Magischer Moment....

Magischer Moment . . .

Das Miteinander der Menschen ist ein ständiger und vielschichtiger Prozess, wie wir alle aus eigener Erfahrung wissen. Wir erleben uns selbst meist als Mittelpunkt des Geschehens. Die Menschen um uns herum bilden das soziale Gefüge, in dem wir uns bewegen und mit dem wir uns auf unterschiedliche Weise identifizieren und arrangieren. Wir machen dabei vielfältige Beobachtungen und haben Wahrnehmungen in vielfacher Weise und Intensität. Dazu gehören auch die kleinen Alltagsbegebenheiten, die wir mitunter als intensive, positiv wahrgenommene Augenblicke erleben. Sie zaubern ein Lächeln in unser Gesicht und verschaffen uns hier und da vielleicht sogar ein wohliges Bauchgefühl.

Jede Frau, denke ich, geht gern zum Friseur. Oder? Ich bin gerne beim Friseur. Meine Freundin hat sich mit 61 Jahren als Friseurmeisterin noch einmal selbstständig gemacht. Sie hat jetzt einen eigenen Friseursalon. Auch das ist schon sehr bewundernswert, in meinen Augen. Ich liebe es, mit ihr „Schwätzchen“ zu halten, wenn ich dort bin.

Sie ist jetzt 63 Jahre und meist sind es ältere Damen und Herren, die gern zu ihr in den Salon kommen. Ihre Kunden werden menschlich und zuvorkommend bedient. Ihr wacher Blick weiß, wann Hilfe erforderlich ist. Ein Tässchen Kaffee oder ein Gläschen Sekt, ein Tee oder ein Stück Obst, bietet sie gerne als kleine Annehmlichkeit. Oder auf Wunsch ein Taxi bestellen. Ihre Fragen nach Kindern, Enkeln und Urenkeln unterstreichen die sehr persönliche Atmosphäre.

Heute war wieder mein Friseurtag. Meine Nachbarin war auch gerade als Kundin im Salon. Wenn ich sie sehe, bin ich immer wieder erstaunt. Sie ist 93 Jahre. Auch wenn wir uns öfter längere Zeit nicht gesehen haben, weiß sie dennoch meinen Namen, fragt mich nach unseren Kindern und erkundigt sich nach den Enkeln. Ich fragte sie, nachdem ich „angeberisch“ die Fotos unserer Enkel gezeigt hatte, ob sie auch Enkel hätte. Sie lächelte milde und erzählte mir, dass sie insgesamt 19 Enkel und Urenkel als Nachkommen hat.

Ihr Geist ist noch immer sehr lebendig. Sprudelnd unterhielt sie sich über Themen, die eigentlich nicht altersentsprechend sind. Ich schäme mich etwas für diesen Gedanken. Bestens war sie informiert, über Politik, Religion und was sonst in der Welt los ist. Ich erkundigte mich nach ihrem Mann. Sie erzählte mir, dass es ihm nicht so gut ginge, aber sie ihr Leben gemeinsam sehr gut meistern würden. Schließlich ist er schon 97 Jahre. Na so was . . .

Ihre Frisur ist inzwischen wieder tipptopp. Meine Freundin rief den Mann der alten Dame an. Seine Frau sei fertig. Er kam kurz darauf. Seine Frau zog sich ihren Mantel an, ging vor die Tür des Friseursalons, weil sie ihren Mann nicht so weit voraus laufen lassen wollte.

Draußen vor dem Friseurladen geschah etwas, was ich als "magischen Moment" erlebt habe und auch so beschreiben möchte. Der Mann nahm die Hand seiner Frau, verbeugte sich vor ihr und gab ihr einen galanten Handkuss. Danach gingen sie beide zu ihrem Auto. Ein Ehepaar, sie 93, er 97, ein gemeinsam gelebtes und erlebtes Füllhorn vieler Jahre.