Fernando findet die Liebe seines Lebens
Fernando ist der Fahrer des Busses der Linie 1, der einzigen Buslinie. Das ist die Route in Caraguatatuba, die rechts herum immer an den langen weißen Stränden entlangführt. Fischerboote sind auf den Sand gezogen und man entlädt den Fang der vorigen Nacht und sortiert und flickt die Netze. Dazwischen Kinder, die unbeeindruckt von der flirrenden Hitze einem Fußball nachjagen.
Einige Frauen mit Einkaufstaschen steigen hier aus. Es ist zwar keine Haltestelle hier, aber Fernando hält mal eben, denn direkt an der Straße unter den Palmen haben einige der Fischer ihren Fang auf einem Mäuerchen ausgelegt. Man hält ein ausgedehntes Schwätzchen und einige Fische wechseln den Besitzer. Dann noch ein paar Besorgungen auf dem Weg zur Straße, die parallel zur Strandstraße durch das Städtchen geht. Hier kommt Fernando mit seinem Bus nach geraumer Zeit wieder vorbei, wenn er auf dem Rückweg seines Rundkurses ist.
Grün-gelb gestrichen ist der Bus, in den brasilianischen Nationalfarben, verziert mit wunderschönen Bildern von ausladenden Bahianerinnen in ihren weißen Trachten. Und mit weisen Sprüchen zur Erbauung und Ermahnung vorbeikommender Leser. Natürlich ohne Fensterscheiben und mit offenen Türen, damit der frische Seewind hindurchstreichen kann. Geduldig rappelt der Bus seine Tour ab, die je nach den Umständen fast eine Stunde dauert. Fernando kennt die Tücken der Straße und die Schlaglöcher. Man kennt sich seit Jahren, auch die Fahrgäste sind immer dieselben an immer denselben Haltestellen.
Auf einmal steht sie da, am Straßenrand, unübersehbar:
Eine Morena wie aus dem Bilderbuch! Eine Pracht schwarzer Löckchen umrahmt das hübsche milchkaffeefarbene Gesicht unter dem ausladenden Hut. Der Schatten ist ja so wichtig, man darf auf keinen Fall Sonne abbekommen, denn jede Nuance mehr an Bräune mindert die Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg durch Heirat. Sie ist schlank, gegürtet mit einem roten breiten Band, genauso wie um den Hut. Und das vom Meerwind leicht gebauschte Mousselinkleid umschmeichelt die zarte Figur und das schönste Hinterteil zwischen Rio und Santos.
Fernando steigt in die Bremsen, dass die Fahrgäste durcheinander wirbeln. Dann legt er bedächtig seine Busfahrermütze auf das Armaturenbrett, streicht seine Haare zurecht, öffnet die oberen Knöpfe seines neuen Hemdes und steigt aus. Aufmerksam begleitet er die Senhorita zwischen den Schlaglöchern hindurch über die Straße und bringt sie wohlbehalten zum Bürgersteig auf der anderen Seite. Dort verwickelt er sie umgehend in eine Unterhaltung, er gestikuliert, preist offenbar seine Vorzüge an, bewundert sie, tätschelt ihre Händchen, schmeichelt ihr. Wenn man auch nichts versteht, die Handbewegungen und sein schmachtender Blick sagen alles.
Schlicht gesagt, er versucht, sie um den Finger zu wickeln.
Im Bus verfolgt man still und aufmerksam seine Bemühungen. Schließlich legt er seinen Arm um ihre Taille und beide verschwinden in der nächsten Gasse.
Niemand sagt etwas!
Wozu auch!
Man wartet noch ein paar Minuten, schließlich steht ein Mann auf und setzt sich auf den Fahrersitz, startet den Bus und fährt die Haltestellen wie gewohnt ab. Man steigt ein und aus wie immer. Da Fernando nicht da ist, wird auch nicht gezahlt. An einer Haltestelle steigt der Passagierbusfahrer aus. Eine resolute Vierzigerin übernimmt das Steuer für einige Abschnitte. Es ist wie immer drückend schwül. Aber um diese Jahreszeit ist an einen kühlenden Regenschauer nicht zu denken. Man döst vor sich hin, fächelt sich Luft zu, schaukelt mit den Bewegungen des Busses hin und her und schaut ins Leere. Ein mehrfacher Fahrerwechsel steht noch an, bevor sich der Bus wieder der Haltestelle nähert, in deren Nähe Fernando die Liebe seines Lebens gefunden hat.
Und wer steht da und wartet auf den Bus?
Fernando!
Sieht ein bisschen ramponiert aus: der Gute. Sein Kragen ist eingerissen, etliche Knöpfe seines schicken Hemdes fehlen und seine Gesicht zeigt heftige Kratzspuren.
Schweigend steigt er ein, geht zum Fahrersitz, den man bereitwillig freimacht, setzt seine Fahrermütze auf und die unterbrochene Tour fort.
