Hase und Igel
Der Bus kommt pünktlich, hält an, ich stehe direkt am Eingang. Der Fahrer öffnet nicht die Tür, grinst mich an und fährt weiter. Der nächste Bus kommt in einer Stunde.
Als er um die Ecke biegt, sehe ich ein Taxi kommen, ich steige ein und bitte den Fahrer, den Bus zu überholen und mich rauszulassen, damit ich noch in den Bus einsteigen kann.
Nach 4 Haltestellen stehe ich an der Bushaltestelle mit zwei anderen Fahrgästen, ich steige als Letzte ein. Der Busfahrer sieht mich, ihm entgleist sein Gesicht und ich strahle ihn an und sage: "Kennen Sie die Geschichte vom Hasen und vom Igel, ich war zuerst da."
Der Fahrer ist so verwirrt, es dauert, bis er losfährt, noch immer mit offenem Mund. Er begreift nicht, wie ich ohne Auto so schnell diese Entfernung geschafft habe.
Mein Ärger ist verflogen, ich amüsiere mich im Stillen und fahre entspannt und fröhlich nach Hause. Während der Restfahrt fällt mir auf, wie entspannt ich bin. Ich denke zurück, wieviel Energie und Lebenszeit mich Ärger oft gekostet hat, wie es mich aus der Ruhe gebracht hat. Seit einigen Jahren denke ich in solchen Situationen immer öfter, die Menschen wollen mich nicht persönlich verletzen, es ist ein Ausdruck von Frustration , von Unzufriedenheit und Unglücklichsein, manchmal auch Neid. Ich bin nie in ihren Schuhen gelaufen, weiß nicht, was sie erlebt haben und warum sie so handeln.
Das gibt mir eine große Gelassenheit, hält negative Energien weitgehend von mir fern und lässt mich schnell zurück kommen in meinen mir so kostbaren, inneren Frieden. Am Anfang der Pandemie hatte ich den Eindruck und die Hoffnung, dass die Menschen geduldiger und weicher geworden sind. Leider kippt das hier in der Großstadt wieder extrem um. Die Angst, etwas zu versäumen, sich nicht mehr ablenken zu können, mit sich selbst konfrontiert zu sein, macht reizbar. Ich bin nicht mehr oft außerhalb der Wohnung, habe aber einige notwendige Dinge zu erledigen, wobei ich mich auf Aggressivität nicht mehr einlassen will.
Ich habe mir viele kleine Zettel geschrieben mit ganz kurzen Gedichten von Z.B. Wilhelm Busch, Ringelnatz, Robert T.Odemann u.a. die habe ich in meiner Jackentasche. In gereizten Situationen und persönlicher Konfrontation hole ich wahllos einen kleinen Zettel aus meiner Tasche und gebe ihn lächelnd ohne Kommentar an mein Gegenüber. Manchmal ernte ich Kopfschütteln, selten ergibt sich daraus ein kurzes Gespräch, aber ein Blickkontakt ist immer, und wenn ich ein Lächeln bekomme macht es mich froh. Ich bin dabei geschützt und verletze dabei die andere Person nicht.
Wenn mich jemand für wunderlich hält, so ist mir das egal. Was ich gerne noch lernen möchte, das ist, mich nicht mehr über mich selbst zu ärgern, ich bin auf dem Weg……
Kommentare (4)
Danke, @ladybird, diese kleine Methode hat sich bewährt und schenkt mir immer wieder ein Lächlen. Na sicher kannst du es "klauen", viele sollten es machen.
Schönes Wochenende, Malina
Tolle spontane Idee mit dem Taxi. Da muss man erst mal drauf kommen.
Dem Busfahrer ist das Grinsen dann wohl gründlich vergangen.
Tja, und die Gelassenheit erwirbt man erst im Laufe der Jahre. Falls überhaupt. Wohl dem, der sie dann gefunden hat.
Mit Dank und liebem Gruß von
Andrea
@malina
und wenn Du diesen Weg gefunden hast........teile ihn mit mir.
Bis zur Hälfte komm ich ja mit, aber immer wieder erwischt mich mein
"Teufelchen" und sagt : "Dumme Kuh, wann wirst endlich schlauer?"
Hab Deinen Beitrag sehr gerne gelesen, danke dafür. Mein Tag beginnt
mit einem Lächeln! ..........herzlichen Gruß von der Mauli 😏
Liebe Malina,
Dein Erlebnis finde ich direkt "fruchtend"
darf man Deine Erkenntnis und Deine Idee mit den Zettelchen "klauen"?
Es ist bewundernswert, dass Dir das "entgleiste" Gesicht des Busfahrers gereicht hat und Dir eine eigentlich heftige Beschwerde erspart hat? Und somit hattest Du deine Nerven und Ärger geschont .
Mit Spannung und Denkanstoss habe ich Deine Geschichte gelesen
herzlichst grüßt
ladybird