Elternglück
Wenn ich mit meinen Freunden zu einer Kneipentour im Berliner Zentrum verabredet bin, lasse ich stets mein Auto zu Hause.
Ich gönnte mir also auch neulich wieder eine Beförderung mit der S-Bahn. In dem Abteil, das ich mir ausgesucht hatte, saßen nur wenige Leute.
Da war ein junges Pärchen, das sich eng umschlungen hielt und die Welt ringsum vergessen zu haben schien. Mir schräg gegenüber saß ein Mann, der einen kleinen Jungen auf dem Schoß hatte. Das Äußere des Mannes ließ sehr zu wünschen übrig. Die Haare hingen ihm wirr ins Gesicht, das ehemals weiße Hemd wies viele schwarze Stellen auf, und im Gesicht hatte er mehrere Schwellungen.
Plötzlich saß der kleine Junge auf dem Platz mir gegenüber. "Na, mein Lieber, möchtest du lieber hier rausgucken?" fragte ich ihn. Ich glaube, dass ich dem Kind damit keinen Anlass zu aggressivem Verhalten gegeben habe, doch kaum hatte ich ausgesprochen, da saß er schon auf meinem Schoß und holte aus dem Abfallbehälter eine Bananenschale hervor, die er mir in den Hosenbund steckte. Ich war noch im Schock, da schnitt er mir mit einem Taschenmesserchen ein Stück meines neuen Schlipses ab. Ich wollte laut aufschreien, da steckte er mir eine Hand voller rostiger Nägel in den geöffneten Mund und schlug mir gleichzeitig mit einem Hämmerchen auf meine linke Kniescheibe.
Nun reichte es mir aber. Ich nahm den missratenen Knaben am Schlafittchen und setzte ihn dahin, wo er hergekommen war. Dann hielt ich dem Mann, der nicht in der Lage war, den Jungen zu erziehen, die Bananenschale vors Gesicht und schrie: "Mann, das ist ja das dollste Ding, was mir je passiert ist! Zu meiner Zeit hätte man den Bengel aber übers Knie gelegt und den Vater gleich mit."
Der junge Mann zuckte bei jedem meiner Worte zusammen. Ich sah sogar Tränen in seinen Augen, als er ganz schwach erwiderte: "Aber ich bin doch gar nicht der Vater!"
"Ihre verworrenen Familienverhältnisse interessieren mich überhaupt nicht!", rief ich erregt, setzte mich wieder und beobachtete, wie sich der Kleine erneut an seinem angeblichen Nicht-Vater zu schaffen machte.
Als der Zug im Bahnhof Alexanderplatz hielt, stand das bereits erwähnte Liebespärchen auf, ging zur Tür und die Frau rief dem Jungen zu: "Jacques-Boris, steigst du nu mit uns aus oder möchtest du dir noch ein bisschen mit die Onkels beschäftigen?"
Kommentare (8)
Leider habe ich selbst schon die Erfahrung gemacht, dass es manchen Eltern ziemlich egal ist, wie ihre Kinder sich in der Öffentlichkeit aufführen. Oder noch schlimmer: Sie heißen es sogar gut, dass sie ein so "aufgewecktes" Kind haben.
LG
Virginia
Lasst mich bitte zur Sicherheit hinzufügen, dass es sich hier um eine erdachte Geschichte handelt, die zwar auf eigenen Erfahrungen beruht, sich aber genau so niemals zugetragen hat.
Wilfried
...ja, lieber Wilfried, das habe ich mir schon gedacht... aber so oder so ähnlich kann man Verhalten von Kids hin und wieder sehen und das nicht nur in Berlin.
Leider !
Kristine
Nun könnte man ja sagen..."det is Balin"...aber so einfach ist es dann doch nicht.
Daran sieht man wieder mal deutlich, was eben Erziehung ausmacht. Kinder brauchen einen Rahmen und Regeln, in denen sie sich bewegen und ausprobieren können.
Haben sie das nicht - können machen, was sie wollen - kommt genau das heraus. Der Junge kann einem Leid tun, weiß ja noch garnicht, was sein "Eltern" ihm antun.
Da kann man nur hoffen, dass er nicht eines Tages ganz abdriftet...
Kristine
Und dann steht man dem Ganzen machtlos gegenüber. 😖
Bei einem derartigen Verhalten (das der Eltern und des Kindes, wobei das am Wenigsten dafür kann) könnte einem schon die Hand ausrutschen. Ich bin zwar kein Befürworter der Prügelstrafe, aber manchmal könnte es nicht schaden. 😖
a-k-J
Erst jetzt habe ich den Untertitel gelesen, da war mein Kommentar also ein wenig daneben. :) Trotzdem habe ich mich gerne mal wieder dazu geäussert, dass die moderne Pädagogik, oder eher, ein Mangel daran, einfach eine Katastrophe ist.
In den 70. Jahren war ich mal in der ehemaligen DDR als Kinderbetreuerin in einem Ferienlager. Der deutsche Lagerleiter, mit seinen 26 Jahren nicht viel älter als wir drei unerfahrene Betreuerinnen, hat uns manches beigebracht, wovon ich vieles dann auch tat.
Vor allem meinte er, dass es Kinder gar nicht brauchen, dass man ihnen immer wieder eine Wahl lässt. Sie mögen Betreuer (Eltern, Lehrer, usw.), die etwas vorschlagen können, wissen genau, wieso gerade so etwas, und wenn nötig (Gesundheit, Sicherheit), können sie sich durchsetzen, ohne zu fürchten, dass sie etwa des Kindes Würde gleich kränken... :)
Mit Grüßen
Christine
😄😅😉Aua
Danke für den Lacher