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THEMA:   Nette Hundegeschichte

 4 Antwort(en).

Karl begann die Diskussion am 27.01.02 (18:44) mit folgendem Beitrag:

Christa Petersen hat im ST die Geschichte ihrer Hündin Gilla erzählt. Ich habe viele Merkmale unseres eigenen Hundes wiedererkannt.
/seniorentreff/de/autoren/Christa_Petersen/Gilla.htm
Wer möchte hier noch Berichte aus dem Hundeleben erzählen? Ihr seid herzlich eingeladen.

Mit freundlichen Grüßen

Karl

(Internet-Tipp: /seniorentreff/de/autoren/Christa_Petersen/Gilla.htm)


elsabe antwortete am 28.01.02 (09:05):

DIE WAHRHEIT ÜBER 'SCHWEINE'

Es war einmal ein kleiner, weißer, schwarzbraun gefleckter Hund mit Schlappohren. Als er merkte, daß ihn jemand kaufen wollte, ließ er sich von Stufe zu Stufe die Treppe herunterkullern, da seine Beinchen noch zu kurz waren, um sich auf eine üblichere Art in die schützende Nähe seiner Mutter zu begeben. Hochgenommen und hinausgetragen konnte er noch einmal wie ein Blitz in die Büsche des Gartens entwischen; dann aber entführten sie ihn in ein neues Leben.

'ER' war eigentlich eine 'SIE'.
Das interessierte allerdings nur den Tierarzt, der ihn später operativ um seine Weiblichkeit bringen mußte.

Sie gaben ihm einen hübschen Namen. Aber wie sie ihn wirklich nannten, beleidigte ihn. Es verglich ihn mit fetten Monstern ohne Fell und Rute, die sich ständig im Schmutz wälzen.

Vielleicht war er deshalb auch immer irgendwie schmutzig und stinkig und auch meistens viel zu dick. Seiner Jagdhund-Nase entging keine Spur, an deren Ende er ein Nest zur Selbstversorgung finden konnte. Unermüdlich schleppte er dann Brotreste, manchmal sogar halbe Weißbrote, die fast größer waren als er selbst, in eine sichere Ecke, um sich ein Festmahl zu bereiten. Eigentlich war er sehr genügsam, da es auch Bonbons mit Papier oder leere Joghurt-Becher taten, wenn er denn nichts Gehaltvolleres aufspüren konnte.

Sie ließen ihm eine teure Erziehung in einem Hunde-Internat angedeihen, die er erduldete, um sie gleich anschließend zu vergessen. "Hier" hieß dann 'dort', "sitz" hieß 'weglaufen' -, "aus" hieß, daß man heftig zu knurren hatte. -- Rasende Autos auf den Straßen existierten für ihn nicht, bis er einmal angefahren wurde. Und obwohl er wußte, wohin er gehörte, machte er lange, einsame Spaziergänge, die noch vor seiner Rückkehr seine kleinen Kräfte überforderten, so daß sie ihn stundenlang suchen mußten. Da lag er dann igendwo in der Feldmark und ging mit jedem mit, wenn der nur mit einem Auto vorbei kam.

In einem Alter, in dem Menschenkinder bereits beginnen, sich von ihrer Familie zu lösen, entwickelte er große Anhänglichkeit an sein Frauchen. Das bedeutete zwar noch nicht, daß er sich auf seine Erziehung besann; aber seine Zugehörigkeits-Äußerungen ähnelten doch manchmal einer Art Gehorsam. So gab er die ergatterten Brotstücke wieder her, wenn man ihn erwischte -, ohne zu knurren. Eine enorme Leistung für den kleinen Aufsässigen! - Oder er ging auch manchmal "bei Fuß" ..., besonders dann, wenn er überrangige Hunde in der Nähe witterte.- Über die Rückkehr seines Frauchens konnte er sich so laut freuen, daß man sich bei seinem Quieken fragte, ob sein uneigentlicher Name nicht doch berechtigt sei.

Aufsässig blieb er dennoch. Er hatte ein ganzes Repertoire von Protest-Aktionen, die er in dem Maße einsetzte, in dem er sich ungerecht behandelt fühlte. Die größte Bestrafung für sein Frauchen war, ihr Bett zu benutzen -, und nicht etwa zum Schlafen. Hinterher tat er so, als wäre das aus Angst geschehen.

