Die Sache mit dem „Ditschen“ feiert ein kleines Jubiläum


Die Sache mit dem „Ditschen“ feiert ein kleines Jubiläum

Vor 110 Jahren war König Friedrich August III. auf der Hofewiese

Die Radeberger Zeitung brachte es am 4. Juni 1907 unter der Rubrik „Aus Stadt und Land“. Eben eine jener Anekdoten, die auch noch viele Jahrzehnte nach ihrem Entstehen in Sachsen bekannt ist. Hier geht es um das „Ditschen“, jene Form des „Eintunkens eines Lebensmittels in eine Flüssigkeit“ wie es korrekt in der Germanistik beschrieben wird.

König Friedrich August III. war mit seinen Kindern am 2. Juni 1907 auf der Langebrücker Hofewiese, setzte sich unter das Volk und empfahl einem seiner Söhne den etwas trockenen, und dadurch schon härter gewordenen Streuselkuchen „einzutunken“. So schrieb es der Redakteur auf, offensichtlich das Wort „Ditschen“ oder „Didschen“ vermeidend. Denn es galt auch in einer Regionalzeitung als unschicklich „dem Volke aufs Maul zu schauen“ oder gar den König mit sächsischen Ausdrücken ins Gerede zu bringen, es war eine Art Selbstzensur.

Diese Anekdote wurde später in das Büchlein „100 Anekdoten um Friedrich August“ aufgenommen und das Zeugnis des Vorgangs konnte von mir im Radeberger Stadtarchiv an das Tageslicht geholt werden. „Ditschen“ ist ein uraltes sächsisches Wort und stammt aus der bäuerlichen Gewohnheit auch älteres, schon hart gewordene Backware, sei es Brot oder Kuchen, in die Milchsuppe, seit etwa 1700 auch in den Kaffee einzutunken oder eben im typischen Sächsisch „einzuditschen“. Das Einditschen ist zugleich auch ein Verweis auf den früheren Zahnstatus, denn wer hatte schon älter geworden, noch ein starkes, vollzähliges Gebiss.

Das „Ditschen“ um Friedrich August III. ist auch noch in einer zweiten Anekdote wiedergegeben. Seit dem 4. Mai 1908 kehrte Sachsens König mit seinen Söhnen mindestens einmal im Jahr in die Hoflößnitz (Radebeul) ein. Bei einem Ausflug mit seinen Kindern in die Sektkelterei Bussard fehlte aus gesundheitlichen Gründen die strenge Erzieherin, Freifrau von Fritsch. Es gab Kaffee und Kuchen und Friedrich August III. sagte zu seinem Nachwuchs „Heude fehld dä Fridschn, heude dürfn mer didschen!“

Sachsens König hatte eine ausgesprochen verinnerlichte Art die sächsische Mundart zu gebrauchen. Durch und durch bürgerlich eingestellt, friedfertig und den sächsisch- meißnischen Mutterwitz vor sich hertragend, gelang es ihm auch manchmal mit einer offiziellen aber eher diplomatischen Unbeholfenheit eine Frage zu stellen oder eine Antwort parat zu haben. So erwiderte er in Berlin bei seinem Besuch des deutschen Kaisers, als dieser Sachsens König huldigen wollte, „Der Dermin basste gerade mit der Hundeausstellung zusammn“. Was ihm im Volk beliebt machte, war sein unermüdliches Umherreisen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Das da unsere unmittelbare Gegend am Häufigsten den König zu Gesicht bekam, war ja naheliegend. Allein im Monat April 1907 sind sechs private Ausritte in die Dresdener Heide verzeichnet und dann eben jenes Ereignis vom 2. Juni.

2012 wurde das „Didschen“ sächsisches Wort des Jahres. „Ä Duhword und vor allem eene sächsische Weldanschauung“ wie es in der Laudatio hieß. Eingetaucht, versenkt, getunkt, eingeweechd, neingemehrt, underdriggt bis es labbrisch feucht und bissbabsch trieft, um es dann schlürfend zu vertilgen. So weern eben de härdesten Sachen weech. Und damit ist auch die Hofewiese vor 110 Jahren praktisch ins Gerede gekommen und im wahrsten Sinne des Wortes geadelt worden.
Hans-Werner Gebauer, Langebrück, im Mai 2017

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