Der Zug.
Ich habe einen Zug gesehen! Wirklich, vor Überraschung musste ich zuerst einmal meine Nerven beruhigen. Ein blitzsauberer Zug, hübsch braun und ockerfarben. Und das Wichtigste: Er bewegte sich immer noch auf Schienen! Ich wähnte mich schon auf dem digitalen Gleis des Neuronalen Verkehrsnetzes - aber nein, der Zug fuhr ganz altertümlich ohne jede Digitalisierung wie zu früheren Zeiten auf echten Schienen an mir vorbei. Man stelle sich das nur vor!
Die allgemein übliche prozessgesteuerte Projektierung schien hier noch nicht angelangt zu sein; vielleicht war es ein Überbleibsel aus einer Zeit, die ihre Erfindungen noch hausgemacht auf dem internen Marktplatz offenbarte?
Ich rieche immer noch den Kohlenrauch der Lokomotive der alten Baureihe »50«! Mannomann, das hat mich richtig aufgewühlt, die Wagen aus Großmutters Zeit waren ein anderes Kaliber als die modernen Großraumwagenkathedralen, wie man sie heute sieht.
Jedes dieser blitzsauberen Häuschen auf Rädern, jeweils mit eigenem Balkon - vorn und auch hinten - hatten sogar braune Gardinchen an den Fenstern, man glaubt es kaum. Die Person, die ich am Ende des Zuges bemerkte, war ein richtiger schnurrbärtiger Onkel, der seine blaue Uniform mit der leuchtend rote Mütze stolz der zuschauenden Menge präsentierte. Die kleine Signalpfeife trug er wie einen Verdienstorden an einer Kordel um den Hals. Sie zeichnete ihn aus als einen Mann, der die Macht hatte, den Zug starten zu lassen!
Seine Majestät Wilhelm II. hätte seine wahre Freude an diesem Staatsdiener gehabt, denke ich.
Ja - und dann kam dieser Zug herangeschlichen! Sechs Waggons, einer so schön herausgeputzt wie der andere. Mit lautem Zischen und Prusten hielt die Lokomotive an dem Schild mit dem großen »H«. Eine blitzblanke Maschine; rote Räder, die mit einer Pleuelstange verbunden, dem Zug seinen Antrieb verschafften. Ein wahres Meisterwerk deutscher Maschinenbaukunst, da konnte es keinen Zweifel an der Wertarbeit geben!
Ich wollte nun den Lokführer fragen, woher dieser anspruchsvolle Zug kam - dazu kam es nicht mehr. Ich erwachte schweißgebadet, der schöne neue alte Zug verschwand irgendwo in den Wolken des frühen Morgens ...
©byH.C.G.Lux
Kommentare (5)
Als Kiind reiste ich 1952 öfter mit dem Zug von Ulm nach Lippstadt/Westf. Es war für mich ein spannendes Abenteuer. Ich erinnere z.B. die Einfahrt über die Rheinbrücke zum Bahnhof Köln. Das Tuten der Dampflock und die Fahrt den Rhein entlang, wo ich die Schiffe sah. Lang ist es her.
Eines Tages las ich in der SZ, man könne eine Fahrt mit dem Orient-Express von München nach Venedig buchen. Der Zug fuhr mit Dampflock und ich war Feuer und Flamme und buchte sofort diese nicht ganz preiswerte Reise.
Entgegen der Reisen zur Kindheit war diese Reise der Luxus pur und ich habe es keine Sekunde bereut.
An der Strecke standen häufig Fotografen,um diesen wunderschön restaurierten Zug zu fotografieren.
Ich habe mir das Vergnügen noch zwei weitere Mal gegönnt und kann nur raten, wer historische Züge liebt, der sollte sich eine Fahrt mit dem Orient-Express gönnen.
Lieber Pan, zwar ist Deine anschauliche Beschreibung des alten Dampfzuges, wie wir ihn aus unseren Kindheitsjahren kennen und damals geliebt und bewundert haben, eine hübsche Traumerscheinung… und doch gibt es solche nostalgischen Züge noch heute. In verschiedenen Regionen unseres Landes werden kleine Dampflockstrecken unter großem Aufwand von Zeit, Menschenkraft und Technikpflege von Liebhabervereinen noch heute gepflegt und ab und an sogar noch richtig betrieben.
Lieber Pan,
echt schade um diesen schönen Traum.
In unserer Nachbarstadt Bochum-Dahlhausen gibt es ein herrliches Eisenbahnmuseum.
Jeden ersten Sonntag (in den Monaten April-Oktober) werden dort Fahrten mit alten Dampfloks angeboten. Ein tolles Erlebnis für kleine und große Leute!
Viele Grüße
Rosi65
Welch eine schöne und wertvolle Erinnerung an unsere "alte Zeit"
meine letzte dampfende Lokomotive sah ich im Harz, es war die Brockenbahn und als sie pfiff überrieselte mich die Gänsehaut...
lieber Horst, auch das Foto ist speziell
mit Dank und Gruß
Renate
Ja, liebe Freunde, mir ist bekannt, dass es viele sogenannte "Museumszüge " gibt, wunderschön und ansehenswert. Und mit viel Liebe erhalten.-
Aber das alles ist ein "Nichts" gegen die dampflokbetriebenen Strecken, die es im normalen Bahnverkehr gab. 1949 fuhr ich von Ostfriesland nach Kassel mit mehreren solcher Züge - viermal umsteigen mit jeweils 2 Stunden Aufenthalt zwischendurch! Holzklasse (3Kl.)- und proppevoll! Das war kein Spaß - im Gegenteil zu den heutigen Fahrten mit der "Museumsbahn". Schön? Naja, aus der heutigen Zeit gesehen vielleicht, aber ich weiß nicht so recht ---
Danke, sagt
Horst