AUS EINER "SEEREISE" WURDE EIN "HORROR TRIP"
Episode aus:"Mein Traum frei zu sein"
Am 19. Dezember 1963 lagen wir zwischen „QUEEN ELISABETH“ und „QUEEN MARY“ am Pier, über alle Masten geflaggt, und der „Blaue Peter“ war gesetzt.
Die „LAKONIA“ mit dem total weißen Outfit sah aus als wäre sie aus Puderzucker gegossen. Sie brauchte sich zwischen den beiden Königinnen nicht zu schämen und war bereit, ihre 18. Reise anzutreten. Die Passagiere waren voller Erwartung an Bord gekommen und man sah die blassen Gesichter. Elf Tage sollten die Passagiere ein schönes Leben an Bord haben. Dafür würden wir, die Besatzung, sorgen. Die Bordkapelle spielte, wie jedes Mal beim Auslaufen, das Lied „Muss i denn zum Städtele hinaus…“ Champagner, Hummer und Kaviar, nicht zu vergessen die anderen Köstlichkeiten sollten auf dieser Weihnacht-Reise nicht fehlen.
In England stand in den Prospekten, dass diese Reise ein jeder bis an sein Lebensende nicht vergessen würde.
Später sollte sich dieser Werbespruch verdammt bestätigen!
Wir waren über eintausend Menschen an Bord. Unser erster Stopp sollte MADEIRA sein, danach die KANAREN,Weihnachten auf TENERIFFA, und Neujahr auf GRAN-CANARIA. Elf unvergessliche Tage auf einem wunderschönen Schiff.
Es war der dritte Tag, wir hatten Madeira verlassen und waren unterwegs nach Teneriffa.
In der Küche war Hochbetrieb, denn es gab ein vorweihnachtliches Galadinner, auch die Patisserie hatte schon viel vorbereitet.

Es war der Abend des 22. Dezember 1963 - auf den Tag genau einen Monat nach Kennedys Ermordung und ein Jahr, nachdem ich die Beatles im Star-Klub getroffen hatte.
Ein riesengroßer Weihnachtsbaum erstrahlte in seinem schönsten Kleid aus Lametta und bunten Lichterketten.
Im Ballsaal herrschte eine fantastische Stimmung und die Band war bis auf das Küchendeck zu hören.
Es wurde getanzt, gegessen und getrunken. Das Feinste vom Feinsten war diese Nacht auf's Buffet gekommen.
Es fehlte an nichts.
Für das Küchen- und Servicepersonal war der Feierabend gerade eingetreten und jeder war froh, den Tag überstanden zu haben.
In meiner Kabine konnte ich noch keine Feierabendstimmung fühlen und so ging ich noch einmal auf das Mannschaftsdeck, um die herrliche frische Luft einatmen zu können.
Da es doch schon ein bisschen kühl war, hatte ich mir meine lange Jeans und eine Windjacke angezogen.
Eigentlich wollte ich einen Brief und Weihnachtsgrüße an meine Eltern schreiben, doch ich verschob es auf den nächsten Tag. Hauptsache war, dass ich den Brief auf Teneriffa wegschickte, sonst würde er vielleicht erst zu Ostern in den Besitz meiner Eltern gelangen.
Doch auf Weihnachtsgrüße mussten meine Eltern dieses Jahr verzichten, denn ich kam nicht mehr dazu, sie zu Papier zu bringen.
Das leichte Vibrieren der Maschine wiegte einen in einen geborgenen, sicheren Zustand. Man hatte das Gefühl, dass diese vielen Tausend Pferdstärken im Leib des Schiffes nichts aufhalten könnte.
In meine Gedanken versunken, nahm ich plötzlich das Signal für Feuer wahr.
Oh Mann - die Offiziere auf der Brücke konnten sich wohl nichts Dämlicheres einfallen lassen, als einen Feuerdrill nach so einem anstrengenden Tag zu starten.
Vielleicht wollte ein Offizier oder gar der Kapitän einigen Passagieren imponieren und die Macht, die er über das Schiff und die Besatzung hatte, zeigen.
Nach dem Motto: Zu jeder Zeit die Mannschaft Befehlen.
Doch schon kam die Stimme des Kapitäns aus den Lautsprechern, dies sei keine Übung, es wäre ein Ernstfall und jeder sollte auf seine Feuerstation gehen.
