Eigentlich hätten die beiden Dienstreisenden noch in der Betriebskantine ein Mittagessen einnehmen können, aber sie wollten lieber so schnell wie möglich zurückfahren. Auf einem Parkplatz hielt Ulrich Uhu den LKW an und sie aßen ihre mitgebrachten Brote. Danach stiegen sie aus, um dem Bedürfnis nach Harnentleerung nachzugeben. Toiletten gab es auf den Parkplätzen nicht, weshalb sie sich in die Büsche schlugen. Als Lothar gerade wieder den Reißverschluss zumachte, hörte er einen Aufschrei seines Kollegen und eilte in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Er fand Uli am Boden kauernd. Beim genauen Hinsehen bemerkte auch er, dass der Waldboden mit Pilzen übersät war. Schnell rannte Lothar zum LKW zurück, dessen Türen zum Glück nicht verschlossen waren, um ihre leeren Stullentüten zu holen, in die sie die Pilze legen wollten, die sie noch finden würden. Vorsichtshalber suchte Lothar die Pilze in etwas größerer Entfernung von Ulrich, denn er wusste nicht genau, wo dieser sich erleichtert hatte.
So liefen sie tiefer und tiefer in den Wald und bald reichten die Tüten nicht mehr aus, um die gesammelten Pilze aufzunehmen. Deshalb wollten sie zum LKW zurück. Lothar wusste jedoch nicht mehr, woher sie gekommen waren, aber Ulrich war sich ganz sicher, den Weg zu kennen und so trotteten sie los. Der Fußmarsch kam Lothar sehr weit vor und er wollte schon Zweifel anmelden, ob sie sich auf dem richtigen Weg befänden, da sah er plötzlich den Parkplatz vor sich. Nach ein paar Schritten hatten sie den Wald hinter sich und suchten nun ihren LKW, der aber nicht zu sehen war. Sie trauten ihren Augen nicht, denn den Lastwagen mit der hohen Ladung konnte man gar nicht übersehen. Uli schrie verzweifelt: „Scheiße, die haben uns den W50 geklaut und ich Idiot habe mein Portemonnaie drin gelassen!“ Um den LKW und die kostbare Ladung schien er sich keine Sorgen zu machen.
Nun war guter Rat teuer. „Wir müssen zur Polizei, um Anzeige zu er­statten“, sagte Ulrich. Während Lothar sich noch fragte, wie sie dahin kommen sollten, hielt gerade ein anderer LKW, dessen Fahrer sich auch schnell in die Büsche schlug. Als er wiederkam, fragte Ulrich ihn: „Tachchen Kumpel, unser LKW ist geklaut worden. Kannst du uns mitnehmen und irgendwo bei der Polizei absetzen?“ Der andere nickte und Uli kletterte auf den Beifahrersitz, während Lothar auf der Ladefläche Platz nehmen musste. Sie fuhren eine ganze Weile und Lothar begann wegen des Fahrtwindes zu frieren. Außerdem tat ihm alles weh, so hart war die Kiste auf der er saß. Plötzlich bremste der LKW so scharf er konnte und rollte an den Rand der Autobahn. Erstaunt schaute Lothar über den Rand der Ladebordwand und wollte seinen Augen nicht trauen, denn sie waren an einem Parkplatz und allein auf weiter Flur stand ihr LKW, wie sie ihn verlassen hatten. Zum Glück hatte Uli ihn rechtzeitig erblickt, sodass der Fahrer es noch geschafft hatte, in Höhe des Parkplatzes anzuhalten.
Lothar kletterte von der Ladefläche, und sie bedankten sich. Dann fuhr der andere LKW weiter, während Lothar und Uli zu ihrem W50 marschierten. Das Portemonnaie war da, wie alles andere auch, sodass sie lachend weiterfuhren. Sie hatten sich also doch verlaufen und waren bei dem vorigen Parkplatz herausgekommen. Zum Glück hatte kein Bösewicht die Gelegenheit genutzt, um das Auto zu klauen oder wenigstens auszuplündern.

Aus dem Buch "Er war stets bemüht" von Wilfried Hildebrandt

 

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Kommentare (1)

ehemaliges Mitglied

Das war bei soviel Gedankenlosigkeit zu erwarte,

denkt sich Uschi

Hab schon als I-Männchen vom Vater gelernt, in neuer, fremder Umgebung zuerst kürzere Entfernungen zu erkunden, von wo man immer noch sehen konnte, wo das Urlaubsquartier war. Auf den ostfriesischen Inseln war das ja nicht schwer, aber wir lernten es auch im Sauerland oder im Chiemgau, Unterwössen, Oberwössen, Reit im Winkel ... später am Achensee ...


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