Geteilter Badespaß



In meiner Kindheit, immerhin über 70 Jahre her, träumte man noch lange nicht von Badezimmern, sondern  ein Wasserauslaß in der Wohnung erschien schon als das Höchste der Gefühle. Man holte damals kaltes Wasser in einer emaillierten Wasserkanne mit Klappdeckel von der Wasserleitung (auf Wienerisch "Basena") am Gang. Anschließend wurde langwierig der zum Waschen von Mensch, Geschirr und Sonstigem nötige Teil des Wassers am Ofen oder Herd erwärmt. Zu dieser Zeit erfreute sich auch der Waschlappen höchster Beliebtheit.   
Zum Baden ging man in ein sogenanntes Tröpferlbad außer Haus, meist ein Mal in der Woche, schließlich kostete das Geld und man war ohnehin gezwungen, jeden Groschen mehrfach umzudrehen..

Ausnahme bildeten natürlich die ewig verschmutzten Kinder. In meinem Fall bedeutete Baden, daß meine Großmutter aus dem Keller einen schweren, hölzernen Waschtrog holte. ihn dann in der ohnehin sehr beengten Küche auf zwei Stockerln stellte und größere Mengen warmes Wasser zubereitete. Dann wurde ich hineingehoben und man ließ mich einige Zeit darin "entkrusteln".

Einmal ging meine Großmutter während dieser Zeit neuerlich Wasser holen, traf dort eine zweite Hauspartei und die beiden plauderten so vor sich hin.
Mir jedenfalls war langweilig, vielleicht fror ich auch schon ein wenig. Zu meiner großen Freude entdeckte ich in dem Trog einen nach innen ragenden Holzstöpsel. Zuerst zupfte ich daran, dann drehte und lockerte ich ihn ein wenig und schließlich zog ich ihn entschlossen heraus. Plötzlich war was los, die Langeweile wie weggeblasen. Das auf den Küchenboden plätschernde Wasser fand ich richtig lustig und konnte mich an dem Schauspiel kaum satt sehen. Als aber meine Knie und auch sonst immer mehr ins Freie ragten, wurde mir das Ganze etwas unheimlich. Das am Boden immer höher steigende Wasser fand ich auf einmal auch nicht mehr so toll. 

Plötzlich erschien meine Großmutter, ihr Entsetzen, ihre Schreie und die in der Sekunde zutiefst gestörte Beziehung zu mir machten schon gehörigen Eindruck auf mich; zum Glück erinnere ich mich nicht mehr an die vielen, unfreundlichen Namen, die sie mir sozusagen an den nassen Kopf warf. Sie stürzte sich mit den Hausschuhen ins ausgebreitete Nass und fischte verzweifelt nach dem fröhlich herumtanzenden Stoppel, um wenigstens das weitere Ausrinnen des Badewassers zu verhindern. Zwar erinnere ich mich nicht, gehe aber davon aus, daß sie mich einige Zeit als völlige Nebensache im Trog frieren ließ

Es muß ein Albtraum gewesen sein, diese Mengen an Wasser einzufangen und den Raum wieder trocken zu bekommen.
Dabei hatte ich es wirklich nicht böse gemeint. 
Lydia   

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Kommentare (2)

Rosi65

Hallo Lydia,

Neugier und Erkundungsdrang gehören auch zu einer gesunden Entwicklung des Kindes.
Schließlich möchte es ja wissen, wie, warum und weshalb etwas funktioniert. Sicher wird das Kind deshalb alle seine Fähigkeiten einsetzen, um diesen Rätseln auf die Spur zu kommen.
Durch ein kleines Lob lässt sich die Freude über seine Leistungen bestimmt noch fördern.😅

Und Deine gute Oma hatte wahrscheinlich nie Langeweile mit Dir.

Viele Grüße
   Rosi65

debi

Guten Tag, liebe Lydia,
  603.jpg hoffentlich war der Fußboden wasserdicht.
Das Entsetzen der Großmutter kann man schon verstehen ... da war das Kind in der Wanne plötzlich für einige Augenblicke Nebensache. Aber das sind dann die Ereignisse, über die man später immer mal wieder in der Familie spricht und entspannt darüber lächeln kann.
 
Frühkindliche Erinnerungen an wöchentlichen Badespaß (!!!) habe ich auch:
Nicht mehr so genau kann ich sagen, welche Wochentage es waren ... vielleicht war es auch „nach Bedarf“, dass Oma und Mama zwei Zinkwannen in die Wohnküche schleppten, wobei die eine auf den Spülstein und die andere auf einen Hocker inmitten des Raumes gestellt wurde.
Wie diese beiden Wannen mit lauwarmem Wasser gefüllt wurden, daran kann ich mich nicht mehr erinnern, aber als man dann uns zwei kleinen „Naggedfröschle“ zum Abseifen reintauchte, ging das Geschrei los. Das hat sich fest eingeprägt, denn es wiederholte sich regelmäßig.
Aus der Wanne im Spülstein heulte es:  „Ommma, dui guggt ... „
und von der Hockerwanne in zweieinhalb Meter Entfernung jammerte es:  „Mammma, der guggt ao scho widder ...“
Und komischerweise konnte man damals den Kopf wie eine Eule nach hinten drehen, auch wenn man immer wieder zur naheliegenden Wand gewendet wurde.
Weißt du das noch, lieber Emil  mx59.gif  N e i n ... also das kann doch nicht sein ;-(
Doch es war wirklich so ... von entspanntem Badespaß konnte da absolut nicht die Rede sein und die frustrierten "Badefrauen" waren sicherlich heilfroh, wenn die Prozedur beendet war und die Kinder friedlich in ihren Betten schlummerten.

Vielleicht ist heute wieder Badetag, dann viel Spaß
und ein sonniges Wochenende
wünscht debi


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