Unsere Sommerferien

Solange ich zurückdenken kann, sind meine Eltern mit uns Kindern jeden Sommer an die See gefahren. Die ersten Jahre nach Ahrenshoop an die Ostsee, aber daran kann ich mich nicht erinnern.
Dann meinte aber der Onkel Doktor, dass uns die Nordseeluft besser bekommen würde, und so verbrachten wir einen Sommer auf  Langeoog.
Mein Vater setzte mich gleich auf einen Esel, dem ich aber noch etwas skeptisch gegenüber eingestellt war. Doch sehr bald wurde aus dieser ersten Annäherung eine leidenschaftliche Liebe für Pferde und das Reiten.
Auch kann ich mich noch gut an die Riesensandburg erinnern, die mein Vater unter großem Ächzen und Schwitzen für uns baute. Sie wurde nie fertig, denn sie sollte ja ein künstlerisches Objekt werden. Wir Kinder sammelten dafür Berge von Muscheln, mit denen die Burg verziert und beschriftet wurde.

Ein Jahr später, ich war vier, beschlossen meine Eltern, nicht mehr gemeinsam Urlaub zu machen. Und so wurde ich in ein Kinderheim in St.Peter-Ording gesteckt.
Diese Ferien  waren für mich ein kleineres Trauma und ich erinnere mich, dass ich mir ständig in die Hosen machte. Auch hatte ich mal aus Langeweile oder Trotz die Schalen meines Frühstück-Eies auf dem Boden zerbröselt. Hätte ich das nur nie gemacht, denn zur Strafe musste ich alles mit den Fingern aufsammeln. Gar nicht so leicht !
Wie war ich froh, als dieser Horror-Urlaub zu Ende ging und ich wieder nach Hause durfte.

Das Jahr darauf verbrachte meine Mutter zusammen mit uns Kindern die Sommerferien in einer kleinen Pension in St.Peter. Da das Essen ziemlich scheußlich war (ich weiß nicht, ob SIE noch anderes auszusetzen hatte, aber bei mir fing alles mit dem Essen an und hörte da auch auf), beschloss sie, im nächsten Jahr ein Zimmer auf einem Bauernhof zu mieten. 
Aber im darauffolgenden Jahr hatte sie es sich wieder anders überlegt und meinte, wir sollten am Steinhuder Meer unsere Ferien verbringen.
War das eine Enttäuschung !
Erstens war dieser See kein Meer und diese Tatsache allein machte ihn mir schon unsympathisch, und zweitens landeten wir wieder in einer langweiligen Pension, wo schlecht gekocht wurde. Ich war sauer, denn ich hatte mich so sehr auf´s Landleben gefreut.
Aber auch im nächsten Sommer wurde nichts draus, denn da war eine Radfahrtour in Dänemark angesagt. Von diesen Ferien erinnere ich, dass alle immer auf mich warten mussten. Sehr sportlich war ich damals schon nicht. Aber für unsere Anstrengungen wurden  wir jeden Tag mit einem herrlichen Sahneeis belohnt. So ein tolles Eis gab es in Deutschland nicht. Dafür lohnte sich das Pusten und Schnaufen schon ein wenig. Als Krönung dieses Sommers war noch ein Besuch im Tivoli (ähnlich wie der Hamburger Dom) in Kopenhagen angesagt, von dem ich auch ganz begeistert war. 

Doch inzwischen hatte meine Mutter kapiert, dass Ferien auf dem Lande das Allerbeste für uns alle sein würde. Jedenfalls für mich. So kam es, daß wir von nun an jeden Sommer bei Bauer T. in St.Peter-Böhl ein Zimmer mieteten. 
Das normale Strandleben füllte mich nicht aus. Ich wollte arbeiten und bot den Bauern meine Hilfe an. Jeden Morgen stand ich um vier Uhr auf, um zum Melken auf die Koppel zu gehen. Anschließend durfte ich die Kälber füttern, die zur damaligen Zeit ausschließlich mit der Muttermilch großgezogen wurden. Dann half ich bei der Heuernte, lernte mit den verschiedenen Maschinen umgehen, die nur von Pferden gezogen wurden. Traktoren gab es noch keine. Später wurde das Korn eingefahren und gedroschen. Überall war ich dabei. Aber auch im Garten und im Stall half ich mit. Und ich durfte soviel reiten wie ich wollte. Es waren die schönsten Ferien meines Lebens.
Auch als der Krieg schon ausgebrochen war, fuhren wir jeden Sommer nach St.Peter-Böhl. Bis - ja bis wir nicht mehr nach Hamburg zurückkonnten. Aber das erzähle ich in einem späteren Kapitel.