Helle Augen

Meine Erinnerung ist wie ein Schlachtfeld, in dem noch Mengen an Munition herumliegen. Manchmal versuche ich mich an etwas zu erinnern, ich fühle es genau dort, wo ich es einmal vor Äonen hinterlassen habe. Es taucht ein wenig auf, nimmt fast Gestalt an, aber - verdammt, da geht es wieder in den Trümmern und Ruinen unter, versteckt sich in einem dieser dunklen Krater, unmöglich herauszufinden, wo es blieb.
       Ich sollte geduldig mit mir sein, sage ich mir ständig. Die Zeit ist endlos lange über die Realität hinweggegangen. Sie hat mich vergessen, ich sie jedoch nicht! Sie gab mir einen Trost: Das Vergessen! Aber ich wollte keinen Trost. Ich wollte stets wieder erinnert werden
       Wie viele Bücher habe ich in 90 Jahren gelesen, wie viele Informationen habe ich in mein Gehirn aufgenommen!? Wie viele Filme, Musikstücke, Gemälde, Kunstwerke, Landschaften, Gesichter, taktile Empfindungen? Wie oft habe ich meine gestörten Ohren angestrengt, um eine Melodie, ein Geräusch, ein Lachen besser zu verstehen!?

       Ich erlaube mir den Einwand, dass die Welt vielleicht nie Veränderungen unterworfen sein wird. Ich irre mich, es kommt mir anscheinend nur so vor? Mir ist unstreitig klar, dass ich viele Dinge weiß, an die ich mich praktisch nicht erinnern kann. Manchmal tauchen unerwartete Informationen und Erinnerungen in irgendeiner dunklen, versteckten Ecke meines Gehirns auf. Ich stelle mir vor, dass diese unerwarteten Begegnungen kleine neuronale Unfälle sind, das eine oder andere Blitzlicht, das meine Schädelhöhle für eine Nanosekunde erhellt.
Ist das Licht deshalb so grell?


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Kommentare (7)

Agathe

Ich denke, wenn wir etwas aus den Tiefen des Untergrundes holen wollen, kommt es auch mit Geduld und Ausdauer wieder zum Vorschein. Das ist meine Erfahrung. Ansonsten ist es vielleicht nicht wichtig genug.
Liebe Grüsse, Agathe 

indeed

Lieber Horst,

was lese ich hier? - Helle Augen? 

Du hast nicht nur einen guten Blick, du hast auch ein Elefantengedächtnis und ich bewundere es immer und immer wieder. 

Die Welt verändert sich immer, manchmal schleichend, manchmal explodierend und die Gesellschaft mit ihr. 

Das unsere Augen im Alter an Wahrnehmung langsam eingeschränkt und unser Gehör ebenfalls nachlässt, dem kann mit mit Hilfsmitteln entgegen treten. Aber das weißt du ja selber.

Diese Art der Gedanken schicke doch einfach ins Nirwana, du bist ok. so wie du bist :-)))
Ich kann das beurteilen . . . 

schreibt mit einem breiten Lächeln
Ingrid


 

Pan

Wenn Du dat seggst, magg dat woll so wähn ...
ik weet dat süvst nich ...

 

Syrdal


Nichts vom jemals im Leben Gelernten geht verloren, es wird nur selektiert in „wichtig“ und „weniger wichtig“ oder auch „unbedeutend“, wobei letzteres alsbald in die unermesslichen Tiefen des Unterbewusstseins sinkt und fortan von vielem überdeckt wird – es wird „vergessen“…
Doch ab und an wird aus diesem tiefen Kämmerlein mal wieder ein kleiner Splitter ans Licht gehoben, man erinnert sich plötzlich, um es alsbald wieder in die Tiefe hinab sinken zu lassen. – Vergessen können aber ist eine wahre Gnade, ein wunderbares Geschenk. Könnten wir nicht auch vergessen, wär unser Hirn sehr schnell überlastet und man würde im wahrsten Sinne des Wortes „verrückt“ werden… oder sind wir das gar schon?

...überlegt Syrdal
(hat es aber wohl vergessen!)

 

Pan

Das mag wohl sein, mal so mal so , jeden Tag anders!

Roxanna

Warum wohl, lieber Horst, hat es die Natur so eingerichtet, dass wir während unseres Lebens speichern und speichern und uns eigentlich ein ungeheueres Wissen angeeignet haben, aber irgendwann den Zugriff darauf verlieren. Vieles sackt ins Unterbewußtsein und steuert uns auch manchmal, oder öfter als wir glauben, von dort. Ich habe mich auch schon oft gefragt, warum wir den Zugang verlieren, könnten wir doch vielleicht, wäre uns vieles bewusster, auch immer wieder anders handeln. Graben hilft manchmal, aber nicht immer. Ja, warum ist das wohl so?

Lieben Gruß
Brigitte

Pan

Warum? Gute Frage.
Nächste Frage?
Weil unser Terabyte-Hirn zwischendurch auch mal etwas in den Papierkorb wirft und wir es dann mühevoll wieder heraussuchen müssen, sonst endet es im Reißwolf!
augen1.gif


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