Keiner sagt etwas!
Wozu auch!
Und ab jetzt wird auch wieder kassiert.
Castellanos
Einige Frauen mit Einkaufstaschen steigen hier aus. Es ist zwar keine Haltestelle hier, aber Fernando hält mal eben, denn direkt an der Straße unter den Palmen haben einige der Fischer ihren Fang auf einem Mäuerchen ausgelegt. Man hält ein ausgedehntes Schwätzchen und einige Fische wechseln den Besitzer. Dann noch ein paar Besorgungen auf dem Weg zur Straße, die parallel zur Strandstraße durch das Städtchen geht. Hier kommt Fernando mit seinem Bus nach geraumer Zeit wieder vorbei, wenn er auf dem Rückweg seines Rundkurses ist.
Grün-gelb gestrichen ist der Bus, in den brasilianischen Nationalfarben, verziert mit wunderschönen Bildern von ausladenden Bahianerinnen in ihren weißen Trachten. Und mit weisen Sprüchen zur Erbauung und Ermahnung vorbeikommender Leser. Natürlich ohne Fensterscheiben und mit offenen Türen, damit der frische Seewind hindurchstreichen kann. Geduldig rappelt der Bus seine Tour ab, die je nach den Umständen fast eine Stunde dauert. Fernando kennt die Tücken der Straße und die Schlaglöcher. Man kennt sich seit Jahren, auch die Fahrgäste sind immer dieselben an immer denselben Haltestellen.
Auf einmal steht sie da, am Straßenrand, unübersehbar:
Eine Morena wie aus dem Bilderbuch! Eine Pracht schwarzer Löckchen umrahmt das hübsche milchkaffeefarbene Gesicht unter dem ausladenden Hut. Der Schatten ist ja so wichtig, man darf auf keinen Fall Sonne abbekommen, denn jede Nuance mehr an Bräune mindert die Chance zum gesellschaftlichen Aufstieg durch Heirat. Sie ist schlank, gegürtet mit einem roten breiten Band, genauso wie um den Hut. Und das vom Meerwind leicht gebauschte Mousselinkleid umschmeichelt die zarte Figur und das schönste Hinterteil zwischen Rio und Santos.
Fernando steigt in die Bremsen, dass die Fahrgäste durcheinander wirbeln. Dann legt er bedächtig seine Busfahrermütze auf das Armaturenbrett, streicht seine Haare zurecht, öffnet die oberen Knöpfe seines neuen Hemdes und steigt aus. Aufmerksam begleitet er die Senhorita zwischen den Schlaglöchern hindurch über die Straße und bringt sie wohlbehalten zum Bürgersteig auf der anderen Seite. Dort verwickelt er sie umgehend in eine Unterhaltung, er gestikuliert, preist offenbar seine Vorzüge an, bewundert sie, tätschelt ihre Händchen, schmeichelt ihr. Wenn man auch nichts versteht, die Handbewegungen und sein schmachtender Blick sagen alles.
Schlicht gesagt, er versucht, sie um den Finger zu wickeln.
Im Bus verfolgt man still und aufmerksam seine Bemühungen. Schließlich legt er seinen Arm um ihre Taille und beide verschwinden in der nächsten Gasse.
Niemand sagt etwas!
Wozu auch!
Man wartet noch ein paar Minuten, schließlich steht ein Mann auf und setzt sich auf den Fahrersitz, startet den Bus und fährt die Haltestellen wie gewohnt ab. Man steigt ein und aus wie immer. Da Fernando nicht da ist, wird auch nicht gezahlt. An einer Haltestelle steigt der Passagierbusfahrer aus. Eine resolute Vierzigerin übernimmt das Steuer für einige Abschnitte. Es ist wie immer drückend schwül. Aber um diese Jahreszeit ist an einen kühlenden Regenschauer nicht zu denken. Man döst vor sich hin, fächelt sich Luft zu, schaukelt mit den Bewegungen des Busses hin und her und schaut ins Leere. Ein mehrfacher Fahrerwechsel steht noch an, bevor sich der Bus wieder der Haltestelle nähert, in deren Nähe Fernando die Liebe seines Lebens gefunden hat.
Und wer steht da und wartet auf den Bus?
Fernando!
Sieht ein bisschen ramponiert aus: der Gute. Sein Kragen ist eingerissen, etliche Knöpfe seines schicken Hemdes fehlen und seine Gesicht zeigt heftige Kratzspuren.
Schweigend steigt er ein, geht zum Fahrersitz, den man bereitwillig freimacht, setzt seine Fahrermütze auf und die unterbrochene Tour fort.
Keiner sagt etwas!
Wozu auch!
Und ab jetzt wird auch wieder kassiert.
Castellanos
Kommentare (7)
castellanos
Hallo Margarit,
spielte natürlich in Brasilien, an der Küste zwischen Rio de Janeiro und Santos. Dort liegt auch die Stadt Caraguatatuba, heute eine große Stadt mit Hochäusern und vielen Buslinien, früher gabs noch nicht einemal eine Straße zwischen Santos und Rio. Man fuhr auf den langen Sandstränden entlang.
