"Meine Leute"
„Meine Leute“
Mehr als vier Jahrzehnte sind seither vergangen. Damals war ich beim Fernsehen verantwortlich für verschiedene Sendungen, u.a. für eine wöchentlich laufende 25-Minuten-Reihe, die an jedem Sonntag im Vorabendprogramm ausgestrahlt wurde. Na gut, zu tun hatte ich da unmittelbar nichts, aber ich musste eben zugegen sein, um im Fall der Fälle als Verantwortlicher für die Sendung fungieren bzw. entscheiden zu können.
Nun hatte ich im Zuge der Endfertigung einer anderen großen und recht komplizierten Sendung die ganze Woche fast ausschließlich am Sender verbracht, genauer gesagt im Studio, im Schneideraum und in der Regie – jeden Tag (und auch nachts) 12 – 16 Stunden. Endlich war das aufwändige Projekt in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend fertig, technisch abgenommen und zur Ausstrahlung bereit. Ich aber war völlig ausgelaugt. Den Sonnabend habe ich dann zuhause nahezu wörtlich genommen verschlafen.
Am Sonntag war ich mit einigen Vorbereitungsarbeiten für ein neues Sendeprojekt beschäftigt, als ich ganz nebenbei eine mir bekannte Sendung sehe. Plötzlich bin ich erschrocken: Da lief doch „meine“ Sendung... und ich war zuhause, obgleich ich am Sender vor Ort sein müsste! Also sofort los. Mit dem Auto brauchte ich nur knapp eine Viertelstunde, hatte auch den Berechtigungsausweis für das Fernsehgelände und konnte direkt bis zum Studio- und Sendegebäude fahren. Rasch das Auto abgestellt, raus aus dem Fahrzeug und hoch in den ersten Stock zum Regieraum... Meine Kolleginnen und Kollegen, die Schnittmeisterin, der Tonredakteur, der regiehabende Sendefahrer und der Aufnahmeleiter – sie alle saßen gemütlich bei einem Kaffee zusammen. Die Sendung war längst gelaufen und niemand wunderte sich, dass ich erst jetzt dazu kam. Es wurde wohl vermutet, dass ich bisher in meinem Büro war und mir die Sendung dorthin habe „stecken“ lassen (das war hausintern möglich und auch nicht unüblich). Doch habe ich geflissentlich verschwiegen, dass ich eben erst gekommen bin, war aber insgeheim ungemein froh und erleichtert, das alles gut gelaufen war und keiner meine „sträfliche“ Abwesenheit bemerkt hatte. Auf „meine Leute“, auf das gesamte Team, konnte ich mich stets und immer allerbestens verlassen – es war eine wirklich „tolle Mann- und Frauschaft“!
Wenn ich mich heute nach über 40 Jahren an diese Situation erinnere, bin ich noch immer mit großer Hochachtung für alle „meine Leute“ sehr dankbar. – Damals habe ich heimlich den Satz formuliert: "Wenn sie mich nicht hätten, brauchten sie mich gar nicht." Sicher ist da etwas Wahres dran…
...meint mit leise verschwiegenem Lächeln
Syrdal
Kommentare (10)
@Rosi65
Ja, liebe Rosi, das ist ein durchaus treffender Vergleich. In Abwandlung eines oft genutzten Wortes könnte ich sagen: Gemeinsam sind wir stark. Also ein mit vielen Einzelqualitäten und Spezialerfahrungen gemeinsam geschaffenes Werk gelingt.
Herzliche Abendgrüße
Syrdal
Syrdal
Ich finde, auch heute machst Du Deine Sachen gut.
Im M;oment ist das alles was zählt. Sich auf seine Arbeit ausruhen zu
können mit der Gewissheit ,gut gemacht, find ich sehr wertvoll gerade in der
heutigen Zeit.
Gruß Distel1fink7
@Distel1fink7
Danke… das nehme ich gerne und mit Freude, aber auch mit leiser Demut entgegen, ohne es weiter zu kommentieren…
Dir einen schönen Abend wünscht
mit herzlichen Grüßen
Syrdal
Nun ja, nachdem alle Arbeit (gut) getan war,
brauchten sie Dich wirklich nur noch zum Abhaken 😉
Schöne und gute Erinnerungen erfreuen immer wieder.
Weiter viel Freude dabei!
Ursula
@U. Petri
Liebe Ursula, ein solches „Abhaken“ geht aber nur, wenn alle Beteiligten sich bei solchen Gemeinschaftswerken voll und ganz einbringen, denn einzig die Gesamtleistung zählt und die muss stimmen. Doch daran erinnere ich mich gerne mit großer Freude – nicht nur bei der hier dargelegten Geschichte.
Einen schönen Aschermittwoch-Abend wünscht dir
Syrdal
So ein Team, dessen Arbeitsergebnisse von einem Publikum empfangen werden, muss wirklich gut eingestimmt und eingespielt sein. Das geht aber nur, wenn da ein Leiter (kann ich auf die weiblichen Endungen verzichten?), ein Dirigent, kurzum ein Chef da ist, der das kann: die Teammitglieder mit ihrer Arbeit begeistern. Dann könnten sie ihn auch mal nicht brauchen - nur selten aber, und für kurz.
Mit Grüßen
Christine
@Christine62laechel
Liebe Christine,
deinen recht angenehmen Worten kann ich nur eine ehrliche Bestätigung erteilen. Und selbstverständlich ist deine klare Ausdrucksweise „Leiter“ nicht missverständlich zu werten. - Nun habe ich in meiner Erzählung von „Team“ gesprochen, es hieß damals aber bei uns eher Kollektiv, wobei das auch nicht ganz richtig war, weil die genannten „Leute“ aus verschiedenen Bereichen kamen. Es war aber eine „kollektive“ Arbeit, bei der jeder seine einzigartig wichtige Aufgabe hatte und auch in bester Weise erfüllte, um ein ansehnliches Gesamtergebnis zu erzeugen. Und darauf durften alle, die daran mitgewirkt haben, wirklich stolz sein.
Alles in allem kommt mir dabei ein alter Spruch in den Sinn: Wie der Herr, so das Geschirr! Ich denke, das trifft hier alles das, was du auch zum Ausdruck gebracht hast.
Danke und liebe Grüße zum Abend sendet
Syrdal
😁😁😁
Tja, so landete ich unerwartet und unvorbereitet auf dem Podest, und niemand rannte vorzeitig weg.
Dein obiger 'heimlich formulierter Satz' traf dann jahrelang auch auf mich zu.
Kaum zu glauben...,
Lerge
@Lerge
Nun ja, liebe Lerge, D U wurdest ja doch dringlichst gebraucht und bist alles rettend eingesprungen für einen anderen. Insofern träfe der Spruch wohl nicht auf dich zu, umso mehr aber auf den „säumigen Prediger“. Also ich denke, auf dich kann und sollte niemals jemand verzichten...
...sagt mit heiteren „Aschermittwochs“-Grüßen 😁😁😁
Syrdal
Lieber Syrdal,
das sehe ich auch so. Erfolg ist immer eine Sache des gesamten Teams, denn wenn der „Laden“ trotz Abwesenheit des Vorgesetzten gut läuft, dann hat dieser wohl alles richtig gemacht.
Erinnert mich ein wenig an die Aufgabe eines Sporttrainers, der zwar nicht direkt in seiner Mannschaft mitspielt, aber trotzdem für die Zukunft plant und die Übersicht behält.
Herzliche Grüße
Rosi65