„Wird man durch ehrliche Arbeit reich?“
„Wird man durch ehrliche Arbeit reich?“
Es grenzte im Radeberg des Jahres 1884 an ein Wunder, dass es trotz vieler gesellschaftskritischer Theaterstücke und Aufführungen von Konzertgesellschaften im Sinne heutigen Kabaretts, nicht zur Zensur und Verbot kam. Dabei war die Situation durchaus brisant, hier die aufstrebenden Fabrikanten und das gut betuchte Bürgertum und dort die bis 16 Stunden arbeitenden Menschen im Allgemeinen und die infolge des Sozialistengesetzes unter Generalverdacht stehende Sozialdemokratie.
Den Auslöser markierte die Theatergesellschaft von Friedrich Uhle, der im Saal des Ratskellers in vierzig Tagen sechsundzwanzig Theaterstücke spielte. Komödien und Possen wurden von historischen Stücken abgelöst, bekannte Volksstoffe wie „Der Rattenfänger von Hameln“ oder Märchenspiele für Kinder wie „Schneewittchen“ ergänzten die durchaus brisanten Stoffe. Gleich zu Beginn kam das Stück „Ehrliche Arbeit oder Schulze von der Aristokratie“ zur Aufführung. Stehende Ovationen während des Stücks als jene Passage gesprochen wurde, die noch monatelang in Radeberg und Umgebung im Gespräch war..
„Die Sache liegt also darin, dass ein großer Gauner, der sich nicht erwischen lässt, Kommerzienrat werden kann, während diese beiden kleinen Gauner, wenn man sie erwischt, für lange Zeit eingesperrt werden!“ Und die Anspielungen in dem Stück wurden sogar aktuell personifiziert. Die Herren Hirsch, Rönsch, Dr. Michaelsen oder Alberti, alles Fabrikantennamen der Stadt, wurden „an der Grenze des guten Geschmacks“, wie die „Radeberger Zeitung“ schrieb, in den komischsten Szenen und Anspielungen benannt. Das mehrheitlich aus Arbeitern und Angestellten bestehende Publikum, freute es, denn endlich bekamen „sie ihr Fett weg“, ohne dass sich ein Einheimischer unbeliebt machen musste. Auch damals schon Kritik an der Legende des amerikanischen Erfolgsgeheimnisses „vom Tellerwäscher zum Millionär“. Ehrliche Arbeit ist das Schrubben der Waschküche oder Geschirr abwaschen, „da kannste Dir in Radeberg nicht mal ein Mittagessen von leisten“. Solch eine Tätigkeit wurde in jenen Jahren mit höchstens 20 Pfennig vergütet, ein gutes Mittagessen kostete aber mindestens 40 Pfennig. Es war also klar, die erlebte Gewissheit, dass man durch ehrliche Arbeit nicht reich wird, war in dem Stück allgegenwärtig und musste neunmal wiederholt werden. Doch auch Firlefanz, Kokolores, Mätzchen oder Possen bestimmten das Geschehen.
Legendär damals der Auftritt der Konzertgesellschaft „Lyra“ Im Saal des Gasthofes „Stadt Dresden“. Auch hier wurden gesellschaftliche Anliegen pointiert im Duo zweier Komiker erzählt. Dazu nicht nur als Pausenfüller, auch als Augenschmaus gedacht, fünf hübsche junge Damen in allerlei Kostümen tanzten, „sangen, sprangen und tobten um die Wette“, wie ein Reporter schrieb. Das eigentliche Wortprogramm drehte sich um folgende Nuance: „Seit drei Jahren sind Sie mein Prokurist, seit zwei Jahren begaunern Sie mich hinten und vorne, seit einem Jahr betrügen Sie mich mit meiner Frau! Also ich sage Ihnen, wenn jetzt noch das Geringste vorkommt, sind sie entlassen!“ Und nun entspann sich ein bis zweieinhalb Stunden dauerndes Programm um „das Geringste“ mit urkomischen Wendungen auf der Bühne und ständigen Lachsalven im Publikum.
Und nicht nur Bürgermeister Rumpelt hatte im Stadtrat recht, als er auf die Forderung konservativer und Kirchenkreise nach Verbot und Zensur solcher Stücke sagte, „Meine Herren, sind sie froh, dass es solche Theater- und Konzertgesellschaften gibt“. Dabei muss man wissen, dass sein Bruder unter einem Pseudonym ebenfalls „Stückeschreiber mit kritischem Inhalt“ war.
haweger
Es grenzte im Radeberg des Jahres 1884 an ein Wunder, dass es trotz vieler gesellschaftskritischer Theaterstücke und Aufführungen von Konzertgesellschaften im Sinne heutigen Kabaretts, nicht zur Zensur und Verbot kam. Dabei war die Situation durchaus brisant, hier die aufstrebenden Fabrikanten und das gut betuchte Bürgertum und dort die bis 16 Stunden arbeitenden Menschen im Allgemeinen und die infolge des Sozialistengesetzes unter Generalverdacht stehende Sozialdemokratie.
Den Auslöser markierte die Theatergesellschaft von Friedrich Uhle, der im Saal des Ratskellers in vierzig Tagen sechsundzwanzig Theaterstücke spielte. Komödien und Possen wurden von historischen Stücken abgelöst, bekannte Volksstoffe wie „Der Rattenfänger von Hameln“ oder Märchenspiele für Kinder wie „Schneewittchen“ ergänzten die durchaus brisanten Stoffe. Gleich zu Beginn kam das Stück „Ehrliche Arbeit oder Schulze von der Aristokratie“ zur Aufführung. Stehende Ovationen während des Stücks als jene Passage gesprochen wurde, die noch monatelang in Radeberg und Umgebung im Gespräch war..
