Was beschäftigt Menschen im Ruhestand vorrangig?

geschrieben von Tina03 27. Mai 2022 um 05:41 Uhr

Steht nach einem arbeitsreichen Leben der wohlverdiente Ruhestand bevor, freuen sich viele Menschen darauf, sich endlich den Dingen widmen zu können, die während des Berufslebens in der Regel zu kurz gekommen sind, und somit darauf, sich die weiteren Jahre (mal abgesehen von den „Zipperlein“, die uns mehr oder weniger alle irgendwann einholen werden) so schön wie nur irgend möglich zu machen.

So hatte auch ich mir einmal meinen Ruhestand vorgestellt, und ich bewundere und beglückwünsche alle von ganzem Herzen, die es schaffen, diesen Schnitt konsequent zu machen und einzuhalten. Das heißt, eigentlich beneide ich sie sogar – weil ich es nämlich gar nicht gut schaffe, mich aus dem Weltgeschehen zurückzuziehen. Statt mir zu sagen, dass ich genug geleistet habe in meinem Leben und nun eben die nächsten Generationen dran sind, ist „die nächsten Generationen“ für mich das Synonym für „meine Kinder, Enkel und Urenkel“.

Es hilft auch nicht,
mir vor Augen zu halten, dass ich ohnehin nichts mehr beeinflussen kann;
mir Gedanken zu machen, was jene, die für die Zukunft der jüngeren Generationen verantwortlich sind, tun müssten oder sollten;
zu grübeln, wie wir alle dennoch unseren Beitrag leisten könnten;
mich immer wieder zur Ordnung zu rufen, dass ich doch nur noch der sprichwörtliche Rufer in der Wüste bin – die Sorge um die Zukunft meiner Nachkommen ist so hartnäckig, dass sie sich einfach nicht verdrängen lässt.

Ähnliche Sorgen hatten mich - da niemand in der Familie oder im Freundeskreis sie mit mir teilen mochte bzw. alle sie als weniger bedeutsam betrachteten - 2017 dazu veranlasst, mich im Internet nach einer Plattform umzusehen, auf der sich vielleicht auch andere ältere Menschen über die gegebene wirtschaftliche und politische Situation austauschten.

Ich landete bei ST, weil ST das einzige nicht auf Partnersuche ausgerichtete Senioren-Online-Portal zu sein schien. Darauf kam es mir an, denn ich war nicht an einer neuen Partnerschaft, sondern einfach an Kommunikation, d. h. am Austausch mit anderen Menschen interessiert.

Als Vorteil betrachtete ich es außerdem, dass ich irgendwo etwas über eine sehr hohe Teilnehmerzahl gelesen hatte, denn daraus leitete ich ab: Je mehr Teilnehmer, desto vielfältiger die Interessen und umso einfacher müsste es sein, virtuelle Kommunikationspartner zu finden, die meine Interessen teilen.

Nach der Anmeldung kam ich dann mangels Zeit doch nicht dazu, mich ausreichend mit der Navigation auf dem Portal vertraut zu machen, um mich eventuell in für mich interessante Diskussionen einzubringen. An Zeitnot leide ich zwar immer noch, doch haben die Ereignisse der letzten Zeit (Corona, allgemeine politische Entwicklungen und schließlich Ukraine-Krieg) mich so sehr beunruhigt, dass ich begann, mir die Zeit – wenn auch zu Lasten wichtiger anderer Belange – für eine Beteiligung im Forum einfach zu nehmen.

Nach und nach stellte ich dann allerdings fest, dass unter der Vielzahl der hier aktiven Menschen doch relativ wenige so besorgt über die Entwicklungen in Deutschland, Europa und der Welt insgesamt zu sein scheinen, wie ich. Dieser Eindruck ist aus folgenden Gründen entstanden:

Unter „Neues“ erscheinen vorrangig Freizeitthemen und Vergnügliches.
Eben diese Themen weisen die meisten Aufrufe und Beiträge auf.
Beiträge zu diesen Themen erscheinen in so hoher Anzahl und in derart schneller Reihenfolge, dass am Vortag geschriebene neue Beiträge zu Nicht-Freizeitthemen bereits bis auf die 3. oder 4. „Neues“-Seite nach hinten gerückt sind.