Gruß
Castellanos
spielte natürlich in Brasilien, an der Küste zwischen Rio de Janeiro und Santos. Dort liegt auch die Stadt Caraguatatuba, heute eine große Stadt mit Hochäusern und vielen Buslinien, früher gabs noch nicht einemal eine Straße zwischen Santos und Rio. Man fuhr auf den langen Sandstränden entlang.
Gruß
Castellanos
ehemaliges Mitglied
ich sass ja fast mit im Bus,
so anschaulich und liebenswert hast Du geschrieben.
Es geht auch ohne Fahrer mit dem Bus voranzukommen.
Danke für dieses Erlebnis, schmunzel noch immer.
MargArit
so anschaulich und liebenswert hast Du geschrieben.
Es geht auch ohne Fahrer mit dem Bus voranzukommen.
Danke für dieses Erlebnis, schmunzel noch immer.
MargArit
omasigi
Castellano,
wirklich gut geschrieben und beschrieben diese Mentalirät in Südamerika.
Bis Bahia bin ich noch nicht rauf gekommen. Doch könnte dies
auch so ähnlich in PY abgehen, zwar nicht am Strand doch im Landesinnere.
Es stimmt auf jedenfall, dass die Morenos und die Morenas peinlich darauf achten, dass die Haut keine Sonne abbekommt. Ja sie wundern sich, dass wir Europäer so wild drauf sind braun zu werden.
In Deutschland ist vieles nicht möglich was dort mit einem wissenden lächeln schweigend akzeptiert wird. Das macht diese Länder auf jeden Fall für mich so liebenswert.
Deine Geschichte weckte etwas Heimweh bei mir, denn ich bin erst wieder ende Febr. zuhause.
Hasta la vista
omasigi
omasigi(omasigi)
wirklich gut geschrieben und beschrieben diese Mentalirät in Südamerika.
Bis Bahia bin ich noch nicht rauf gekommen. Doch könnte dies
auch so ähnlich in PY abgehen, zwar nicht am Strand doch im Landesinnere.
Es stimmt auf jedenfall, dass die Morenos und die Morenas peinlich darauf achten, dass die Haut keine Sonne abbekommt. Ja sie wundern sich, dass wir Europäer so wild drauf sind braun zu werden.
In Deutschland ist vieles nicht möglich was dort mit einem wissenden lächeln schweigend akzeptiert wird. Das macht diese Länder auf jeden Fall für mich so liebenswert.
Deine Geschichte weckte etwas Heimweh bei mir, denn ich bin erst wieder ende Febr. zuhause.
Hasta la vista
omasigi
omasigi(omasigi)
castellanos
Frohe Weihnachten, Medea,
Du hast recht, so eine Geschichte könnte nie in Deutschland geschehen.
Sie ist jedoch für die brasilianische Mentalität normal. Allerdings liefe das heute auch etwas anders ab, das war vor 50 Jahren!
Aber wegen der Knöpfe findest Du heute noch immer jemanden, der Dir das umsonst macht, einfach weil Du ein wenig Zeit und ein Lächeln für den anderen inverstierst.
Gruß
castellanos
Du hast recht, so eine Geschichte könnte nie in Deutschland geschehen.
Sie ist jedoch für die brasilianische Mentalität normal. Allerdings liefe das heute auch etwas anders ab, das war vor 50 Jahren!
Aber wegen der Knöpfe findest Du heute noch immer jemanden, der Dir das umsonst macht, einfach weil Du ein wenig Zeit und ein Lächeln für den anderen inverstierst.
Gruß
castellanos
Medea †
Eine Geschichte die jeden der sie liest lächeln läßt.
Mit einer sehr sympathischen Leichtigkeit erzählt, mir
hat sie gefallen. Vielleicht ist sie auch nur unter südlicher Sonne möglich - bei der nächsten Schönen wird der
feurige Fernando wieder sein Glück versuchen, seine
Fahrgäste tolerieren diese kleinen Eskapaden.
Doch wer näht ihm nun die abgerissenen Hemdknöpfe
wieder an?
Mit einer sehr sympathischen Leichtigkeit erzählt, mir
hat sie gefallen. Vielleicht ist sie auch nur unter südlicher Sonne möglich - bei der nächsten Schönen wird der
feurige Fernando wieder sein Glück versuchen, seine
Fahrgäste tolerieren diese kleinen Eskapaden.
Doch wer näht ihm nun die abgerissenen Hemdknöpfe
wieder an?
was die Mentalität angeht, ist das Leben viel einfacher als hier in Deutschland.
Sind die Pferde auf Eurer Fazenda? Gefällt mir sehr.
Ich war 6 Jahre in Brasilien tätig.
Gruß
Castellanos