Die Spiele aus meiner Erinnerungs-Truhe
Zu meiner Zeit, also vor ungefähr 70 Jahren, machte man eigentlich die selben 
Spiele, die man heute auch kennt. Nur waren unsere Mittel sehr viel einfacher, oft kosteten sie auch gar nichts. Spielsachen wurden in vielen Familien vom Vater gebastelt (bei mir waren es zwei alte Tanten, die natürlich gar nicht so alt waren) oder sie wurden sogar vererbt.
Ich denke da ans Springseil.
Das holten wir uns vom Gemüsemann, denn der hatte wunderbar starke Hanfseile, die waren die besten.

Oder nehmen wir die Schaukel. Das war meistens nur ein Brett und hing an einem dicken Ast eines Baumes. 
Das Schaukeln gehörte zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, wenn ich draußen spielte. Erstens war es natürlich berauschend, immer höher fliegen zu können oder irgendwelche Kunstücke zu vollbringen, aber die Schaukel  war auch der schönste Platz zum Träumen und Pläneschmieden. Und wenn mir dann noch das Abendbrot in einer Tüte aus dem Küchenfenster geworfen wurde, dann war das Glück vollkommen. Denn das bedeutete, dass ich noch länger draußen bleiben konnte.

Da es in den ersten dreißiger Jahren noch kaum Privatautos gab,
gehörten die Straßen in den Wohnvierteln uns Kindern.
In den Vororten waren sie meistens asphaltiert, sodaß sie ideal für viele Spiele waren. 
Sehr beliebt war bei uns das Himmel-und-Hölle-Hüpfen. So etwas ähnliches gibt es auch heute noch, vielleicht heißt es nur anders.

Wir  hatten auch große Reifen (wie die späteren Hula-Hoop-Reifen), die wir mit kleinen Stöcken voran trieben. Das war aber nur was für kleine Mädchen.

Am liebsten spielte ich aber mit dem Kreisel, einem kegelförmigen Gegenstand aus buntbemaltem Holz, in den Rillen eingekerbt waren, um die eine dünne Schnur gebunden wurde. Je nachdem, wie kräftig und geschickt man an dieser Schnur zog, dauerte dann der Tanz des Kreisels auf der Straße.

Sehr beliebt war bei uns auch Kippel-Kappel. Dazu brauchte man aber einen Feld-oder Waldweg, in den man eine schmale Vertiefung grub. Über dieses Loch wurde dann ein zugespitztes Stück Holz gelegt, was mit einem Stecken fortgeschleudert wurde. Natürlich wurde der Sieger, der das Hölzchen am weitesten werfen konnte.

Naja, und dann waren da noch die geliebten Murmeln, d.h. kleine Glaskugeln in den verschiedensten Farben. Wir hüteten sie wie Goldstücke und bewahrten  sie in 
einem Säckchen auf.
Auch zu diesem Spiel eigenete sich am besten ein weicher Boden, in den eine kleine Mulde gegraben wurde. Die Murmeln wurden ausgeworfen und dann versuchte man, sie mit dem Finger in die Mulde zu schupsen. Ich glaube, wer zuerst seine Murmeln drin hatte, bekam den "Jackpot". Ich weiß nicht, ob Kinder heute noch dieses Spiel kennen.

Über die kalten und unfreundlichen Jahreszeiten waren wir Kinder nie böse. Gab es doch sooovieles "zu tun" in unseren Kinderzimmern. Da muss ich allerdings dazusagen, dass ich in dieser Hinsicht ein previligiertes Kind war, denn ich hatte ein "fast" eigenes Zimmer. Das war auch damals schon nicht selbstverständlich. Wieviele Kinder mussten in der Küche oder im Wohnzimmer schlafen und spielen.
Also kann ich nur über mich erzählen. Mein Zimmer wurde auch als Eß-Näh-und Bügelzimmer benutzt. Aber trotzdem hatte ich das Gefühl, ein eigenes Reich zu besitzen, in dem meine Sachen respektiert wurden.

Als ich aus dem Brummkreisel-Alter raus war und keine Aufpasser mehr um mich herum hatte, begann ich, mir meine eigene Welt aufzubauen. D.h. ich gründete eine Großfamilie, die im Laufe der Jahre 13 Puppenkinder und unzählige Stofftiere zählte.
Keine Puppe und kein Tier war jemals zu alt oder zu verschlissen, dass ich mich davon getrennt hätte. Ich begann, eine soziale Gesinnung zu entwickeln.
Also die Schwächeren waren nicht nur gleichberechtigt sondern wurden auch besonders umhegt.
Sehr früh fing ich an, meine Kinder selbst einzukleiden. Wenn die Nähfrau mal wieder dagewesen war, sammelte ich alle Stoffreste, um meinen Puppen Kleider zu nähen.
Natürlich mussten meine "Kinder" auch zur Schule. Also bastelte ich für jedes ein Schulheftchen.

Selbstverständlich  wurden sie auch von mir abgefüttert, denn ich hatte einen alten Puppenherd geerbt, auf dem ich richtig kochen konnte. 

Oft sang ich meinen Kleinen auch etwas vor, denn Musik hatte in meiner Familie einen hohen Stellenwert. So bekam ich mit sechs Jahren Flötenstunden. Durch meine Lehrerin lernte ich die klassische barocke Musik lieben, denn etwas anderes brachte sie mir gar nicht bei. Und daher stammte wohl auch meine Vorliebe für geistliche Gesänge, die ich immer den eigentlichen Kinder-und Volksliedern vorzog.

Auch in meiner Kindheit wurde schon viel gebastelt, nur hatte man keine kostspieligen Materialien zur Verfügung.  Mein Vater, der ein Architekt und Künstler war, versorgte mich aber immer großzügig mit Blei-und Farbstiften, alten Tuschkästen und Papier und Pappen, die er entbehren konnte. Also auch in dieser Hinsicht war ich previligiert.
Das größte Objekt, das ich mir zusammenbasteln wollte, war ein Kasperltheater. Dieses Unterfangen überstieg aber meine Fähigkeiten, und da mir niemand half, scheiterte es kläglich.
Nun ja, so lernte ich früh, dass man auch seine Grenzen erkennen muss.

Natürlich könnte ich mit meinen Schilderungen noch endlos fortfahren, aber diese Seite soll nicht zu lang werden. Dann liest sie doch keiner mehr.