Verwunschene Gedanken VIII.
Sieger und Besiegte
Der Lauf ist beendet, das Zielband erreicht. Alle feiern jubelnd den Sieger, der nun endlich feststeht und bekannt gegeben werden kann.
Es war ein spannender Lauf und so manches unerwartete Ereignis brachte auf diesem langen, anstrengenden Lauf Umwälzungen, die so nicht voraussehbar waren.
Bei der Verpflegungsstation beispielsweise auf halber Strecke gab es so manche Rangeleien, die Ordnungskräfte hatten alle Hände voll zu tun. Natürlich wurde das Durchschnittstempo im Verlauf des Rennens dann doch etwas geringer, der Kräfteverschleiß war schon enorm. Manch einer der Läufer gab unterwegs auf, weil er seine Kräfte überschätzt hatte.
Bei der Hälfte der Strecke setzte sich eine Handvoll Läufer vom Feld ab, legte einen Zwischenspurt ein, bis sich endgültig der spätere Sieger auch von diesen Ausreißern trennte und ganz allein dem Ziel entgegen wankte.
Das Ziel? Dieses Ziel, war es das wert? Das Ziel wurde erreicht, ist das nicht auch ein Sieg? Erster? Letzter? Was zählt da die Reihenfolge. »Dabei sein ist alles!«, hiess einmal ein Schlagwort, neben »Citius, Fortius, Altius« als olympische Gedanken.
Ja ich weiss, das ist lange her, dieses Wort wird heute nur noch in den Mund genommen, wenn jemand aus einem fernen exotischen Land als 386. ins Ziel kommt. Dann nehmen Moderatoren von Funk und Fernsehen gern diesen Satz in den Mund. Mitleidig wird erwähnt, dass Jerome Ataxères ebenfalls angekommen ist.
Gezählt wird aber nur der erste Platz, wer Zweiter wird, hat schon verloren! Der Lauf ist beendet, der Sieger geht erschöpft, aber glücklich nach Hause. Und die Verlierer? Was ist mit den Verlierern, haben sie nicht auch gelitten unterwegs auf der Strecke?
Als sie Seitenstechen bekamen, als die Beine plötzlich nicht mehr gehorchen wollten, als der Kreislauf schlappmachte, als das Herz anfing zu rasen? Als sie sich auch selbst überwinden mussten, um weiter zu laufen und nicht wie viele andere einfach aufgaben? Was ist nun mit jenen?
Gewiss, sie werden es noch einmal versuchen können, irgendwann. Wieder wird dann dieser unerträgliche Druck auf ihnen lasten, weil ja nur der Sieg allein zählt, ist im Grund alles andere gleichgültig. Es ist auch unwahrscheinlich, dass es das nächste Mal für den ersten Platz reichen wird!
»The winner takes it all!« hieß einmal ein Schlager, den die Gruppe ABBA sang. Der Gewinner bekommt alles. Beifall, Preisgeld, Lob, Anerkennung. Für die Masse der Verlierer bleibt nichts mehr übrig. Vielleicht ein mitleidiges Lächeln, eine Geste des Bedauerns - nun, es hat eben nicht gereicht.
Etwas Gutes kann man aber den Verlierern doch mit auf ihren zukünftigen Weg geben: Der Gewinner, mag er heute noch so hoch gehandelt werden und in aller Munde sein, mag er auf allen Titelblättern der Gazetten zu sehen sein - er ist spätestens übermorgen schon vergessen!
Dann nämlich gibt es einen neuen Gewinner. Und alles geht wieder von vorn los.
»Morituri te salutant!« So grüßten einst (nach Sueton) im alten Rom die Kämpfer den Kaiser. Die Todgeweihten grüßen dich.
Gut, dass es wenigstens das nicht mehr gibt …
©by H.C.G.Lux
Kommentare (4)
Pan
Entschuldigung - was haben die römischen Gladiatoren mit den Sportlern von heute zu tun??
Die Sequenz des Sueton war nur im Kontext des Textes gedacht, insofern ist Deine Erläuterung fehl am Platze! Tut mir leid ...👹
Manfred36 †
@Pan
Du meinst den
Kampf der Wagen und Gesänge,
Der auf Korinthus‘ Landesenge
Der Griechen Stämme froh vereint ....
Selbst bei der griechischen Olympiade ging es manchmal auch blutig und oligarchisch zu. Trotzdem sind Spiele mit dem Vereinigungsgedanken etwas total Wünschenswertes.
indeed
@Manfred36
Lieber Manfred, du bist leider am Thema vorbei. Diese sogenannten von dir erwähnten "Spiele" haben mit der griechischen Olympiade und ihren Geist absolut nichts gemein. Gott sei Dank.
Hab noch einen schönen Abend und sei gegrüßt von
indeed
Die Gladiatoren in den römischen Stadien waren Sklaven und kämpften um ihr Leben. Ihre Leichen wurden weggeräumt. Die Extemsportler kämpfen gegen einen aufgebauten Popanz. Natürlich ging und geht es dabei auch um den Ruhm der Erfolgreichsten, wenn dieser Popanz (Kaiser oder Idealvorstellung) noch öffentlich minutiös aufgeblasen wird.