Auch Schatten muss sein.


Auch Schatten muss sein.

Unsere Sonne ist der Ursprung unseres Seins. Seit der Mensch denken kann, bis in die heutige Zeit hinein gilt sie und mit ihr das Helle und Strahlende, eben das Licht, als Grundlage des Lebens.
      Nach endlosen Jahrzehnten voller Energie und lebendiger Fantasie bin ich immer noch ein Suchender! Ich schaue über den Äquator meines Lebens hinaus, sehe ich einen Wendepunkt? Der Sturm des Lebens trieb mich ständig weiter. Wohin? Lichtete sich der Nebel jemals, leuchtete irgendwo die Sonne in der Dunkelheit? Ein Blinder fühlt die Dunkelheit, sagte man.
           In meinen Gedanken lag immer alles offen vor mir - und doch sah ich nie ein Ziel? Wo, so fragte ich die dahinziehenden Wolken, wo ist das Licht am Ende der Zeit? Ich versuchte nun, auf meine Seele zu hören. Auf die Laute, die mir die Vergangenheit vorsingt, auf die Melodie meines Daseins. Aber es kam kein Ton von innen, kein Wort des Erkennens. Suche ich vielleicht nach einer Antwort, der gar keine Frage vorausgeht? Ich finde diese Antwort jedenfalls nicht.
           Müsste ich heute wählen, taub oder blind zu sein, würde ich vielleicht Taubheit bevorzugen. Man hört oftmals mit den Augen mehr als mit den Ohren. Der Hintergrund aller menschlichen - und damit auch meiner eigenen - Gedanken ist der Schattenvorhang des Gewissens!
      Öffnet sich dieser Vorhang irgendwann, liegen alle Gedanken offen im Scheinwerferlicht der Bühne ausgebreitet. Deshalb bleiben die Plätze im Theater des Lebens auch so oft leer, weil die Resonanz aller Besucher ihnen rigoros die eigenen Fehler und Schwächen aufzeigen würde.
      Wir brauchen doch immer das Licht. Alle Spots an, noch mehr Scheinwerfer. Es werde hell, denn die Dunkelheit zeigt uns nicht die Wahrheit, sie kann es einfach nicht. Sie verdeckt all das, was in allen Menschen steckt und verbirgt wie so oft, die Folgen ihres Tuns.
Wer zieht nun an den Fäden der Dekoration? Wer schaut hinter die Kulissen?
           Der Zuschauer jedenfalls sieht nur, was er sehen soll - und was er sehen will. Das ist naturgegeben, ein Blick in die Dunkelheit der Versatzstücke ist da nicht vorgesehen. Wer an seinem eigenen Bild arbeitet, darf keine Konsequenzen scheuen, Menschlichkeit ist hier nicht angesagt. Was kümmert den Betrachter im Museum das Modell des wunderschönen Aktes?
      Er möchte nur das Künstlerische bewundern, den Ausdruck, die Impressionen des Malers. Was soll da das Vorbild dieses Gemäldes. Es hat ausgedient, ist nicht mehr nutzbar.
      Dunkelheit und Licht streiten ja oft um die Vorherrschaft des Daseins. Der Teufel steckt dabei wie immer im Detail! Beide können nebeneinander existieren, wenn sie nur eine Basis finden, bei der beide die Möglichkeit haben, sich zu zeigen, sich die Hände zu reichen. Warum sagt ihnen niemand, dass beide
ohne einander gar nicht existieren können? Ohne Licht gibt es keinen Schatten! Doch einen Schatten gibt es nur, wenn die Lichtquelle so stark ist, dass außerhalb des Schattens noch eine Lichtreflexion wahrgenommen werden kann. In der Natur erscheint der Schatten umso dunkler je heller das Licht ist, das ihn wirft.
      Gilt dieser Grundsatz nun auch für Menschen? Das würde bedeuten: Je positiver (oder heiliger) ich bin, desto negativer (oder unheiliger) ist mein Schatten. Wenn jeder Mensch das erkennt, wird er fassungslos vor diesem Dilemma stehen, das ihn polarisiert, wird dabei seine eigenen Schattenseiten nicht fassen können!
      Aber auch die Umkehrung gilt: je finsterer der Schatten, desto mehr Lichtpotenzial ist vorhanden. Hier liegt auch der Grund, warum aus heißer Liebe kalter Hass werden kann! Wie gesagt: Es kann, muss aber nicht sein; wenn die Betroffenen ein Auge immer auf ihrem Schatten haben, könnten sie das auch steuern.
      Leider liegt hier auch die Wurzel vieler Konflikte.
Goethe lässt seinen Götz von Berlichingen sagen: »Wo viel Licht ist, ist starker Schatten.«  Eine schlichtere Weisheit gibt es im Grunde gar nicht.
Dies Wort Goethes - auch in abgewandelter Form - meint aber weniger die physikalische Seite als viel mehr die menschliche. Im Prinzip meint es ja nur:
 »... wo es das Gute gibt, gibt es auch das Schlechte«.
(Obwohl man ja im Sommer weiss, wie wohltuend Schatten sein kann!)
Symbolik-28.JPG     