Diese Durchsage kam immer wieder und in griechischer Sprache, nicht auf Englisch. Man wollte die Passagiere nicht verängstigen. Soviel Griechisch verstand ich schon. Und wer es nicht in Worten verstand, merkte es bald am Ton der Durchsage oder an der Hektik der griechischen Besatzung, dass da etwas Außergewöhnliches im Gange war.
So schnell es möglich war, lief ich den Niedergang und die nächste Treppe hinab und gelangte zu meiner Feuerstation.
Jetzt kam wieder diese schrille Glocke und die Stimme aus dem Lautsprecher, aber dieses Mal auch auf Englisch.
Alle Crew-Mitglieder sollten auf ihren Stationen bleiben und auf weitere Anweisungen warten.
Die Griechen aus dem Maschinenraum und die von Deck, die mir entgegenkamen, konnten mir auch nicht sagen, was wirklich los war.
Meine Aufgabe war es, dieses schwere Stahlschott von Hand zu schließen. Dafür musste ich eine Kurbel von der Wandhalterung nehmen und sie in die dafür vorgesehene Öffnung stecken und im Uhrzeigersinn drehen, bis sie völlig geschlossen war.
Es war eine ganz einfache Aufgabe mit einem enormen Effekt.
Solche Stahltüren, also Schotten, gab es eine Menge auf dem Schiff, und wenn diese geschlossen waren, hatte das den Sinn, dass das Schiff in einzelne Segmente aufgeteilt war und Wasser oder ein Feuer keine Chance hatten, sich zu verbreiten.
Nur hatte es auch den Nachteil, dass eventuell keiner rauskommt, der sich noch innerhalb des geschlossenen Teils befand.
Und hier, bei meiner Tür, gab es noch ein ganz anderes Problem: Meine Tür ließ sich nicht einen Zentimeter bewegen.
Ich versuchte immer wieder meine Kurbel zu drehen, aber die Tür bewegte sich keinen Millimeter.
Der Verzweiflung nahe untersuchte ich, warum das so war. Das Ergebnis machte mir Angst!
Die Tür hatte eine Art Zahnrad.
Am Boden und im Oberteil der Tür war eine Schiene, in der die nötigen Zacken waren, um die Tür schließen zu lassen.
Durch das Drehen der Kurbel bewegte sich normalerweise das Zahnrad, die Zähne fassten, die Tür ging zu.
Ich sah aber, dass die Mechanik nicht funktionieren konnte, weil die so wichtigen Zahnräder und die Schienen mit Farbe zugekleistert waren. Die Seeleute, die für das schöne Aussehen der „Lakonia“ verantwortlich waren, hatten immer nur Farbe aufgetragen und wieder Farbe, bis die Zahnräder total zugelaufen waren.
Das ganze Schiff war immer nur mit weißer Farbe angemalt worden, von innen wie auch von außen - und das rächte sich jetzt! Sollten wir wirklich ein Feuer an Bord haben, dann gute Nacht!
Die vielen Farbschichten würden eine gute Nahrung für das Feuer sein.
Wieder kam die Aufforderung, dass die Besatzung auf ihren Posten bleiben sollte.
Dafür wurden die Passagiere gebeten, sich ohne Panik zu ihren „Meeting Points“ zu begeben, um sich die ausgeteilten Schwimmwesten anzulegen.
Was sollte ich hier unten noch tun? Hier war es sinnlos auf weitere Order zu warten, ich musste nach oben.
Vielleicht brauchte man mich an einer anderen Stelle..
Die „Lakonia“ war mit 24 Rettungsbooten ausgerüstet und diese konnten 1500 Personen fassen.
Diese Berechnung galt natürlich nur, wenn das Schiff keine Schlagseite hatte und alle Boote zu Wasser gelassen werden konnten.
Doch wenn das Schiff eine starke Kränkung hat, kann man nur die Hälfte zu Wasser bringen. Panik verbreitete sich inzwischen auf dem ganzen Schiff. Die Situation verschlimmerte sich, denn nun kam der Rauch durch die Gänge und brachte noch mehr Aufregung unter die Passagiere und auch unter manche Besatzungsmitglieder.
Die Stimme aus dem Lautsprecher wies immer wieder darauf hin, dass es genug Platz in den Booten gäbe und nur durch ein umsichtiges Vorgehen ohne Panik alle in die Boote kämen.
Der Trieb in einem ist wohl stärker als die Vernunft.
