Forum Politik und Gesellschaft andere gesellschaftliche Themen Wer darf über die Lebensweise indigener Völker bestimmen?

andere gesellschaftliche Themen Wer darf über die Lebensweise indigener Völker bestimmen?

RE: Wer darf über die Lebensweise indigener Völker bestimmen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf novella vom 23.01.2020, 21:06:33

Novella, danke für deine höfliche Nachfrage


Ich war tatsächlich verwirrt über die Fragestellung, die die Weiderechte mit der in Harmonie mit ihrer Umwelt lebenden Indigenen vermengt. 

Auf    WIKIPEDIA. ist die Geschichte der Sami sehr interessant nachgezeichnet.



In diesem Thread geht es offensichtlich um folgendes:

 

".....So müssen zum Beispiel die Renhirten der schwedischen Provinzen DalarnaHärjedalen und Jämtland derzeit um ihre Existenz bangen.

Der Staat hatte 1991 Staatswald an private Eigentümer verkauft, die die Samen anschließend wegen des traditionellen Winterweiderechtes im Wald auf Entschädigung verklagt haben.

Den ersten Prozess im Jahre 1996 verloren die Sámi. Auch ein weiteres Urteil des höchsten schwedischen Gerichtshofes im Jahre 2004 entschied gegen die Rentierhalter. Dadurch verloren die Samebyer rund 25 bis 30 % ihrer Winterweiden. Zusätzlich verlangt man laut Gerichtsbeschluss für die „illegale Waldnutzung“ immense Entschädigungszahlungen und Abschussrechte für Rentiere.

Nach Ansicht der Beklagten verstoßen die Urteile gegen die Europakonvention zum Schutz der Menschenrechte, so dass man sich 2006 mit einer entsprechenden Petition an das EU-Parlament wandte. Das Verfahren läuft noch.[36]


Die norwegische Regierung, die vor einer ähnlichen Problematik stand, konnte sich gegen die Privatwaldbesitzer durchsetzen und den dort ansässigen Sámi die entsprechenden Rechte bestätigen."



Die Frage,die ich beantworten soll,  lautet:

Wer darf über die Lebeweise indigener Völker bestimmen?

Diese Frage ist in diesem Zusammenhang mir nicht verständlich.

Sie müßte meines Erachtens lauten: Können ersessene Weiderechte durch geänderte Besitzverhältnisse Null und nichtig werden.

Ich sage Nein. 

Hier zulande gibt es eine lange Tradition an solchen Rechten und natürlich auch Probleme und Konflikte insbesondere naturschützerischer Art. Aber, so wie in Schweden kann mit alten Rechten hier nicht umgegangen werden.

 
RE: Wer darf über die Lebensweise indigener Völker bestimmen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
"Der Staat sagt, man sei formaler Besitzer des Landes..."

Wer ist der Staat, wer gehört dazu? Sind die Sàmi keine schwedischen Staatsangehörige, nur widerrechtlich Eingewanderte wie die, die sie jetzt vertreiben wollen? 
Dieses Problem ist auf der ganzen Welt verbreitet und eigentlich erwartet man von einem so fortschrittlichen Staat wie Schweden eine andere Umgehensweise mit den Ureinwohnern.
Via
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Mitglied

RE: Wer darf über die Lebensweise indigener Völker bestimmen?
geschrieben von Via
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.01.2020, 23:02:34

Auszug aus dem von mir  verlinkten Artikel der wohl nicht so gerne gelesen wird:

Rechtsstreit dauert schon zehn Jahre
Schweden ist völkerrechtlich dazu verpflichtet, die Rechte seiner samischen Urbevölkerung zu schützen. Doch im Gegensatz zu den Nachbarn Norwegen und Dänemark hat das Land die dafür entscheidende Konvention 162 der Vereinten Nationen bis heute nicht unterzeichnet.
"Die Art, auf die die Samen seit langer Zeit das Land nutzen, ist nur schwer mit dem heutigen Bedarf an Windkraftanlagen, Bergbau oder auch Tourismus zu vereinbaren. Das gibt immer wieder Konflikte. Und deshalb ist es wichtig, dass wir Klarheit bekommen, wo hier die Rechte liegen", sagt Mari Heidenborg, Vertreterin des schwedischen Staates in dem Verfahren.

Für die Samen geht es um viel mehr
Doch für die Samen geht es im Prozess um weitaus mehr. Die Art und Weise wie Schweden mit den Sami umgeht, sei doch ein Wegweiser für den Rest der Welt. Es gehe auch um die Frage: "Wie wollen wir mit diesem Planeten umgehen, damit er auch in Zukunft bewohnbar bleibt? Wie schützen wir unsere natürlichen Ressourcen?", sagt Matti Berg, der Sami-Vorsitzende.
Also geht es dem Staat um Ausbeutung der Bodenschätze und die Vergabe von Jagdlizenzen, was den Rentierbestand dezimieren und den Sami die Lebensgrundlage entziehen würde.

