Weihnachten im Wald
Ich komme aus Friesland. Die höchsten Erhebungen sind dort die Deiche.
Als es mich in den sechziger Jahren in den hügeligen, mit seinen ausgedehnten Buchenwäldern bedeckten Vorharz zog, gab es gleich das erste Weihnachten so viel Schnee, wie ich es vorher noch nie erlebte.
Meine Eltern wollten dieses erste Weihnachtsfest in der „Fremde“ mit uns verbringen, und so hatte ich im Dorfgasthof des Nachbarortes ein Mittagessen bestellt.
Ich wollte meinen Eltern ganz was Besonders bieten, nämlich einen ca 8 km langen Waldweg, quer durch einen auch im Winter herrlichen Buchenwald, der tief verschneit war.
Gleich nach dem späten Frühstück des ersten Feiertages ging es los. Es war ganz schön anstrengend durch den Pulverschnee zu laufen, denn vor uns war noch niemand auf diese verrückte Idee gekommen.
Ich weiß nicht mehr, wie lange wir brauchten, aber schließlich kamen wir hungrig und auch ein wenig schlapp im Gasthaus an, in dem wir dann auch sehr gut bewirtet wurden.
Bei all meiner Euphorie über einen bisher so noch nie erlebten Weihnachtstag hatte ich allerdings vergessen, dass wir ja auch wieder nach Hause kommen müssten und vor allem, dass es früh dunkel sein würde.
Aber wir stapften tapfer mit vollem Bauch in den immer noch herrlichen Winterwald und gingen zunächst noch einigermaßen munter unseren eigen Spuren nach.
Doch plötzlich verdunkelte sich der Himmel und es fing heftig an zu schneien.
Binnen kürzester Zeit war von unseren Spuren nichts mehr zu sehen und wir mussten uns, nur auf unser Gefühl verlassend, halbblind vorwärts kämpfen.
Es wurde auch immer dunkler und nun überkam mich doch ein ziemlich ungutes Gefühl. Waren wir überhaupt noch auf dem richtigen Weg? So richtig gut kannte ich mich noch nicht aus, denn ich wohnte ja erst ein paar Woche in dieser Gegend.
Plötzlich hörte ich jedoch ein vielstimmiges Zwitschern , erst etwas gedämpft, aber dann immer lauter. Obwohl der Schnee neben dem Weg natürlich noch viel höher lag, bahnte zunächst nur ich mir einen Weg durch den tiefen Schnee und ging dem Gezwitscher entgegen.
Plötzlich wurde es ganz laut und ich stand vor einer sehr tiefen Mulde, die fast schneefrei, aber dick gepolstert mit Buchenlaub war. In diesem Laub wuselte ein riesiger Schwarm Bergfinken hin und her und unterhielt sich offensichtlich gut gelaunt. Mir erschien das wie ein Wunder.
Etwas zögerlich kamen nun auch die anderen hinterher.
Der vielstimmige Gesang mitten im tief verschneiten Winterwald hat uns vier so verzaubert, dass wir einfach vergaßen, wie wir wieder nach Hause kommen sollten. Wir standen am Rande der Mulde und hörten, sahen und staunten.
Erst, als uns die Füße kalt wurden, rissen wir uns los und siehe da, wir fanden den richtigen Weg, obwohl es nun fast dunkel war und kamen glücklich und zufrieden wieder zu Hause an.
Pippa
Kommentare (15)
Eine schöne Geschichte. Ich lese heraus, dass du immer ein positives Lebensgefühl hast. Und das wird dich auch in Tiefschlägen weiter tragen
@Nick42
Das stimmt, Nick. Ich bin tatsächlich schon durch die aller tiefsten Täler gewandert.
Doch ich bin wohl ein typisches Stauffrauchen.
Danke für’s Lesen
und harzliche Grüße von Pippa
Liebe Ingrid,
dass Du diese kleine Geschichte gelesen hast, freut mich riesig.
Schon allein dafür, dass ich mal wieder was von Dir hörte, hat es sich gelohnt, diese Begebenheit zu schildern, an die ich mich plötzlich erinnerte, als ich all die Winterbilder sah.
Ich hatte aufgehört mit dem Schreiben, weil ich dachte, meine banalen Erlebnisse interessieren ja doch keinen.
