Zwischen Gestern und Morgen


Zwischen Gestern und Morgen

Wo können sich ›Gestern‹ und ›Morgen‹ begegnen? Sicher nur im Heute! Dieses Heute aber verbietet jede Vereinigung und damit auch jede Liebe zwischen den beiden Polen ausnahmslos und von Vornherein! Weil sie unreal ist, ohne ein ›Vormals‹ und ein ›Nachher‹. Es ist nicht anders möglich. Wo das ›Gestern‹ eine Heimat war, ist das ›Morgen‹ noch längst keine Heimstatt für die Gegenwart! 
         Liebe kann wirklich nur im Heute leben. Wo sie in der Vergangenheit lebt, ist sie tot und nur vom ›Damals‹ und der Trauer durchzogen.
Sie wird dann nur von bildhaften Träumen begleitet, die unerfüllt bleiben müssen. Eben weil sie nicht mehr ist, sondern war! Liebe der Vergangenheit kann immer nur der nostalgische Rückblick auf wunderbare Zeitabläufe sein!

         Dabei geschieht es aber auch sehr oft, dass manche Geschehnisse unterdrückt oder ausgeklammert werden, weil diese Zeit längst nicht immer so schön war, wie sie im Gedächtnis gespeichert wurde! Liebe der Vergangenheit ist immer nur Erinnerung. Sie ist es ganz gewiss wert, behalten und auch gepflegt zu werden. Aber sie darf niemals in die Gegenwart hineinreichen! Dann nämlich ist dieses ›Jetzt‹ zum Scheitern verurteilt! Aber wo Liebe nur in der Zukunft lebt, ist sie nur ein Abklatsch von Sehnsucht und Verlangen, ist sie lediglich eine Szene unstillbarer Leidenschaft, die das Herz der Betroffenen beschwert, dabei Wünsche und auch Reaktionen anderer Art meist völlig einengt.
        
         Wie viele Freundschaften wurden schon zerstört, weil einer der Beteiligten plötzlich die Liebe entdeckte und somit die frühere Gemeinsamkeit vernachlässigte, ohne dass dann die Liebe wirklich einen Platz im Leben einnahm. Liebe in der Zukunft ist irreal. Sie wird vielfach von Wünschen begleitet, von Vorstellungen, die dann mehr oder weniger in Enttäuschungen ihr Ende finden. So manches Mal kann es dann geschehen, dass der enttäuschte Partner sich für lange Zeit selbst von all diesen Möglichkeiten des menschlichen Miteinanders ausschließt, frei nach dem Motto: Für mich gibt es keinen Partner, der zu mir passt!
        Was also bleibt dann von allem zurück? Hoffnungslose Tage, Nächte voll absonderlichster Wünsche, wehmütige Träume, die sich des Öfteren auch in Depressionen verwandeln. Liebe ist. Liebe ist Heute. Liebe ist das, von dem Erich Fried sagt: »... ist, was es ist!«
Vergangenheit und Zukunft gehen zurück in ihr eigenes Dasein, jeder für sich allein. Zurück bleiben Träume vom gegenseitigen Verständnis der Generationen. Ihre Träume? Unsere Träume?
      
             Gestern war!
 Natürlich! Mit all unseren Träumen, Leiden und Freuden war es gut. Morgen wird sein!  Mit den gleichen Voraussetzungen, den gleichen Wünschen.
Aber: Heute ist!  Das muss -  nein das ist der Trost für alle Menschen, die stets nur noch warten. Warten! Irgendwann aber ist es zu spät. Übrig bleibt dann nur noch das ›war‹ . Und das - das kann nicht das Ziel sein …

 
©2020 by H.C.G.Lux

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Kommentare (5)

Aurora borealis


Pan

Es sind hier tiefgehende Bemerkungen mit (vor allem emotionalen) Substanz, Licht und einigen (vermuteten) Schatten, die deinen Text dominieren.
Bemerkenswert. Man liest sowas gerne- vor allem Im Herbst des Lebens.

Die Überschrift erinnert mich an ein interessantes Buch, das dir gefallen könnte (falls noch nicht schon gelesen), von dem jungen, schweizerischen Philosophen* Yves Bossart geschrieben:

OHNE HEUTE GÄBE ES MORGEN KEIN GESTERN (Karl Blessing Verlag)

Es sind philosophische Gedankennspiele darin, die einen nachdenklich stimmen.

Ein sehr interessantes Buch zum Thema oben, wie ich finde.

* Yves Bossart moderiert auch oft auf 3 Sat die "Sternstunde Philosophie ", im Wechsel mit einer Dame,

Gruß
 

Manfred36

Wir leben in der Kontinuität, lieber Horst. Die Gegenwart ist weniger als eine Nanosekunde. Natürlich leben wir von dem, was war, und selbstverständlich können wir ohne Blick in die Zukunft unser Selbstbewusstsein nicht erleben, denn dieses ist immer Projektion. Nur der Blick nach vorn und das selektierte Gewesene hat den Menschen gemacht, auch wenn er nur den Moment wirklich greifen kann.
Tutto andrà bene
Manfred

Syrdal


Übrig bleibt dann nur noch das ›war‹. Und das - das kann nicht das Ziel sein …“

...und doch, lieber Pan, gibt es schlussendlich den unabwendbaren Moment, an dem es nur noch dieses wunderbare „war“ gibt, auch wenn das freilich nicht das erdgebundene Ziel ist. Das einzig verbleibende Ziel liegt ab dem „Point of no Return“ in einer spirituellen Zukunft eine Vorstellung, die mir in meiner noch atmenden Gegenwart als unverlierbare Innigkeit ungemein viel Halt, Kraft und Zuversicht gibt. Würde ich das alles verlieren, wäre ich verloren!

...ahnt
Syrdal

 

Pan

Wo, lieber Syrdal, liegt dieser bewusste »Point of no return«? Ich sehe ihn nicht, es sei denn, Du benennst das absolute Ende des Lebens damit. 
Dann aber, das gebe ich zu bedenken, benötigt niemand mehr ein Gestern und auch keine Zukunft. Ich persönlich richte mich nach dem Wort von Albert Schweitzer:
»Die Weisheit von morgen
lautet anders als die von Gestern«

Vielleicht denke ich ja morgen völlig anders - kann doch sein ...?

meint nachdenklich
Horst

Syrdal

@Pan
 
Nun, lieber Pan, der von mir bezeichnete „Point of no return“ ist für mich der bewusst erlebte Entscheidungspunkt, bei dem mir durch innere Überzeugung klar wurde, die letzte Wegstrecke alleine zu wandern, weil… ach, da gibt es mehrere sehr persönliche Gründe. Wichtig ist (mir) dabei, wie ich es schon angedeutet hatte, die klare und überzeugte spirituelle Zukunftsbewusstheit – mir ein ungeahnt wichtiger Kraftquell, der mich durch manche schwere Stunde wie ein warmes Licht geleitet hat und noch immer leitet.
Näher erklären kann ich es nicht, aber jeden Tag erneut in Dankbarkeit annehmen …

Dir liebe Grüße
Syrdal
 


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