VG - Via

P. S.: Von Harmonie war keine Rede, das ist fälschlich hineininterpretiert worden.
 

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dutchweepee
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Mitglied

RE: Wer darf über die Lebensweise indigener Völker bestimmen?
geschrieben von dutchweepee

Die europäische "Zivilisation" hat schon immer wo sie auch eindrang - in Südamerika, Nordamerika, Afrika, Indien, Asien und Australien - alle Völker ermordet, versklavt, vertrieben, eingezäunt und die Natur schonungslos ausgesaugt und vergewaltigt.

Warum sollte das heute anders sein? ...ist die "Zivilisation" plötzlich zivilisiert? ...bei aller Menschenverachtung, die allein in diesem Wort steckt.

Gehört die Djellaba der Berber Marokkos auch zur Zivilisation? ...oder der traditionelle Gürtel der Aborigines?

novella
novella
Mitglied

RE: Wer darf über die Lebensweise indigener Völker bestimmen?
geschrieben von novella
als Antwort auf dutchweepee vom 23.01.2020, 23:47:33

Sehr richtig, Dutch!
Überall, wo sich die Europäer breit machten, gingen sie nach diesem Muster vor. In Nord-, Mittel- und Südeuropa, Afrika, Asien, Australien. Zuerst die Kaufleute, dann das Militär, dann die Missionare, dann ein Handel, bei dem die Kolonien die Rohstoffe liefern mussten usw. . Seit Jahrhunderten ist das so. Es ging immer nur um Unterdrückung fremder Kulturen und wirtschaftliche Ausbeutung.
Und da spielten "ersessene Weiderechte" überhaupt keine Rolle.

Via
Via
Mitglied

RE: Wer darf über die Lebensweise indigener Völker bestimmen?
geschrieben von Via

Nach einem 10 Jahre andauernden Rechtsstreit, der bis vor das Oberste Landesgericht getragen werden musste, endlich eine positive Entscheidung zugunsten der schwedischen Sami.
Die Vergabe von Jagd- und Fischereirechten wurde ihnen zugestanden.

Gerichtsurteil stärkt Rechte der Samen in Schweden

Bleibt die Frage offen, wer über Bergbau und Windkraftanlagen entscheidet. Hierzu habe ich keine weiteren Informationen gefunden, gehe aber davon aus, dass der schwedische Staat sich diesbezüglich auf seine Eigentumsrechte  beruft.

VG - Via


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RE: Wer darf über die Lebensweise indigener Völker bestimmen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Via vom 24.01.2020, 09:48:43

Kann ich so nicht nachvollziehen, denn der Staat hat die Sami als eigentliche Grundeigentümer enteignet. Die Sami waren schon lange vor dem schwedischen Staat da und haben herrenlosen Land in "Besitz" genommen.

Dieses Urteil ist m.M. nach ein Witz, den es billigt den Sami zu was ihnen gehört.

schorsch
schorsch
Mitglied

RE: Wer darf über die Lebensweise indigener Völker bestimmen?
geschrieben von schorsch

Nicht ausser acht gelassen werden darf folgender Fakt:

Nachdem Columbus, Vespucci & Co Amerika entdeckt hatten (und Columbus meinte, es sei Indien!!!), breiteten sich die Informationen über dieses "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" in ganz Europa aus. Und so begab es sich dann, dass auch Abenteurer, Verbrecher, Armengennössige  und Desperados den weiten Weg über den Ozean wagten - oder wagen mussten, weil zwangs- emigriert oder -exportiert.

Das Land schien niemandem zu gehören. Und die "Wilden", die sich wehrten, wurden wie Tiere eliminiert.

Oft waren es nur Männer, die ankamen. Es herrschte Not an Frauen. In der Folge sickerten diese interessanten Neuigkeiten nach ganz Europa durch - und es kamen auch Dirnen, die sich ein besseres Leben erhofften -, weil bekannt wurde, dass den Goldgräbern das Geld locker in den Taschen sass. Die meisten von diesen "lockeren" Frauen heirateten.

Und aus diesem Mischmasch von Desperados, Dirnen und sonstigem "Gesindel" (sorry, so wurden die aus Europa Abgeschobenen genannt) entstand die amerikanische Nation. Ist es da ein Wunder, wenn diese Abenteurer wie Trump anhimmelt - und gar zum Präsidenten wählt?

Ist es da ein Wunder, wenn diese meint, man gehöre nicht zur Natur, sondern die Natur gehöre den Ausbeutern?

