Bei meiner Geburt war die Stimmung in meinem Elternhause denkbar schlecht. Zwar ging alles sehr schnell, so als hätte ich es eilig gehabt, diese Welt kennenzulernen (wenn ich damals gewusst hätte, wohin sie steuert, wäre ich wahrscheinlich im Bauch meiner Mutter geblieben).
Doch nun war ich da, aber von stolzem Elternglück keine Spur. Erstens, weil ich mir erlaubt hatte, ein Mädchen zu werden (selbstverständlich erwartete mein Vater einen strammen Stammhalter, der die Erhaltung unseres einmaligen Familiennamens  garantieren konnte), und zweitens war ich potthässlich, nämlich über und über mit Pickeln besät. Zwar bekam ich mit den Jahren eine  Haut, um die mich alle Frauen beneideten, aber irgendwie hatte man mich nie ganz auf Rechnung. 
Kein Wunder, denn um den Erwartungen meiner Eltern gerecht zu werden, hätte ich 
a) eine Intellektuelle werden müssen oder/und
b) eine Künstlerin. Aber zu beidem fehlte mir die Lust und die Begabung. Ich war verspielt, verträumt, nicht sonderlich ehrgeizig und hielt mich am liebsten in der Natur auf. Anstatt mit Mädchen brav mit Puppen zu spielen (das machte ich lieber allein) zog ich die Buben vor, mit denen ich mich auch bestens vertrug. Mädchen fand ich bis auf wenige Ausnahmen blöd, zickig und fantasielos. (Das Leben hat mich hier, wie in manchen anderen Dingen, gelehrt, meine Ansicht zu ändern). 
So kam es wahrscheinlich, dass aus mir nie eine Emanze wurde (obwohl meine Mutter alles dransetzte, mit gutem Beispiel voranzugehen).
Überhaupt hatte ich zu meiner Mutter ein gestörtes Verhältnis. Zwar liebte ich sie abgöttisch, aber ich nahm ihr auch so manches übel.
Vor allem, weil sie nie viel Zeit für mich hatte, da sie  berufstätig war. So überließ sie mich einer Kinderfrau, die mich auch mit der Flasche großzog (DAS habe ich meiner Mutter glaube ich nie verziehen). Dann fand ich, dass sie nicht besonders kochen konnte, denn sie manschte immer aus allen Resten undefinierbare Suppen zusammen, die ich dann unbedingt essen musste. Also nahm ich mir schon frühzeitig vor, einmal Köchin zu werden. Das wurde dann tatsächlich auch der einzige Beruf, den ich im Leben erlernte. 
Naja, und dann gab es noch viele andere Kleinigkeiten, die mir gar nicht passten. WARUM zum Beispiel durfte SIE immer die bunten Gummibonbons (wohl die Vorläufer von den Gummibärchen) essen, während ich mich mit billigen Süßigkeiten vom Krämer nebenan begnügen musste? Oder warum durften wir Kinder nie dabei sein, wenn Gäste zum Essen eingeladen wurden? Natürlich bekamen wir auch nichts von den leckeren Speisen. 
So träumte ich schon als kleines Kind von all dem, was ich eines Tages als Mutter anders machen würde.

Dass ich inzwischen meine Mutter mit anderen Augen sehe (die Flaschenkost inbegriffen) und stolz bin, gerade diese intelligente, fortschrittliche und umsichtige Frau als Mutter gehabt zu haben, muss ich der Wahrheit zuliebe doch erwähnen.