Warum ich Köchin geworden bin.

Ich würde ja gerne meine Berufswahl auf die Gene schieben und mir so jedes weitere Nachdenken darüber  ersparen. Aber ich weiß, dass in meinem Fall einzig und allein Würste schuld waren. Es handelt sich hierbei nicht um irgendwelche sondern um ganz besondere Würste, nämlich die, die meine Mutter in einem großen Steintopf in einer Salzlake aufbewahrte, die aber NIE auf meinem Teller erschienen.

Eines nachts, ich war vielleicht fünf Jahre alt, beschloss ich, mich selber zu versorgen und schlich in die Kammer, um mir so eine Wurst zu angeln. Aber ohjeh, es kam eine ganze Kette von Würsten aus dem Topf hervor und ich hätte eine Schere gebraucht, um mir eine abzuschneiden. Das fand ich dann doch zu riskant und so kehrte ich zutiefst enttäuscht wieder in mein Bett zurück. 
Es war mir völlig klar, dass ich auf normalem Wege nie in den Genuss dieser sicher herrlichen Würste kommen würde, denn meine Mutter hatte sehr bestimmte und festgefahrene Vorstellungen über unsere Ernährung. Sie sollte für uns Kinder einfach, bekömmlich und gesund sein. Irgendwelche Schlemmereien wurden nur sonntags aufgetischt. Im Übrigen aber waren sie nur den Erwachsenen vorbehalten. Das empfand ich als grobe Ungerechtigkeit. Da ich meine Familie nunmal nicht umerziehen konnte, musste ich meine Zukunft planen, um später einmal alles besser zu machen. Also beschloss ich in jener Nacht, einmal Köchin zu werden.

Damit fing ich schon recht früh an und zwar mit 12 Jahren, als gerade der Krieg ausgebrochen war, der auch in unserer Familie alles auf den Kopf stellte. Meine Mutter musste arbeiten gehen, denn sie hatte meinen Vater verlassen. Da sie weder Zeit noch Lust zum Kochen hatte, stellte ich mich nach der Schule in die Küche und nun wurde endlich gegessen, was ICH wollte. Das allein war schon ein Fortschritt!
Aber auch nach dem Abitur wählte ich, anstatt zu studieren,  eine Ausbildung als Diätistin, die ich abbrach, um ins Ausland zu gehen - natürlich als Köchin.
Ja, und so habe ich mich seither durchs Leben gekocht. Vor allem natürlich für meine eigene Familie, dann aber auch in Restaurants, in einem Hotel und in einem eigenen Lokal.

Inzwischen ist mir schon lange klar, dass meine Mutter eine kluge Frau war, die für ihre Kinder nur das Beste wollte. Nachdem ich Schlemmereien jeder Art und in den verschiedensten Ländern kennengelernt und genossen habe, bin ich reumütig zu einer einfachen, bekömmlichen und gesunden Ernährungsweise zurückgekehrt. 

Ob meine Entscheidung, Köchin zu werden, klug war, das kann ich  allerdings nicht beantworten. Zuvieles gibt es, dass ich gerne gelernt  oder studiert hätte.