Das gilt, da auch ich eher in Nicht-Freizeitthemen einsteige, naturgemäß auch für Beiträge (oder neu eröffnete threads) von mir, wobei sich mir dann die Frage stellt, warum es liegt, dass sie kaum Resonanz finden.

Liegt es einfach daran, dass sie ebenfalls bereits auf die hinteren „Neues“-Seiten gerückt sind und sich nur Wenige die Mühe machen, so weit zurück zu blättern?
Oder liegt es daran, dass ich die (für ST) falschen Themen anstoße, die nur Wenige hier interessieren?

Ab und zu schaue ich mir politische TV-Talkshows an, um einen Eindruck zu gewinnen, wie Politiker und politisch bewanderte Experten die gegebene Situation und den möglichen Umgang damit einschätzen und um meine eigenen Ansichten daraufhin zu überprüfen. Dies erweist sich dann als wenig hilfreich, wenn ich eine Talkshow hineingerate, in der lauter gescheite Leute sitzen, die die Situation als noch kritischer betrachten, als ich es tue, die den Finger in alle offenen Wunden legen, die von denen, die sich darum kümmern müssten, sie zu schließen, nicht nur seit Jahren ignoriert worden sind, sondern sie – und das ist das Fatalste – weiterhin nicht ernst genug nehmen.

Genau das war heute abend in der Sendung von Markus Lanz der Fall (der sich ausnahmsweise einmal weitgehend mit seiner Meinung zurückgehalten und sich auf die Moderation beschränkt hat).

Einer der Gäste war der renommierte Klimaforscher, Meteorologe und Präsident der "Deutschen Gesellschaft Club of Rome" Prof. Mojib Latif – der seit Jahrzehnten davor gewarnt hat, was auf uns zukommt – noch einmal darauf hingewiesen, dass es, was das Klima und alles, was damit verbunden ist, angeht, nicht mehr fünf vor, sondern längst fünf nach zwölf ist.

Er hat nicht nur ungeschminkt dargestellt, was nun in jedem Fall (klimatisch und ökonomisch) auf uns zukommen wird, also gar nicht mehr abzuwenden bzw. zu verhindern ist, sondern auch konkret erläutert, was die bisher geplanten bzw. halbherzig eingeleiteten Maßnahmen taugen (nämlich nichts) aber auch, was nun noch getan werden müsste, um zumindest dennoch das Schlimmste abzuwenden, und wie auch unpopuläre Klimaschutzmaßnahmen durchaus durchgeführt werden könnten bzw. wie sie sich rasch umsetzen lassen würden.

Hochinteressant und sehr erhellend waren auch die Diskussionsbeiträge von zwei anderen Gästen – ein gutes Dreier-Team. (Eher peinlich war der Auftritt des FDP-Generalsekretärs Bijan Djir-Sarai zu Regierungsmaßnahmen).

Ich kann nur allen, die das Thema Klima und alles, was damit verbunden ist, interessiert, empfehlen, sich die Markus Lanz-Talkshow vom 26. Mai aus der Mediathek anzusehen.
(Starke Nerven angesichts der plakativen Darstellungen von Prof. Latif vorausgesetzt. Ich hatte auch geglaubt, den Ernst der Lage längst voll und ganz erkannt zu haben … )

Nur zur Erklärung, warum ich mir die Mühe gemacht habe, einen derart langen Beitrag zu schreiben: Mir wäre eine Antwort auf meine oben gestellte Frage – „Oder liegt es daran, dass ich die (für ST) falschen Themen anstoße, die nur Wenige hier interessieren?“ – sehr wichtig.

Denn sollte sie „Ja“ lauten, müsste ich meine Hoffnung, beim ST an ähnlichen Themen interessierte Austauschpartner zu finden, wohl bis auf Weiteres aufgeben. Zwar interessieren mich grundsätzlich sehr viele Themen (einschließlich vieler Freizeit-, Plauder- und Spaßthemen), nur habe ich derzeit einfach keinen Kopf dafür.

Abschließend bitte ich hiermit alle, die sich durch lange Texte angeödet oder genervt fühlen, aufrichtig um Nachsicht, dass ich (wieder einmal) einen solchen verfasst habe. Entweder seid Ihr mich demnächst ohnehin los oder denkt im Wiederholungsfall einfach dran: Man kann im Forum alles, muss aber nichts lesen 😄.

Geändert von Tina03 27. Mai 2022 um 05:48 Uhr