Dass ich nun so nette Rückmeldungen bekomme, ist einfach schön und tut gut.
Auch Dir wünsche ich ein fröhliches Weihnachtsfest und ein glückliches 2018.
Heidi
Liebe Pippa,
selten hast du dich in den letzten Jahren hier geäussert und hast uns mit einer bezaubernden Begebenheit bereichert. Ja, es muss wunderschön gewesen sein. Vogelgezwitscher von Bergfinken, mitten im Winter und dann noch auf einem Weihnachtstag - himmlisch herrlich.
Nun, ganz liebe Grüße aus Ostfriesland und wir hatten hier schon für diese Verhältnisse reichlich Schnee. Im letzten Jahr etwas weniger, aber vor zwei Jahren in Mengen. So macht sich auch hier die Veränderung des Klimas sichtbar.
Liebe adventliche Grüße zu dir, frohe Feiertage und ein gutes, gesundes Neue Jahr wünsche ich dir.
Ingrid (indeed)
So ist es,
vor allem wenn Schnee und Wald etwas völlig Neues ist.
Un dann auch noch die kleinen, aber für einen Friesen anstrengenden Hügel....
Danke fürs Lesen.
Pippa
Liebe Heidi,
Ja, so kann es einem schon mal ergehen, wenn man forschen Schrittes, ortsunkundig aber mit viel Elan ein gemütliches Ziel vor Augen hat...im Winter ist das allerdings oft mit Schwierigkeiten versehen, wie du es ja selbst erleben musstest...auch ich kenne einige Winter, alle immer mit sehr viel Schnee verbunden und so zogen wir mit Ski und guter Laune und ausreichend Glühwein durch die schöne Winterlandschaft.
Endlich angekommen und meist auch hungrig und durstig...vergisst man oft, dass ja der Heimweg genauso lang ist... oft aber irgendwie länger...das kenne ich auch alles aber man kommt immer an und ist meistens sehr dankbar für die warme Stube, die auf alle wartet...
Kristine
Liebe Birdy, Roxi, Christine, Britt und Muscari,
ziemlich überrascht las ich gerade eben Eure lieben Kommentare.
Es ist so schön, auch einmal ein positives Feedback zu bekommen
und es tut sehr gut.
Ich danke Euch für’s Lesen.
Liebe vorweihnachtliche Grüße
Pippa
Liebe Pippa,
Es ist schon ziemlich riskant, bei Dunkelheit, Kälte und
tiefem Schnee den richtigen Weg zu finden. Ähnliches haben
wir vor vielen Jahren in der Nähe von Oberstdorf erlebt.
Doch Eure Überraschung, die Bergfinken in ihrer warmen
Mulde zu finden, ist unübertroffen.
Danke für diese schöne Weihnachtsgeschichte.
Andrea muscari
Liebe Pippa,
eine spannende und reale Geschichte hast du so gut beschrieben, dass man alles mitempfinden kann. Deine Eltern waren am Schluss sicher stolz und froh, dass dieser besondere Ausflug mit ihrer Tochter so gut, so mutig, so erlebnisreich ausgegangen ist.
Deine Beschreibung hat mir sehr gut gefallen, Danke dafür
und liebe Grüße
Britt
Liebe Pippa,
diese wahre Weihnachtsgeschichte ist einfach wunderbar. Schön und zugleich spannend erzählt. Ich konnte gut nachempfinden, wie es euch in dem immer dunkler werdenden Wald ergangen ist. Habe ich selber auch mal erlebt. Es ist alles gut gegangen und ihr wurdet mit einem wunderbaren Erlebnis beschenkt. Deine Geschichte habe ich sehr gerne gelesen.
Herzliche Grüße
Roxanna
Liebe pippa,
Eure Anstrengung wurde aber wahrhaftig belohnt mit einer sicherlich einmaligen "Darbietung",
und der Genuss umhüllte Euch wie ein Zauber, gerade an einem Weihnachtstag.
Das ist ein bleibendes Erlebnis, eine Freude es zu lesen
mit Dank und Gruß von Renate-ladybird
Liebe Pippa,
das freut mich für dich, dass du dich nicht unterkriegen läßt.
Herzlich Nick