„Die Sache liegt also darin, dass ein großer Gauner, der sich nicht erwischen lässt, Kommerzienrat werden kann, während diese beiden kleinen Gauner, wenn man sie erwischt, für lange Zeit eingesperrt werden!“ Und die Anspielungen in dem Stück wurden sogar aktuell personifiziert. Die Herren Hirsch, Rönsch, Dr. Michaelsen oder Alberti, alles Fabrikantennamen der Stadt, wurden „an der Grenze des guten Geschmacks“, wie die „Radeberger Zeitung“ schrieb, in den komischsten Szenen und Anspielungen benannt. Das mehrheitlich aus Arbeitern und Angestellten bestehende Publikum, freute es, denn endlich bekamen „sie ihr Fett weg“, ohne dass sich ein Einheimischer unbeliebt machen musste. Auch damals schon Kritik an der Legende des amerikanischen Erfolgsgeheimnisses „vom Tellerwäscher zum Millionär“. Ehrliche Arbeit ist das Schrubben der Waschküche oder Geschirr abwaschen, „da kannste Dir in Radeberg nicht mal ein Mittagessen von leisten“. Solch eine Tätigkeit wurde in jenen Jahren mit höchstens 20 Pfennig vergütet, ein gutes Mittagessen kostete aber mindestens 40 Pfennig. Es war also klar, die erlebte Gewissheit, dass man durch ehrliche Arbeit nicht reich wird, war in dem Stück allgegenwärtig und musste neunmal wiederholt werden. Doch auch Firlefanz, Kokolores, Mätzchen oder Possen bestimmten das Geschehen.
Legendär damals der Auftritt der Konzertgesellschaft „Lyra“ Im Saal des Gasthofes „Stadt Dresden“. Auch hier wurden gesellschaftliche Anliegen pointiert im Duo zweier Komiker erzählt. Dazu nicht nur als Pausenfüller, auch als Augenschmaus gedacht, fünf hübsche junge Damen in allerlei Kostümen tanzten, „sangen, sprangen und tobten um die Wette“, wie ein Reporter schrieb. Das eigentliche Wortprogramm drehte sich um folgende Nuance: „Seit drei Jahren sind Sie mein Prokurist, seit zwei Jahren begaunern Sie mich hinten und vorne, seit einem Jahr betrügen Sie mich mit meiner Frau! Also ich sage Ihnen, wenn jetzt noch das Geringste vorkommt, sind sie entlassen!“ Und nun entspann sich ein bis zweieinhalb Stunden dauerndes Programm um „das Geringste“ mit urkomischen Wendungen auf der Bühne und ständigen Lachsalven im Publikum.
Und nicht nur Bürgermeister Rumpelt hatte im Stadtrat recht, als er auf die Forderung konservativer und Kirchenkreise nach Verbot und Zensur solcher Stücke sagte, „Meine Herren, sind sie froh, dass es solche Theater- und Konzertgesellschaften gibt“. Dabei muss man wissen, dass sein Bruder unter einem Pseudonym ebenfalls „Stückeschreiber mit kritischem Inhalt“ war.
haweger
Kommentare (2)
wolkenopa
Interessante Frage-Stellung, meiner Meinung nach auch heute nur in dieser kabarettistischen Form zu behandeln.
Hannover hat am Montag, 17.11.2014 im Rahmen "Vierter November d. Wisschenschaft" einen Vortrag zum Thema im Programm: Religion und Wirtschaft am Beispiel von Christentum und Islam.- Grundlage u.a. Max Weber Protestant.Ethik u. Geist d. Kapitalismus - 18h i.d. Leibniz-Uni -Hann. Hpt.-Gebd. Bielefeldsaal.
Hallo Haweger,
hätte nie gedacht, dass schon (!) 1884 das Thema "...reich" in Deutschland in dieser Form in der Üffentlichkeit breitgetreten worden ist! Fände es fantastisch, von dieser "Theatergesellschafts-Bewegung..." eine Lesbarkeit, Buch, gedruckte Manuskripte etc in die Hand zu bekommen...
Gibt es so etwas?
Herzliche Grüße
Alfred Wolkenopa
Hannover hat am Montag, 17.11.2014 im Rahmen "Vierter November d. Wisschenschaft" einen Vortrag zum Thema im Programm: Religion und Wirtschaft am Beispiel von Christentum und Islam.- Grundlage u.a. Max Weber Protestant.Ethik u. Geist d. Kapitalismus - 18h i.d. Leibniz-Uni -Hann. Hpt.-Gebd. Bielefeldsaal.
Hallo Haweger,
hätte nie gedacht, dass schon (!) 1884 das Thema "...reich" in Deutschland in dieser Form in der Üffentlichkeit breitgetreten worden ist! Fände es fantastisch, von dieser "Theatergesellschafts-Bewegung..." eine Lesbarkeit, Buch, gedruckte Manuskripte etc in die Hand zu bekommen...
Gibt es so etwas?
Herzliche Grüße
Alfred Wolkenopa
"Arbeite ,und du kannst der Belohnung nicht entgehen,
Ob die Arbeit fein ist oder derb,
ob du Korn pflanzt oder Romane schreibst,
wenn es nur ehrliche Arbeit ist, die die eigene Billigung findet,
wird sie sowohl die Gefühle belohnen wie den Verstand.
Ganz gleich wie oft du besiegt wirst, du bist zum Sieg geboren.
Die Belohnung für eine gut gemachte Arbeit ist,
sie gemacht zu haben."
Ralph Waldo Emerson
..und alle Sichtweise kommt aus den eigenen Gedanken...