Gedanken um unser Erdenleben und das Danach …
Danke, liebe Roxanna, für die wirklich sehr schönen Fotos der Wege, die Du wohl gelegentlich gehst. So ähnliche Wege gibt es auch in meiner ehemaligen Umgebung am Teutoburger Wald.
Auch die hinzugefügten Texte sind schön. Doch bei den vielen Auslegungen in den Kommentaren komme ich ein wenig ins Stolpern. Es ist nur natürlich, dass man sich wünscht, seinen Lebensweg so gegangen zu sein, dass man zum Schluss hoffentlich in den Himmel kommt … Aber für mich ist das ein recht kindlicher Gedanke. Klar, den hatte ich auch mal: als meine Mutter so früh verstarb. Es war mir als Siebenjähriger ein Trost, zu glauben, sie sei nun im Himmel, habe dort keinerlei Schmerzen mehr und die Möglichkeit, ihre drei Mädels nun durch die Wolkenlöcher allezeit beobachten, beschützen zu können.
Man muss sich das einmal vorstellen: alle „guten Menschen“ schauen durch die Löcher des bewölkten Himmelszeltes auf ihre Lieben, mit all den Gedanken für die vielen hier auf Erden – rein theoretisch gäbe es gar keinen blauen Himmel mehr!
Ich lernte recht schnell, dass an solchen Gedanken etwas „faul“ ist. Meine „große Schwester“, vier Jahre älter als ich, die fast 11 Jahre ihre Mutter erleben durfte, konnte sich lebenslang nicht von dem Gedanken trennen, ich – seinerzeit acht Monate alt im Kinderwagen liegend – sei Schuld an der Krebserkrankung unserer Mutter gewesen. Das bekam ich zuletzt vor vier Jahren von der inzwischen über Achtzigjährigen zu hören.
Sie war vermutlich stets darauf bedacht, ihren eigenen zwei Töchtern alles Gute in deren Leben zukommen zu lassen. Aber sie sorgte vor dreißig Jahren dafür, dass jede von ihnen viel zu jung einen Mann heiratete, der unserem Vater soooo ähnlich sah. Sie war regelrecht versessen darauf, dass ihre Töchter den gleichen „Geschmack“ wie sie hätten. Dummerweise stellte beide Töchter recht schnell fest, dass jeder Mensch seine eigenen Charaktereigenschaften hat und beide jungen Männer taten ihren jungen Ehefrauen nicht gut! Es gab Schläge, Mobbing und Kindesentziehung! Beide Töchter heirateten ein zweites Mal, nun aber selbst gewählte Partner, mit denen sie inzwischen glücklich ihre Silberhochzeiten feierten. Sie halten bewusst ihren für sie selbst guten Abstand zur Mutter!
Auch ich musste einen Partner ehelichen, der gar nicht heiraten wollte. Ich selber wollte nur noch aus der nicht wirklich guten eigenen Familie weg, ganz bestimmt nicht den Jungen zum Ehemann nehmen, den die Stiefmutter mit in ihre zweite Ehe gebracht hatte. Das war die Planung. Auch das wäre nicht gut gegangen. Aber diese Ehe war für mich auch nicht der richtige Weg: Mitleid für die schlimme Kindheit meines Mannes als Grundlage einer Ehe birgt viele Irrwege.
Es half anfangs ein wenig, zuerst einen Sohn bekommen zu haben. Dass der Vater meiner Kinder eigentlich Frauen weder respektierte noch liebte, erfuhr ich dann so nach und nach in unserem Leben. Als unsere Tochter heranwuchs, erlebte sie immer wieder seine Abneigung: sie war halt weiblich, könnte Charaktereigenschaften zeigen, die ihm, dem Vater unserer Tochter, noch einmal die schlimme Missachtung seiner Mutter in Kinder- und Jugendzeiten für ihn zeigen könnte. Das wollte er nie wieder erleben – aber es war ein falsches Denken. Er brauchte tatsächlich 45 Jahre, um deutlich zu erkennen, wie sehr er falsch gedacht, seiner Tochter immer wieder Unrecht getan hatte! Zwei Jahre vor seinem Tod hat er sich bei ihr entschuldigt!