Ein Wachhund wurde er nie. Er ließ sich lieber selbst bewachen. Bellen setzte er lediglich aus sicherer Entfernung ein. Sonst legte er nur die Ohren an, zog den Schwanz ein und stellte eine Bürste auf. Sein Interesse an anderen Hunden war mäßig; er blieb ein wählerischer Selbständiger. Notwendige Aufenthalte bei anderen duldete er, aber seine Zuwendung galt hauptsächlich deren Leckerbissen, mit denen sie ihn bestechen mußten, um vor seinen Bestrafungen sicher zu sein (was dennoch nicht immer klappte).

Man sprach ihm ein größeres Gehirn ab, weil er sich so wenig lernfähig zeigte. Diese Unwilligkeit zur Dressur bewies aber eigentlich eine große Hunde-Persönlichkeit. Denn woher nahm er sonst seine Tricks, woher den Haß auf die Hundeleine, ... der die Erinnerungsfähigkeit an seine Lehrzeit im Hunde-Internat belegte.
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Es war einmal ein kleiner, stets viel zu dicker Hund, den alle immer verkannt hatten. Er habe sehr darunter gelitten, daß niemand ihn ernst nahm -, und daß alle seine Versuche, seine Kleinheit durch geistige Größe zu ersetzen, nichts
fruchteten.
Ein gekränkter kleiner Hund.

(1994)


Elisabeth antwortete am 03.02.02 (08:35):

"... habe ich nach Liebe getrachtet,
weil sie von der Einsamkeit erlöst." (Russel)

Mein rötlicher Hund schläft meistens und hat auch nur noch wenig Appetit.Wenn er aufwacht, muß er husten. Er braucht viel Wärme -, die der Heizung und meine.
In absehbarer Zeit wird mein Hund nicht mehr bei mir sein. Das Maß meiner Zuwendung war oft eingeschränkt. Ich hatte ihn nicht haben wollen. Später war ich überlagert von Dingen, die meine Zuwendungs-Fähigkeit verschütteten. Ich liebte ihn erst, als seine Altersbeschwerden mich an mein Pflichtgefühl mahnten. Das erschreckte mich. Pflicht zur Liebe? Liebe aus Pflicht? Dennoch Liebe? Oder nur Mitleid.
Ich bin froh, wenigstens mitleiden zu können. Beweis für Gefühle. Auch Verzweiflung ist zu fühlen. Ein unerwünschtes Fühlen, nur auf sich selbst gezielt, die anderen draußen lassend. Das nicht die Frage beantwortet, ob eine Fähigkeit zu besseren Gefühlen überhaupt vorhanden war.
Ich würde meinen Hund eines Tages vermissen -, sagte jemand. Vermissen wie ein Liebesobjekt? Oder wie eine Gewohnheit? Einen Hund, durch den man nur Umstände, Zwänge und Kosten hat? Der einen nicht einmal bewacht, weil er niemandem etwas zuleide tun könnte? Der einen nachts durch sein Husten weckt, durch Schmerzen?- Oder einen Hund, der einem immer und überall seine Zuneigung ausdrückt?
Ich bin froh, noch rechtzeitig auf meinen Hund aufmerksam geworden zu sein.
Auch - oder gerade weil - ich nichts über Liebe schreiben wollte.
Oder darüber, weshalb der Hund es einem leicht macht, ihn zu lieben.

Nur ein Hund.

(1995)


elsabe antwortete am 03.02.02 (09:28):

GEDANKEN EINES EWIG JUNG GEBLIEBENEN WOLFES

Als die Hündin alt war, gaben sie ihr viel Zeit zum Nachdenken. Man konnte ja nicht ständig schlafen. Aber man konnte auch nicht mehr sehr weit laufen, weil dann das Atmen schwer wurde und man viel husten mußte. Man konnte auch nicht toben oder spielen, denn die Gelenke schmerzten doch schon sehr.
"Schwimmen kann ich noch, wenn sie mich lassen," dachte die alte Hündin. "Da bin ich doch gestern einfach in den Zierteich gesprungen, als sie mal wegsahen. Mitten im Winter. Ich hatte sofort gemerkt, daß da kein Eis drauf war, und hab mich einfach fallen lassen. Es war herrlich!"

