Januskopf 'Fortschritt'

Autor: ehemaliges Mitglied

wie jeder fortschrittler, so rechtfertigte auch HERBERT MARCUSE die gewalt als mittel der politischen auseinandersetzung.

wie immer, wird das böse mittel begründet mit dem guten zweck, hier mit dem "menschlichen Fortschritt in Freiheit". - gewalt, damit eine gewaltlose gesellschaft entstehe. - noch jeder despot und noch jede despotische gruppe hat so oder so ähnlich geredet. die freiheit ist dabei unter die räder gekommen.

ich zitiere aus einer Vorlesung, die MARCUSE 1964 an der University of Kansas gehalten hatte:

[...]

Und dazu [zu den sogenannten historischen Individuen] möchte ich noch eine Anmerkung machen. Es erscheint mit charakteristisch, dass, je berechenbarer und kontrollierbarer der technische Apparat der modernen Industriegesellschaft wird, die Chancen menschlichen Fortschritts um so mehr von den intellektuellen und moralischen Qualitäten der Führer abhängen sowie von ihrer Bereitschaft und Fähigkeit, die kontrollierte Bevölkerung zu erziehen und dazu zu bringen, die Möglichkeit, vielmehr Notwendigkeit der Befriedung und Humanisierung anzuerkennen. Denn heute ist der technische Apparat der fortgeschrittenen Industriegesellschaft an sich autoritär und verlangt Dienstleistung, Unterwerfung, Unterordnung unter den objektiven Mechanismus des Maschinensystems, das heißt Unterwerfung unter jene die den Apparat kontrollieren. Die Technik ist in ein mächtiges Instrument ultramodernen Herrschaft verwandelt worden - um so mächtiger, je mehr es seine Leistungsfähigkeit beweist, den Beherrschten und der Politik der Herrschaft zu dienen.

Ich komme zum Schluss: Das Verhältnis von Mittel und Zweck ist das ethische Problem der Revolution. In gewissem Sinne rechtfertigt der Zweck die Mittel, dann nämlich, wenn sie naxchweislich den menschlichen Fortschritt in Freiheit fördern. Dieser legitime Zweck, der einzige legitime Zweck, erfordert die Schaffung von Verhältnissen, die seine Verwirklichung erleichtern un d begünstigen würden. Und das Schaffen dieser Verhältnisse kann Opfer rechtfertigen, wie es die ganze Geschichte hindurch Opfer gerechtfertigt hat. Aber diese Beziehung zwischen Mitteln und Zwecken ist eine dialektische. Der Zweck muss in en repressiven Mitteln, ihn zu erreichen, am Werk sein. Auch dann setzen die Opfer Gewalt voraus - die gewaltlose Gesellschaft bleibt die Möglichkeit einer geschichtlichen Stufe, die erst zu erkämpfen ist.

aus...
Marcuse, Herbert
Kultur und Gesellschaft 2
edition suhrkamp 135, 4. Aufl., Frankfurt am Main 1967
Ethik und Revolution, S. 130-146, 145 f.

Article(s)...

Der Freitag, 28.03.2011
Der Bond für Akademiker
Eine neue Dissertation geht der Zusammenarbeit der frühen Frankfurter Schule mit dem amerikanischen Geheimdienst nach
Von Magnus Klaue


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Wolfgang

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