Wer haette das gedacht




Durch die Nachkriegswirren zogen einige fremde Familien in unser Dorf. Irgendwann erzaehlte man sich, in einer Familie sei die Frau ploetzlich ausgezogen. Die juengste Tochter habe sie mitgenommen und die zwei Aelteren, ein Maedchen und einen Jungen, habe sie beim Vater gelassen.

Das ging mir hier rein und dort wieder raus.

Ich war gerade im Teenager-Alter.
Damals ein neues Wort, das sogar schon in unserem Dorf seinen Einzug gehalten hatte. Doch ich interessierte mich fuer andere Sachen, als fuer den Dorfklatsch.

Spaeter arbeitete ich in der Anmeldung im Krankenhaus und las, dass Marion, so hiess das Maedchen, auf der Kinderstation aufgenommen worden war.

Ach, die Marion und ich habe sie besucht. Die Krankenschwester sagte mir, sie sei schon fast ein Dauergast. Sie kommt und geht. Sie hat starke Diabetes und wird es kaum ueberstehen.

Viel Besuch bekam sie nie und sie hatte sich immer sehr gefreut, wenn ich bei jedem Krankenhausaufenthalt mal kurz reinschaute.

Ich zog weg und sie war aus den Augen aus dem Sinn. Bis ich sie viele Jahre spaeter durch Zufall wiedersah.

Ich kam in ein Café und da sass sie mit einer aelteren Dame am Tisch. Sie hatte mich sofort wiedererkannt und lud mich ein, mich zu ihnen zu setzen. Sie stellte mir die aeltere Dame als Maria ihre Stiefmutter vor.

Kann man sich diese Ueberraschung vorstellen. Ein damals schon fast totgesagtes Maedchen sitzt putzmunter als junge Frau im Café. Ja, was hatten wir alles zu erzaehlen. Sie war verheiratet und hatte zwei Kinder. Und was ganz wichtig war, Dank der Medizin hatte sie ihre Diabetes gut im Griff.

Dann musste sie ihre Kinder im Kindergarten abholen. Aber ihre Stiefmutter blieb noch und sie erzaehlte mir die traurige Geschichte von dem Vater mit seinen zwei Kindern.

Sie, die Stiefmutter, hatte in jungen Jahren geheiratet. Aber nach 6 Monaten liess sie sich wieder scheiden. Danach hatte sie nie wieder den Wunsch zu heiraten. Eines Tages erzaehlte ihre Freundin von dem Schicksal der “Dreien”. Irgendwie war sie so davon geruehrt, dass sie sich mit dem Mann in Verbindung setzte.

Er erzaehlte ihr, dass er eines Tages von der Arbeit nach Hause kam und eine fast voellig ausgeraeumte Wohnung vorfand, wo in der Kueche seine zwei Aeltesten total veraengstigt und verstoert auf den Stuehlen sassen.

Ich ueberlasse es Eurer Fantasie, wie das Leben der Dreien weiterging. Da begannen auch die Krankenhausaufenthalte der Tochter.

Das Ende der Geschichte, sie hatte ihn aus Mitleid geheiratet und es nie bereut. Der Junge war und blieb zwar ein schwieriger Fall. Aber die Diabetes von Marion bekamen sie in den Griff. Und Dank der Stiefmutter konnte sie jubeln:

Hurra ich lebe und habe einen lieben Mann und zwei suesse Kinder.

koala




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Kommentare (16)

floravonbistram wie so oft liegen auch in dieser Geschichte Licht und Schatten so dicht beieinander, wie auf Deinem trefflich gewählten Bild.

