Die Geschichte eines Düsseldorfer Hafenkindes und ihrer Zeit..
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5. Fortsetzung.
Die nächtlichen Angriffe in Düsseldorf, die damals noch nicht so furchtbar waren, wie in den folgenden Jahren, waren fast vergessen. Doch dann waren Ruth’s Ferien vorüber und sie musste wieder in die LBA (Lehrer- Bildungsanstalt) nach Jülich zurück.
Tante Helene hatte die Konzession für ein wiedereröffnetes, auf ihren Namen eingetragenes Milchwarengeschäft übernommen, weil der rechtmäßige Eigentümer ein Spieler war und große Schulden hatte.
Sie fuhr den schwarzen stattlichen PKW, wenn sie zum Großhandel fuhr. Vom Einkauf, Buchhaltung, bis zum Marken kleben - Tante Helene machte, wenn es sein musste, alles.
Dafür bekam sie monatlich 50,00 RM und einige Annehmlichkeiten, die zu der damaligen Zeit goldeswert waren. Außerdem hatte sie noch ihre Pension vom Seydlitz, wie sie ihren früh verstorbenen Ehemann zu nennen pflegte. Elena hatte immer genug zu essen. Besonders die frischen Aalchen in Aspik mit Bratkartoffeln und Tomatensalat, hatten es ihr angetan.
Tante Helenes Chefin war eine warmherzige ältere Frau, die regelmäßig verwundete Soldaten im Lazarett in der damals sogenannten Straße der SA, früher Königsstraße, besuchte. Dann durfte Elena mit. Blumen und Süßigkeiten und auch kleine Bücher brachten sie zu den Landsern.
Aber nun war die schöne Zeit zu Ende. Die Tante musste zurück in das Geschäft, die Schwester fuhr ab und Elena musste wieder zur Schule. Als dann der Winter mit großer Kälte kam und der Unterricht oft ausfiel, kam das Heimweh und dann der Entschluss zur Mutter zu fahren .
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Ja, und nun war sie in Kopfing gelandet.
Von der Bahnstation Andorf an geht es in Richtung Kopfing fast nur bergauf. Kopfing liegt oben auf dem Berg. Ein Ort in einer Landschaft, wie aus dem Bilderbuch. Wären nicht die bösen Mädchen gewesen, Elena hätte es sich nicht besser wünschen können. Nun, das war inzwischen auch überwunden. Eigentlich besteht Kopfing aus drei kleinen zusammenhängenden Ortschaften, aus Kopfingerdorf, Götzendorf und aus dem eigentlichen Kopfing. Heute nennt es sich stolz Markt Kopfing.
Damals waren viele Rheinländerinnen mit ihren Kindern dort evakuiert.
Sie waren jung und die meisten auch sehr lebensfroh. Elenas Mutter gehörte mit ihren 47 Jahren zu den wenigen Älteren. Außerdem stand sie, mit ihrer preußischen Erziehung und ihrem schwerem Ostpreußenblut, dem oft bunten Treiben sehr distanziert gegenüber. Ein „Gspusi“ kam für sie nicht in Frage; sie blieb ihrem Heinrich treu. Es machte ihr nur Kummer, dass sie nicht wusste, ob ihr Heinrich in Frankreich genauso dachte.
1943 sollte Elena nach Salzburg übersiedeln. Ihr Vater hatte alle dafür nötigen Formalitäten von Frankreich aus in die Wege geleitet. Sie wurde wegen ihrer hübschen Stimme im Salzburger Mozarteum angemeldet und aufgenommen. Der Koffer war gepackt. Sie hatte sich von der Kopfinger Schule abgemeldet und sich von allen Mitschülerrinnen, einschließlich der Klassenlehrerin und Rektorin, verabschiedet, und alle hatten ihr Glück gewünscht.
Sie stand fertig angezogen und abmarschbereit mit ihrer Mutter in dem Zimmer und dann --- ...dann machte sie das, was ihre Klassenlehrerin mit den Worten quittierte: ”-- Das kannst du nie wieder gutmachen - das wirst du dein ganzes Leben lang bereuen!“
Elena blieb, wo sie war - sie fuhr nicht nach Salzburg ...und manchmal hat sie es bereut.
Sie war die größte Enttäuschung ihres Vaters. Wäre er da gewesen, wäre das bestimmt nicht passiert. Elena hatte wahrscheinlich Angst vor ihrer eigenen Courage gehabt.
Sie ist im Sternzeichen Krebs geboren. Vielleicht hatte sie geahnt, dass nichts daraus werden konnte. Wie hätten die Eltern eine Ausbildung an der renommiertesten Musik-Akademie bezahlen können.
Im “Dritten Reich” war eine Förderung der Begabten möglich.
Nach dem Zusammenbruch des angeblichen ”1000-jährigen Reiches” ging es nur um`s Überleben.
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Ich denke auch manches mal zurück, wie wäre es geworden, wenn ich damals die andere Entscheidung getroffen hätte.
Sehr realistisch die Schilderungen, der Zeit und auch die durchschimmernden moralischen Vorstellungen.
Hochinteressant, ich freue mich auf das nächste Fortsetzung,
mit freundlichen Grüßen,
Traute