Die Hündin leckte sich das an manchen Stellen noch immer nasse Fell und sah - wie häufig in der letzten Zeit, daß dieses mehr und mehr das Rötliche verlor und grau wurde.
"Hoffentlich färben sie mich nicht," dachte die Hündin. "Ich bin dagegen, graues Haar zu färben. Das täuscht doch über Alter nicht hinweg. Alter wars ja leider auch, daß ich den Zierteich nicht allein verlassen konnte, als nach dem Rumpaddeln die Puste wegblieb. Ein Glück, daß sie mich grade da entdeckten."
Die Hündin lachte vor sich hin. "Wie die sich graulten, in den Teich zu springen. Bei dieser Kälte. Und sich naß zu machen. Mitten im Winter."
Sie zogen sie heraus. An ihrem dicken Nackenfell, das noch immer rötlich war. Und sie zeigten sich sehr bemüht, jeden Kontakt mit der Nässe zu vermeiden.
"Aber ich schüttelte mich, ehe sie wegspringen konnten," amüsierte sich die Hündin. Sicher dachten sie, daß sie manches auch so gern abschütteln würden, wie ich das Wasser. ..."
Die Hündin schlief ein bißchen. Denken ist manchmal anstrengend, wenn man nicht mehr zu den Jungen gehört. Sie träumte und gluckerte vor sich hin. So hatte es gegluckert, als sie in den Teich rutschte. Von dem sie jetzt träumte.

Nach dem nächsten Gang zur Hundewiese - irgendwie war man auch schon ein bißchen inkontinent geworden - hatte die Hündin wieder Zeit zum Nachdenken.
"Inkontinenz des Geistes," dachte sie, "die kann man mir trotz Alters nicht nachsagen."
Da die Hündin nichts Arglistiges hatte, war sie sehr gerecht.
"Selbstverständlich," meinte sie vor sich hin, "sieht das - wie ich von einer Mahlzeit zu der anderen lebe - so gänzlich animalisch aus. Wie Leben ohne Inhalt. Alt geworden und noch immer verfressen. Ohne jede Weisheit. Ohne zu beachten, daß Alter andere Nahrung braucht, um Alter nicht sein zu müssen."
Sie schüttelte den Kopf. Strecken konnte sie sich nicht mehr. Aber der Kopf war noch beweglich.
"Das ist es eben," resignierte die Hündin etwas für die anderen. "Sie müßten ihren Kopf beweglich halten. Oder wenigstens das, was drin ist. Der Kopf ist Kontinenz für das, was drin ist. Wenn sie den Kopf nicht retten, werden sie träufelig im Alter. Dann kommt noch da und dort etwas, doch oft zur falschen Zeit."
Die Hündin gähnte ein bißchen. Nicht so sehr aus Müdigkeit. Eher wegen des Sauerstoffs zum Denken.
"Und wenn sie erst einmal träufelig sind, entstehen viele kleine Löcher. Einst ausgefüllt von Interesse, Weitsicht, Mitleid. Jetzt halbhohle Zentren ohne Lebensfreude. Die ihnen die Augen nach innen drehen, wo sie nur noch sich selbst sehen können. Gefühl, das dann noch bleibt, ist nur der Zorn, allein zu sein."
Die Hündin war froh, daß sie früher zu den Wölfen gehörte. Die hatten ihr beigebracht, jung zu bleiben auch im Alter. Freude zeigen zu können (Hunde wedeln immer), Humor zu haben (Hunde schwimmen manchmal im Winter), auf andere zuzugehen (auch wenn sie manchmal nach ihnen schnappen) - und nur so viel zu fressen, wie man ihnen vorsetzt. Und nachdenklich zu bleiben. Und vordenklich.
"Vordenklich?" fragte sich die Hündin. "Ich glaube, dieses Wort ist nicht bekannt. Aber denke ich nicht vor, wenn ich von Anfang an bemüht bin, mein letztes Jahr auch zu genießen? Das letzte meines Lebens wie das vergangene letzte."
Im vergangenen Jahr war die Hündin vierundachtzig Menschenjahre alt geworden.
"Nur," dachte sie, "ist Genuß in Einsamkeit verwerflich. Das sind doch nur Genüsse, die man verstecken muß. Wie geklautes Brot. Die erlaubten Genüsse -, die schmecken. Das sind die, die sie einem hinstellen. Die Kontaktaufnahme-Genüsse. Da wedelt man und hopst, so gut es geht, und bellt - und kann es nicht erwarten. Die Hand, die sich zum Futternapf bewegt, ist wie die Hand, die einem Kind gegeben wird. Da verlieren sich die Größenunterschiede. Die Kontakt-Momente sind sehr intensiv. Und das macht Alter schön."
Die Hündin mußte sich kratzen. "Es juckt mich nicht, daß ich alt bin," freute sie sich. Weil ich eben vordenklich war. Mit dem Genießen. Das immer noch irgendwie möglich ist, so lange man sich den Kopf beweglich hält."

