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Das Leben eines Bundesbürger im Jahre 2010

Es ist Montag, der 3. Juni 2010, 5 Uhr morgens.
Der Radiowecker reißt Günther S.(46) aus dem Schlaf. Der Oldie-Sender spielt Modern Talking.
Herr S. quält sich aus dem Bett. Gestern ist es etwas später geworden bei der Arbeit.
Dienst am Pfingstsonntag - mal wieder. Früher konnte er danach wenigstens
ausschlafen. "Ja ja, der Pfingstmontag", murmelt Herr S., ist das wirklich schon sieben Jahre her?"
Es hat sich wirklich einiges getan seit damals. Nur nicht in seinem Haus.
Als 2005 die Eigenheimzulage plötzlich doch gestrichen wurde, mussten sie eben Abstriche machen. Und inzwischen hat sich Familie S. daran gewöhnt.
An die frei liegenden Leitungen, den Betonfußboden.
Gut, denkt Herr S., dass damals die Garage noch nicht fertig war. Denn der Wagen ist längst verkauft. Zu teuer, seit es keine Kilometerpauschale mehr gibt. Und mit Bus und Bahn dauert es in die City ja auch nur zwei Stunden.
Und was man dabei für nette Leute trifft. Zum Beispiel die Blondine, die Herrn S. immer so reizend anlächelt. Zurücklächeln mag er nicht.
Wegen seiner Zähne.
Aber was will man machen? 3000 Euro für zwei Kronen sind viel Geld. Und schon die Brille musste er selbst bezahlen. Hat dabei aber 15 Euro gespart.
Weil er nicht gleich zum Augen-, sondern erst zum Hausarzt gegangen ist. Wegen der Überweisung.
Trotzdem: Der Urlaub fällt flach. "Das könnte Ärger geben zu Hause", stöhnt Herr S. vor sich hin. Traurig erinnert er sich an letzte Weihnachten. Als es nichts gab.
2009 wurde nämlich auch in der freien Wirtschaft das
Weihnachtsgeld gestrichen. Im öffentlichen Dienst ist das ja schon länger her. "Und bis wann gab's eigentlich Urlaubsgeld?", fragt sich Herr S. er kommt nicht drauf.
Damals hatte man jedenfalls noch genügend Urlaub, um das Urlaubsgeld auszugeben. Heute sind's ja gerade mal 19 Tage im Jahr.
Pfingstmontag? 1. Mai? Geschichte.
Das stand nicht auf der Agenda 2010 - so hieß sie doch, oder?
Aber man soll nicht meckern. Die da oben, weiß Herr S., müssen noch viel mehr ackern.
Darum kann Günther S. mit der 45-Stunden-Woche auch ganz gut leben. Er hat auch keine Wahl. Seit der Kündigungsschutz auch in großen Betrieben gelockert wurde, mag man es sich mit den Bossen nicht mehr verscherzen.
Wer will sich schon einreihen in das Heer von sechs Millionen
Arbeitslosen? Aber den Feiertagszuschlag für den Dienst an Pfingsten vermisst er schon.
Was soll's, in 23 Jahren hat Herr S. es hinter sich. So üppig wird die Rente zwar nicht ausfallen, wenn das mit den Nullrunden so weitergeht. Doch wer weiß: Vielleicht bringt ihn das Rauchen vorher um. Obwohl er weniger qualmt, seit die Schachtel neun Euro kostet. Aber heute, auf den letzten Metern zum Büro, steckt Günther S. sich trotzdem eine an.

»Mit der 45-Stunden-Woche kann man leben. Man hat ja auch keine Wahl...«

Ich hoffe die Geschichte gefällt euch.

MfG
Dieter Leitheiser