RE: Wer darf über die Lebensweise indigener Völker bestimmen?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf schorsch vom 24.01.2020, 10:20:47
Nicht ausser acht gelassen werden darf folgender Fakt:

Nachdem Columbus, Vespucci & Co Amerika entdeckt hatten....
 

...muß man feststellen das den Amerikanern eigentlich das Staatsgebiet nicht gehört - sie haben es den indigenen Völkern geraubt - diese Räuberbrut (..haben sich kein bischen zur Zivilisation hin entwickelt, bis heute)
Via
Via
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RE: Wer darf über die Lebensweise indigener Völker bestimmen?
geschrieben von Via
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 24.01.2020, 10:15:11

Habe doch noch einen Artikel gefunden. Läuft zwar unter dem Thema "Klimawandel", ist aber darüber hinaus sehr aufschlussreich, wie mit dem letzten indigenen Volk Europas umgegangen wird:

Tiere finden kein Futter mehr: Gibt es bald keine Rentiere mehr?

Auszugsweise:

... das Einzugsgebiet der Samen hat nichts mit Landesgrenzen zu tun. Sie wurden von den europäischen Mächten kolonialisiert, die dann ihre Grenzen durch Sápmi gezogen haben. Sie sehen sich als ein Volk und haben ein eigenes Parlament, egal wo sie wohnen. Sie haben schon immer dort gelebt, so wie ihre Eltern, Großeltern et cetera.

Du hast mit Carl-Johann Utsi über seine Rentierhaltung gesprochen?
Ja, er hat mir erzählt, mit welchen Problemen das Volk zu kämpfen hat. Er sagte: "Es gab schon immer Klimaveränderungen am Polarkreis, der Unterschied ist, dass es jetzt so schnell geht. Die Herden können sich nicht so schnell an die neuen Bedingungen anpassen, wie sie es müssten. Das Halten der Rentiere basiert darauf, dass die Tiere ihr eigenes Futter finden und nicht gefüttert werden. Aber Wasserkraftwerke, aggressive Rodungen, Windkraftanlagen, Massentourismus und Erzbergwerke machen den Tieren das Überleben schwer."

Früher zum Beispiel, sind die Tiere im Winter über die zugefrorenen Flüsse gelaufen. Nun aber wird das Wasser gestaut, weil Firmen wie Vattenfall alternative Energien produzieren wollen. Die schwedische Regierung hat den Samen das Besitzrecht an dem Land abgesprochen, sie haben nur ein Nutzungsrecht. Also wurden ganze Landstriche überflutet, ohne dass die Samen eine Kompensation erhalten haben. Die Rentiere können aber zumeist nicht mehr über die Stauseen laufen, weil sie nicht gefrieren, dadurch fallen ihre Migrationsrouten weg. Jetzt müssen die Samen mit ihnen große Umwege gehen, um sie an neue Weidegebiete zu bringen. Oder die Tiere brechen ein.
...
Utsi macht sich Sorgen um die Tradition seines Volkes. Er sagt: "Die Samen werden überleben, wir haben es bis hierher geschafft. Wir haben einen Ethnozid durch Assimilationspolitik überlebt, wir sind noch hier. Aber ich mache mir Sorgen um die traditionellen Lebensgrundlagen. Die Europäer müssen sich eines fragen: Welchen Preis sind sie bereit zu zahlen, um die indigenen Menschen auf der ganzen Welt auszurotten? So schnell wie der Klimawandel voranschreitet, habe ich große Zweifel, dass meine Kinder noch mit den frei herumwandernden Rentierherden arbeiten können. Für mich sind Rentierherden die Verbindung zwischen dem Menschen und der Natur. Geht es dem Rentier nicht gut, geht es der Natur nicht gut. Wir würden eine weitere Verbindung zur Natur verlieren. Die Winter sind nicht mehr dieselben. Mein Vater hatte noch 20 bis 30 identische Winter hintereinander, bei mir ist kein Winter wie der andere."
...
Was würde den Samen helfen?

Sie würden sich wünschen, dass sie in die industriellen Planungen mit einbezogen werden. Sie sind nicht grundsätzlich gegen alternative Energie-Gewinnung. Aber dass sie in ihrem eigenen Land keine Empfehlungen aussprechen können, gibt ihnen das Gefühl, kolonialisiert zu leben. Sie kennen die Migrationsrouten der Rentiere und wissen, dass die Tiere Angst vor Windrädern haben. Carl-Johann Utsi versteht nicht, warum die zum Beispiel nicht dort aufgestellt werden, wo der Strom gebraucht wird, in der Nähe von Stockholm. Stattdessen werden ungefragt ihre Landschaft und ihr Lebensraum zerstört.
 

VG - Via

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