen diese Pflege benötigen, werden hier Roboter eingesetzt werden. Teilweise gibt es diese Prototypen ja schon (z.B. in Japan). Es wird aber auch viele Sachbarbeiter-Tätigkeiten betreffen, wie z.B. Buchhalter. Sekretärinnen gibt es seit längerem nicht mehr, auch deshalb, weil heute sehr gut ausgebildete Frauen zu Recht diese dienende Tätigkeit am Mann nicht mehr ausüben wollen.
Umgekehrt wird es neue Jobs geben, die noch höhere qualitative Ansprüche stellen. Ein erstes Vorzeichen ist heute schon, dass auch in Deutschland immer mehr junge Menschen auf Universitäten gehen. Wollen Sie doch eine Lehre absolvieren, haben auch hier oft diejenigen mit Abitur einen Vorzug bei renommierten, grossen Unternehmen.
ABer wie das alles mit einem Perfektionismus zusammenhängen soll, verstehe ich nicht ganz, da gerade, wenn Menschen einen Tätigkeit ausüben, ein 100%iger Perfektionismus nie gegeben ist, weil es eben Menschen sind und die sind nun mal nicht perfekt.
Was versteht man unter Mittelstand? Ist der in Deutschland wirklich in so grosser Gefahr bei einem Durchschnittseinkommen von mehr als 3.000.-- Euro monatlich?
Denken wir doch nur mal an die gar nicht gute alte Zeit zurück: grosse Hygieneprobleme, keine Gesundheitsversorgung, Wohnungen mit Ofenheizung und keine maschinelle Unterstützung (wie z.B. Waschmaschinen usw.).
Die Menschen starben früh; die Kindersterblichkeit war hoch, viele Krankheiten konnten nicht geheilt werden.
Da hat sich doch vieles so sehr zum Vorteil geändert, dass wir alle nur froh und dankbar sein sollten, in einer solchen Zeit leben zu dürfen. Olga
ABer wie das alles mit einem Perfektionismus zusammenhängen soll, verstehe ich nicht ganz, da gerade, wenn Menschen einen Tätigkeit ausüben, ein 100%iger Perfektionismus nie gegeben ist, weil es eben Menschen sind und die sind nun mal nicht perfekt.Genau darin liegt ja das Problem - wir sind nicht perfekt, aber der gesellschaftliche Druck dorthin
nimmt zu. In den Medien, aber auch in Stellenangeboten u.Ä. - überspitzt formuliert:
"Akademiker unter 25 mit Auslandserfahrung und langjähriger Praxis bevorzugt, abgeschlossenes
Zweitstudium erwünscht..."
Man hat eben jung, schön, sportlich, intelligent, kerngesund und hervorragend ausgebildet zu sein
- und Viele versuchen auch, diesen Eindruck zu erwecken
@hobbyradler,
ich überbringe nur die Botschaft, aber aus der Geschichte ist bekannt, dass Botschafter schlechter Nachrichten nicht geliebt und manchmal geköpft werden.
Was mit uns Menschen geschieht, wenn wir durch intelligente Maschinen ersetzt werden, die Straßenkehrer etwas früher als die Biologen, weiß ich auch nicht im Detail. Dass wir aber ersetzt werden, ist zumindest eine Möglichkeit.
Früher habe ich geschrieben, dass der Mensch als Konsument immer noch benötigt werde. Aber dies ist nicht einmal zwingend für immer eine notwendige menschliche Rolle, da Maschinen selber Bedürfnisse haben werden (nach Ersatzteilen etc.) und das Internet der Dinge sie ja direkt miteinander kommunizieren lässt. Es wird also auch ohne Menschen einen Warenaustausch (Stoffwechsel) geben.
Die Sinnsuche der Menschen (für die Menschen) wird eine Herausforderung werden. Ziemlich bald, die exponentielle Dynamik des Prozesses ist doch derzeit direkt spürbar. Die Luft vibriert.
Karl
DA kann ich wirklich nicht mitsprechen: ich bin in der unvergleichlich positiven Lage, mir keinen Job mehr suchen zu müssen. Schon zu meinen Zeiten war es als Frau, die Karriere machen wollte, recht schwierig, sich auf dem Feld, wo MÄnner herrschen und sich die Jobs ergattern wollten, zu behaupten. Aber mich hat es eigentlich auch immer angestachelt und motiviert, noch besser werden zu wollen.
Das wird in Zukunft eine ganz normale Sache. Keiner kann mehr davon träumen, einen einmal erlernten Beruf bis an sein Berufsende auszuüben und Ruhe zu haben. Es heisst: lebenslanges Lernen und das eigene Wissen auf den Prüfstand stellen. Aber was soll daran so schlecht sein? Das motiviert doch Psyche, Geist und auch Physis, wie ich denke. Olga
In dieser unvergleichlich positiven Lage sind wohl die Meisten hier - man macht sich aber trotzdem evtl. Gedanken über die Situation in Gegenwart und Zukunft...
'Lebenslanges Lernen und das eigene Wissen auf den Prüfstand stellen' ist eine Sache, in einen krankmachenden Perfektionismus gedrängt zu werden eine andere - und zu dem lebenslangen Lernen muss man erst mal die Möglichkeit haben - ich sehe da die Situation in meinem eigenen Beruf:
Zu meiner Zeit waren die meisten Bibliothekare viele Jahre im Beruf und hatten Kompetenz, Erfahrung und einen jeweils eigenen 'Draht' zu den Benützern - heute gibt es kaum mehr längerfristige Anstellungen, die Meisten haben keine Ausbildung, sondern Kurzzeitjobs für ein halbes Jahr, dann kommen neue - das Sammeln von Erfahrung und Kompetenz ist so gut wie unmöglich, und Benützer finden keine ernsthaften Ansprechpartner mehr - da können jetzt die selbständig lebenslanges Lernen üben...