Auch meine Ansicht, ihn in unserem gemeinsamen Leben spüren zu lassen, dass ihm von mir nichts Böses entgegen kam, ließ sein Misstrauen nicht geringer werden. Immer wieder versuchte er, mutwillig Streit suchend, mir zu beweisen, dass auch ich – weiblich – Bosheit in mir hätte. Erst – dummerweise?! – nach 45 Jahren Ehe suchte er mich für einen Streit um einen Cent mal wieder in die Schuld-Ecke zu stellen, nannte mich „ein streitsüchtiges Mistvieh“ und versuchte mich – als Beifahrerin – zu ohrfeigen.
Ich durfte ihm nicht erklären, dass meine an Grauem Star erkrankten Augen an der Tanksäule nur den letzten Cent-Strich - von der Sonne geblendet - sehen konnten. Also hatte ich ihm lieber noch einen Cent hingelegt (hatte er doch eine volle Zahlsumme getankt), als dass der zu wenig Geld an der Tankstellenkasse gehabt hätte. Damit hätte ich ihn blamieren wollen!! Welch ein Irrsinn.
Das Ohrfeigen gelang natürlich nicht. Doch das böse Schimpfwort, für das es nicht den geringsten Grund gab, hatte in meinem Herzen einen tiefen Riss verursacht. Ich fürchtete nun meinen Mann, würde er zukünftig seine Wut auf Frauen auch in körperlichen Angriffen auf mich heraus lassen? Er begann, mich in jeder möglichen Art zu demütigen. War das seine inzwischen ausgewachsene Alkoholsucht?
Ich begann – nun endlich – mich zu schützen, mich selbst wichtig zu nehmen. Meine Kinder waren dank des väterlichen Verhaltens jung aus dem Haus geflüchtet. Meinen Mann konnte ich nicht vor seinen eigenen mütterlichen Erlebnissen schützen. JETZT musste ich mich schützen! Nach diesem hässlichen 1-Cent-Streit floh ich zu meiner Tochter. Sie besorgte mir einen ersten Rechtsanwaltstermin sowie eine Therapeutin. Ich erfuhr, welche Rechte ich bei einer Trennung hatte. Mir wurde auch klar, dass mein Mann sich im Großvateralter immer noch wie ein ungeliebter, protestierender Fünfjähriger verhielt. Seine Empathie war wohl lebenslang auf der Strecke geblieben …
Und dennoch hatte ich ein gutes halbes Jahr später, als ich endgültig ging, ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn sterbenskrank zurückgelassen, heimlich mich davon gemacht hatte. Die Kraft dazu gaben mir meine Tochter und mein Schwiegersohn, aber vor allem auch die oft wiederholte Aussage meines Mannes: „... meine Gesundheit geht dich nichts an!“ Er wollte mein Hilfe in seiner Krebserkrankung nicht! Ich durfte nicht für ihn da sein.
Stattdessen konnte ich in den zehn folgenden Jahren all die kleinen oder größeren erhaltenen Herzenswunden so langsam heilen lassen. Mein Zorn auf IHN wandelte sich in Mitleid, denn auch er war wohl psychisch krank wie seine Mutter. Aber er musste nicht wie sie 25 Jahre in einer geschlossenen Psychiatrie leben … Das war schon in jungen Jahren seine größte Angst!
Darf ich jetzt auf eine Aufnahme in den Himmel hoffen? Ich glaube nicht an einen solchen Himmel! Und wenn man auf Erden schon seine Hölle erlebte – wohin gelangt die eigene Seele dann nach dem irdischen Tod? Man tritt seine selige, schmerzfreie Ewigkeit an, man darf vielleicht in sein eigenes ewiges Nirwana …
Kommentare (6)
Jede Seele hat ihren eigenen Himmel, aber nur solange sie ihn in sich trägt, abseits von aller profan-menschlicher Vorstellung, jedweder Religion oder bildhaft beschreibbarer „Vorgabe“. Aber den Weg „zurück“ in seinen ursprünglichen Herkunftshimmel zu finden, ist nun mal die im Erdenleben wichtige Aufgabe, die wiederum ein jeder für sich selbst erkennen und zielstrebig lösen muss. Es geht also nicht darum, auf eine "Aufnahme in den Himmel hoffen" zu können, denn dies muss man sich bewusst erwerben.
