Verwunschene Gedanken IX.


Verwunschene Gedanken IX.


 
Schwanengesang
 
Tief aus den Sümpfen schwebt der Schwan herein zu seinem Schlafplatz. Sanft gelandet beginnt er zu singen, seine Stimme klingt rein und klar, die Partnerin auf dem Nest begrüßt ihn ebenfalls mit einem Gesang. Der Gesang der beiden Schwäne erweitert das Herz, bringt die Seele zum Schwingen.
       Die Sonnenschleife zieht ihre tiefe Bahn am Himmel, wie ein gewaltiger Kupferkessel erfüllt das Firmament mit seinem Bronzeton den Horizont. Die farbige Dunkelheit voller Schatten erfüllt die Weite der Landschaft. Hohe Berge des ewigen Frostes lehnen sich gegen die Eisplatten des Ozeans.
       Die Schwäne singen, ihre Metallstimmen klingt wie Harfentöne, streicheln hier den Ton und lassen dort ein Tremolo leise in die Mitternacht hinausklingen. Der Himmel lässt die erhabene Dunkelheit verblassen, färbt sich langsam, ein grünes Leuchten zieht von Stern zu Stern, die Nordlichter glasieren die Berggipfel,
irisierende Bögen vereinen sich in der blauen Nacht zu einer feuriggrünen Aurora.
       Und die Schwäne singen weiter ihr gemeinsames Liebeslied. Das Glühen des Himmels schickt seine Strahlen weit in die blaue Dunkelheit, pulsiert, senkt sich und steigt wieder auf, explodiert in völliger Stille zu einer Eruption des Lichtes.
       Mit einem Finale wie das Geläut der Angelus-Glocke erheben sich die beiden Schwäne, spreizen ihre Flügel, schütteln sie. Schließlich öffnen sie die schneeweißen Schwingen weit, heben sich dann mit einem hellen Ton rufend hinaus in die Weite der borealen Landschaft. Sie gleiten mit sanften Flügelschlägen hinein die unendliche Finsternis des künftigen Jahres.
       Irgendwann später kehren sie zurück, gründen neue Generationen. Die singen dann eigene Liebeslieder und im Schein des erhabenen Nordlichts erzählen sie von den wechselnden Wundern der Natur.
    Aber tief in den Sümpfen der sibirischen Taiga hört niemand das letzte Danklied des Schwanenpaares, allein nur der Schöpfer spricht dazu sein Amen.


©by H.C.G.Lux


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