Liebe Grüße
Flo
koala Ihn zu sehen und zu respektieren, den Sinn des Lebens, ist bestimmt eine harte Arbeit. Es gelingt nicht immer, aber solche positiven Begebenheiten machen Freude.
LG Anita
koala Du hast Recht, das Leben geht wundersame Wege, die nicht immer gut enden.
Aber wo bliebe da "die Qual des Lebens", wenn man im Voraus schon wuesste, es endet ja doch gut!
LG Anita
koala Vielen Dank fuer Deinen Kommentar.
Da liest man eine Geschichte und schon kommen die eigenen Erinnerungen.
So musstest Du an Deine Oma denken. Ich hoffe, es wurden schoene Erinnerungen in Dir geweckt.
LG Anita
koala Du hast das richtig formuliert, nicht blinde Zufaelle, sondern es faellt uns zu.
Wenn sich etwas zum Guten gewandt hat, so wie hier, und man erinnert sich wieder an die Begebenheit, gibt es einem immer wieder ein gutes Gefuehl.
LG Anita
ehemaliges Mitglied wie Stefanie glaube auch ich, daß alles was geschieht, Sinn macht.
Das kleine Mädchen, hat sich in Dankbarkeit an dich erinnert,
solche Begegnungen vertiefen unseren Glauben an den Sinn des Lebens denke ich.

Liebe Grüße
Alwite
outofspain geht doch oft wundersame Wege. Es hat alles doch noch ein gutes Ende genommen.Leider nicht immer.

Gruß Mo
hijona Das Leben schreibt immer noch die schönsten Geschichten.
Schön dass es heute so gute Diabetes Medikamente gibt.
Meine Oma ist 1963 an Diabetes gestorben.
Da hat sich sehr viel getan.
Gott sei dank.
Dank an dich für die rührende Storie.
stefanie Ich glaube ja nicht an blinde Zufälle-sondern daß uns etwas z u f ä l l t.
So sehe ich auch Dein Wiedersehen mit der Frau und ihrer erwchsenen Tochter,die
Du vor Jahren besucht hast. Es ist immer schön wenn wir miterleben dürfen,wie sich etwas zum guten gewendet hat. Liebe Grüße von stefanie
koala Man kann das Leben rueckwaerts verstehen. Aber leben muss man es vorwaerts.
Wie Du schon schreibst, liegen Tragik und Wunder oft nahe zusammen.
Gut ist es, wenn man das Gute auch erkennt und sich darueber freuen kann.
LG Anita
koala Vielen Dank fuer Deine Worte.
Wir leben alle unter demselben Himmel. Nur die Erde ist bei dem einen steiniger wie bei dem anderen.
LG Anita
koala Ich habe hier vor dem PC gesessen und ueberlegt und ueberlegt, wie wir uns vor dem Teenager genannt haben. Meinst Du vielleicht ich waere auf das Wort "Backfisch" gekommen!?!
Und was das Foto angeht, ein Kompliment fuer Dein Auge und Dein Gefuehl.
Es war garnicht so einfach ein passendes Bild zu finden. Guntram brachte mich auf die Idee, bei unseren Wolkenfotos nachzusehen.
Ein lieber Gruss an Dich und den Vater Rhein
Anita/Australien
nixe44 mal sind sie tragisch, mal wunderbar.
Manchmal, und auch nicht zu selten, liegen Tragik und Wunder ganz eng zusammen.
Aus Deiner Erzählung, liebe Anita, ziehe ich diese Schlussfolgerung.
Monika
finchen ...aber,das Gute darin, soll auch belohnt werden.
Finchen
ladybird Dein Foto zu bewundern, es passt so gut dazu und für mich zeigt dieser Himmel: jederzeit kann sich eine Wolke vor die Sonne schieben und verdunkeln....doch wolken ziehen auch weiter und die Sonne ist wieder zu sehen,stimmts?nochmals Renate
ladybird Dann warst Du vor dem Teenager auch ein "Backfisch",wie ich lach...
habe Deine Geschichte mit Kopfschütteln gelesen, wie doch manche Umstände sein sollen,oder "Zufälle",Begegnungen die es wert sind, niedergeschrieben zu werden, weil sie berühren und bewegen und wie nah auch da wieder Kummer,Leid auch die Freude
zusammen stehen? Wenn das junge Mädchen ihre Diabetis durch die familiären Geschehnisse in den Griff bekommen hat, so war in allem Bösen auch etwas Gutes? War interessant zu lesen,über ein Stückchen eines Lebens,herzlichst Renate

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