Menschen in Panik reagieren nicht besonnen, da möchte jeder der Erste sein, auch wenn er gar nicht weiß, wo er hin will.
Die Nachricht, dass Feuer auf dem Schiff ausgebrochen sei, machte es nicht leichter, die Leute zu kontrollieren.
Das Durcheinander wurde immer größer.
Inzwischen war ich auf meinem Deck angekommen und versuchte mit meiner Stimme jeden zu übertönen.
Die Rettungsboote hingen noch alle in ihren Davids und die Seeleute waren damit beschäftigt, die Abdeckungen zu entfernen.
Wie von Sinnen stürzten sich Passagiere in die noch nicht frei hängenden Boote.
Es waren zu viele in einem Boot.
Auf die Order, dass einige aussteigen sollten, reagierte niemand und so nahm dieser Fehler die Ersten mit in den nassen Tod.
Die Seeleute an den Winschen taten, was sie tun mussten, sie hievten das Boot über die Schiffskante, um es herunter lassen zu können.
Entweder brachen die Schekel der Bootsaufhängung oder die Seile, mit denen die Boote an den Davids hingen.
Eine Seite des Bootes verlor die Halterung und es kippte nach unten. Doch die andere Seite hielt, somit kippte das Boot nach vorne und die Menschen fielen alle in den Atlantik!
Das Heck des Bootes hing noch an einem David.
Ein Aufschrei des Entsetzens kam aus den Kehlen der Umstehenden, dann eine Weile völlige Ruhe und wieder Angstschreie und ein Durcheinander der sich drängelnden Menschen.
Einige Frauen waren in Abendkleider oder Bademäntel gehüllt.
Männer schubsten und versuchten, eine bessere Position an den Booten zu bekommen.
Manche versuchten, an hängenden Strickleitern oder nur an einfachen Tampen an der Bordwand hinab zu gelangen.
Andere wiederum sprangen in Panik einfach über Bord, weil sie den Booten nicht mehr trauten.
Aber auch das war ein tödlicher Fehler!
Die Rettungswesten waren an Bord als Genickbrecher bekannt, denn sie waren aus dicken Korkplatten in Westenform.
Wenn man von so hoch oben ins Wasser sprang, verschoben sie sich nach oben und knallten unter das Kinn.
Dieser Schlag verschob den Kopf mit Gewalt nach hinten und dabei brach das Genick.( Anmerkung de Autors: Diese Westen gibt es nicht mehr!)
Man musste die Weste in der Hand behalten und springen, doch niemand hatte den Passagieren diese Art der Lebensrettung erklärt.
Es war traurig zu sehen, wie so viele Menschen sterben mussten.
Das war doch Wahnsinn und unnötig!
Ich konnte es nicht verhindern.
Inzwischen waren fast alle Boote im Wasser und die Menschen von Bord.
Das hieß aber nicht, dass alle gerettet waren.
Ich sah unten im Wasser noch einige, die sich bemühten auf ein Boot zu kommen oder sich an einem Boot festzuhalten.
Auch waren leblose Körper zu sehen.
Die „Lakonia“ hatte nun schon merklich Schlagseite und der Brand breitete sich aus.
Einige von der Besatzung bemühten sich, noch zögernde Passagiere zu bewegen, von Bord zu gehen.
Wenn nötig mit Gewalt.
Doch das Feuer zwang auch diese letzten, ob sie wollten oder nicht. Einige Offiziere und Mannschaftsmitglieder waren noch an Bord, doch auch wir mussten das Schiff verlassen, da die allerhöchste Gefahr einer Explosion bestand.
Irgendwo hatte ich meine Rettungsweste abgelegt, doch nun fand ich sie nicht mehr.
Egal, ich musste von Bord.
Das war eine Anordnung vom Kapitän, der nun bei uns stand und sehr verzweifelt aussah.
Diese Verantwortung konnte ihm keiner abnehmen, da musste er durch. Entweder er schafft es oder er geht daran zugrunde, wie sein Schiff garantiert auf den Grund gehen wird.
Ich ließ die Männer - ich glaube alles Offiziere - allein, kletterte über die Brüstung und an einem Tampen, der mit dicken Knoten versehen war, um besseren Griff zu haben, nach unten.
Dann sah ich, was mich ein Leben lang verfolgen soll, durch das Bullauge: Die Kinder in der brennenden Kabine...Solltest Du Appetit auf mehr (MEER) haben, lese mein Buch!
Es grüßt euch
Der Hippguru!

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