Dann legte sie ihren Kopf auf die Vorderpfoten, um ihn sorgfältig zu schonen. Gegen die kleinen Löcher. Gegen die Inkontinenz des Geistes.
Und gegen Perseverationen über die eigene Person -, die eine Kontaktaufnahme nicht mehr zulassen würden.

(Aus: "Die ganz anderen Tiergeschichten - Wahrheiten für Erwachsene" 1994/95)


elsabe antwortete am 06.02.02 (15:10):

HUND IN FAHRT

Auf, sprach der Vater, und nur keine Rast:
wir sind ja heut schließlich bei Tredels zu Gast.

Sie hüpften ins Auto, gekleidet recht bunt.
Als erster natürlich - wie immer - der Hund.

Für die hinten war das gar nicht so schick,
denn der Hund machte sich wieder mal fürchterlich dick.
Er belegte die Plätze in ganzer Länge
und erzeugte ein heftiges, lautes Gedränge.
Also Hund! Nun geh doch hier endlich mal weg!
Doch Hund - wie immer - rührt sich gar nicht vom Fleck.

Blaß und dünn wie die Spargel, an die Türen geschoben
saßen die Kinder drunter, und der Hund lag oben.
Der Vater war sauer, die Mutter stöhnte,
weil das Geschrei um den Hund in den Ohren dröhnte.

Doch was halfs, nach einer Lösung zu suchen:
sie freuten sich schon auf Frau Tredels Kuchen
und starteten nun, nach W. zu fahren,
wie manches Mal in den letzten Jahren.
Und schließlich sollte der Hund nicht leiden
und einsam und traurig zu Hause bleiben.

Den Hund schien das alles nicht zu berühren.
Er hatte ja schließlich mit seinen Allüren
erreicht, was er wollte. Ich bin mit dabei,
ob auch immer ich dick oder sonst was sei.
Er sägte und träumte und dachte zurück:
Bei Tredels, da war es doch immer so schick!
Da gabs Teiche zum Baden und Wiesen zum Laufen
und Krümel vom Kuchen und Wasser zum Saufen
und Enten zum Jagen, vielleicht gar ein Schwein,
ein wildes im Walde, das könnte schon sein.
Und Küchen-Gerüche nach Fleisch und nach Speck ...
Nee, Leute, da bleibt doch ein Hund wohl nicht weg.

Ein bißchen in Sorge, so ganz nebenher,
ist Hündchen ja dennoch: da war doch noch wer?
Ach ja, dieser Rüde, so schwarz und so groß.
Will der wieder toben -, was mach' ich da bloß?
Am Anfang ists lustig, das muß ich schon sagen,
doch eigentlich sind mir Rüden nur Plagen.
Die schnüffeln und hecheln und spielen so eigen ..
Na warte, mein Lieber, dir werd ichs schon zeigen,
ich belle und belle, so kühl wie ein Fisch
und renne zur Not halt unter den Tisch.

Ja, Tredels solln leben! Wann sind wir nur dorten?
Dann sag ich ganz höflich mit hündischen Worten:
die Fahrt war so lang, und ich hab so nen Durst,
und vielleicht habt ihr auch noch son bißchen Wurst?
Ich komme auch wieder. Bei euch macht es Spaß,
ob die Sonne es gut meint, ob das Wetter nur naß.
Die Stimmung ist glänzend in euerer Runde,
das gefällt sogar mir, einem weiblichen Hunde.

Und muß ich dann scheiden zu später Stunde,
bleibt in meiner Seele so manch kleine Wunde
der Trauer, des Schmerzes. Es tut mir so leid,
daß für meine Beine der Weg ist zu weit.
Sonst tät ich um euch und um eueren Kuchen
euch sicher auch mal ganz alleine besuchen.

Für heute und alles: ganz herzlichen Dank,
daß wir kommen durften, gesund oder krank,
für fröhliche Stunden - war der Himmel auch grau -
von mir, einer Labrador-Hündin. Wauwau.

(1987)