Wohl dem, der sich dies zum klar bewussten Wegesziel machen kann...
...meint
Syrdal
@Syrdal
Damit hast Du vollkommen Recht, lieber Syrdal.
Das wichtigste im Leben ist, die Aufgaben, die sich stellen, so gut es geht eben zu bewätigen. Nicht, "um in den Himmel zu kommen", sondern durch das eigene Tun mit seinem Leben denen, die einem anvertraut sind, das Dasein so gut gelingen zu lassen, wie es eben möglich ist.
Zumeist betrifft es ja die eigenen Lieben. Aber auch denen man begegnet. Und es macht ja sogar Freude, zu erleben, wie etwas gelingt oder die Kinder auf diese Weise ihr Leben gut bewältigen meint auch
Uschi
Es ist und bleibt ein Geheimnis, liebe Uschi, was nach unserem Tode passiert. Und jeder Mensch hat da sicher seine eigenen Vorstellungen davon. Ebenso wird jeder unter "in den Himmel kommen" sich etwas anderes vorstellen. Und über diese Vorstellungen lässt sich nicht diskutieren, weil es letzten Endes eben niemand weiß. Auch dafür, warum manche Menschen ein besonders schweres Schicksal haben und andere scheinbar leichter durchs Leben kommen, wird man die Gründe nicht finden können. Da stößt der Mensch einfach an seine Grenzen. Bestimmen kann er nur, wie er damit umgeht, aber abwenden kann er vieles nicht.
Ich bin mir sehr sicher, dass das, was mit uns nach unserem Tode passiert, nichts mit Religion, Konfession oder gar der Kirche zu tun hat, bzw. mit dem, was dort vermittelt wird.
Dir alles Gute und herzlichen Gruß
Brigitte
@Roxanna
Ich hab mal gehört, liebe Brigitte, dass unsere Altvorderen darauf achteten, wenn ein Mensch dem Sterben nahe war, dass man das Fenster im Sterbezimmer offen hielt, damit die Seele, wenn sie dann den Körper verließ, nach draußen fliiegen könne. Sie sollte die Möglichkeit haben, sich mit der großen, weltweiten Seele vereinigen zu können.
Das mag für den einen oder anderen etwas mit Glauben zu tun haben, aber sicher nicht mit einer betimmte Religion oder Glaubensrichtung. Es ist eine schöne, für mich eine beruhigende Vorstellung ... Der Teil eines großen, Ganzen zu werden, gefällt mir ...
Danke für Dein Lesen, Deinen Kommentar freut sich
Uschi
Man tritt seine selige, schmerzfreie Ewigkeit an,
man darf vielleicht in sein eigenes ewiges Nirwana …
So denke ich auch!
Des Lebens Kampf ist dann zu Ende,
vorbei ist aller Erdenschmerz.
Alles Gute wünscht Dir
Seija
Hermann Hesse, selbst aus einem zutiefst religiösen Hause stammend, vermittelt uns mit seinem Gedicht kein übersinnliches Versprechen, sondern eine optimistische Lebenshaltung.
"Stufen" verstehe ich als Aufmunterung und lebensbejahend.
Was Du erlebt hast, musst Du nicht verantworten. Weil, es wurde Dir ja angetan.
Wohl kaum einer weiß, wieviel Zeit ihm noch bleibt. Du hast es doch schon geschafft, Dich von einer erdrückenden Last zu befreien. "Wohlan denn Herz, nimm Abschied und gesunde!"
Und nun lebe!
dafür alles erdenklich Gute!
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
(Hermann Hesse 1877-1962)