 Licht wurde und wird seit jeher immer nur als das Positivum gesehen. Das Helle scheint dabei immer das Gute zu sein. In allen Weltreligionen erscheint die Erlösung - (oder der Erlöser) - stets als Gestalt, die mit dem Licht aufs Engste verbunden ist.
      Schatten aber ist auch unerlässlich für die menschliche Erkenntnis. Wer nur in gleißendes Licht starrt, sieht gar nichts! Dass nicht nur das Licht, sondern auch dessen Abstraktion, der Gebrauch des Schattens, eine grundlegende Rolle im täglichen Dasein wie auch im kulturellen Leben spielt, ist eine nicht zu leugnende Tatsache. Denn so sehr ich das Licht brauche, ich brauche auch die Dunkelheit!
      Ich - das heißt, nicht nur mein Körper, auch meine Seele brauchen die Phase der Erholung, sonst ergeht es mir wie einem Streichholz: Es leuchtet kurz und heftig auf - und erlischt. Zurück bleibt dann kein Schatten, kein Licht, sondern die völlige Dunkelheit ...


©2020 by H.C.G.Lux

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Kommentare (9)

ehemaliges Mitglied

.........das ist einfach passiert.......Unkenntnis kann Interessantes geschehen lassen.......ich war begeistert von der "fehlerhaften" Aufnahme 😲.........Linda
IMG_0365.JPG😀

Manfred36


(Wiki)
Fangen wir mal rechts von der Mitte ausgehend an und lassen das Rad wie die Uhr drehen.

Schön, dass es auch Philosophen unter uns gibt !  Aber was erscheint im Nachdenken schon nicht philosophisch?

ehemaliges Mitglied

ich habe es für mich mal so herausgefunden, aber das ewige Thema, wandelt sich für mich auch immer wieder

Lasst uns
den Schatten
ent larven
als das 
was er ist

die Aura
des 
Lichtundurchlässigen!

liebe Grüße
WurzelFluegel

Pan

Hermann HesseWahrlich, keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt. 
(Hermann Hesse)

ehemaliges Mitglied

@Pan  
aber liegen nicht Welten zwischen Dunkel und Schatten?

WurzelFluegel

Pan

Irgendwie scheinen sie weit voneinander getrennt - und doch gehören sie zusammen!

Was wäre Eines ohne das andere?
Denk auch mal an Chamissos "Peter Schlemihl, der seinen Schatten verkaufte"! 
gebe ich zu bedenken,
mit abendlichem Gruß
Horst

ehemaliges Mitglied

@Pan  
nachdem ich tagtäglich erlebe, wie anhänglich mein Schatten ist, hat sich mir Chamissos Schattengeschichte nie erschlossen 😉
und meine Gedanken wanderten in andere Richtungen

der Schatten ist untrennbar mit dem Licht verbunden, wenn auch  nie vereint mit ihm
das Licht aber ist frei vom Schatten

Dunkel ist da, wo das Licht nicht ist
Wie könnten Schatten und Dunkel etwas gemein haben, wenn doch der Schatten das Licht braucht?

nächtlichen Gruß
WurzelFluegel

Syrdal


Wie wurde nicht in der Menschheitsgeschichte über das Phänomen „Licht und Schatten“ von großen Geistern trefflich philosophiert. Und auch Goethe – Du hast es erwähnt – hat seine weise Sicht im Götz dargelegt.

Lieber Pan, nun sagst du an einer Stelle deiner interessanten Betrachtung u.a.: „...einen Schatten gibt es nur, wenn die Lichtquelle so stark ist, dass außerhalb des Schattens noch eine Lichtreflexion wahrgenommen werden kann.“ Das ist freilich „ein-leuchtend“ aber Schatten entsteht ja doch nur, wenn hinter einem vom Licht beleuchteten „Etwas“ das umgebende Licht auf ein anderes „Etwas“ fällt (so wie sich Kraft nur manifestieren kann, wenn sie auf einen Widerstand trifft). So gesehen ist Schatten defacto aber gar nicht existent, denn Schatten ist nichts weiter als abgeschirmtes (verhindertes) Licht, also nichts. – Und das gilt im Physischen ebenso wie im Geistigen.

Wie aber verhält sich dies alles nun im unendlichen Universum? Die Wissenschaft vermutet neben der sichtbaren (leuchtenden) Materie einen bis auf ein einziges Atom gleichgroßen (völlig lichtlosen, unsichtbaren) Anteil dunkler Materie. Also würde Licht und Dunkelheit (Schatten) neben- oder gar durcheinander (sich durchdringend), zumindest miteinander existieren, ohne sich je zu begegnen… Ach, wer könnte das verstehen (außer vielleicht Prof. Lesch…

...fragt sich ohne auch nur das kleinste, im Licht plausibel erscheinende Ergebnis
Syrdal
 

Pan

Siehst Du, lieber Syrdal, Du hast das richtig erkannt. Das genau sind die Ergebnisse, die das Denken zu einer Alles und Nichts besagenden "Melange" zwischen zwei Polen vereint. 
Wenn Schatten nicht existent ist, kann dann das Licht als Element in die Vorstellung eingehen? Beide gehören dann als polymorphe Komponente einfach in ein "Schwarzes Loch" und ---
ich habe Ruhe vor dümmlichen Gedanken ...?
meint nachdenklich  - und verwirrt 
Horst
🌚

 


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