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THEMA: Verwahrlost verenden?
24 Antwort(en).
Claudia Klinger
begann die Diskussion am 16.07.01 (17:08) mit folgendem Beitrag:
Zwar bin ich "erst" 47, doch hat mich kürzlich ein SPIEGEL-Artikel über die Situation in Alten- und Pflegeheimen sehr betroffen gemacht. Ich habe das Thema in meinem Online-Tagebuch "Digital Diary" aufgegriffen und würde mich über Reaktionen älterer Menschen (die schon näher dran sind...) freuen! die Forenbeiträge meiner Leser haben mich überzeugt, dass viele "wie die Lemminge" auf den Abgrund zurennen, einfach ignorieren, was am Ende des Lebens alles droht - eine Situation, mit der ich mich nicht mehr länger einfach so abfinden will.
Kommentare herzlich willkommen!
(Internet-Tipp: https://www.claudia-klinger.de/digidiary/04_06_01.htm)
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Marianne Brand
antwortete am 16.07.01 (18:27):
Hallo Claudia Klinger, Muß ein Mensch sich mit 47 Jahren schon Sorgen haben , wie ein Pflegeheim für ihn aussieht? Ich gehöre zu den Älteren, die nahe dran sind und mache mir natürlich Gedanken wo ich evtl. einmal einen guten Heimplatz finde.. Es liegt wohl an dem Menschen, der in diesem Fall für mich Verantwortung übernimmt.Denn in ein Heim gehe ich nur, wenn ich verwirrt bin. Bis dahin gibt es genug ambulante Pflege. Wichtig ist rechtzeitig und möglichst notariell beglaubigt einen Betreuer zu finden, der sich Mühe gibt einen guten Platz zu finden und immer wieder kontrolliert. Aber es ist gut, wenn immer wieder auf die schwarzen Schafe in der Branche hingewiesen wird. freundliche Grüße. Mariann B.
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Klaus
antwortete am 17.07.01 (16:24):
Sehr geehrte Claudia,
ich habe Ihren Beitrag und Ihre Eintragung in Ihrem Diary gelesen. Leider sind die Ausführungen mehr als beklemmend. Wie immer, wenn die Finger auf eine Wunde gelegt werden, schmerzt es. Diese schmerzt besonders stark. Es ist das Gefühl der Machtlosigkeit, welches mir zunehmend Ängste verursacht wegen meiner Schwäche, hier zu einer Änderung nichts beitragen zu können und damit leben zu müssen. Dieses Thema dürfte in einem Land, das sich zu Gute hält, zu den reichsten Ländern der Erde zu zählen und ein Netzwerk sozialer Sicherheit vorzuhalten, eigentlich gar nicht existieren. Aber, dieses "soziale Netz" gaukelt dem Bürger leider nur vor, alles sei in Ordnung und die negativen Erscheinungen - die ja zwangsläufig immer von der Presse aufgedeckt werden- seien Einzelerscheinungen, die, erst einmal veröffentlicht, auch abgestellt würden. Es ist aber in vielen Alten- und Pflegeheimen so, daß Personal nicht ausreichend vorhanden ist, die Arbeitsbedingungen dadurch massiv verschlechtert sind und damit die Motivation der dortigen Mitarbeiter auf dem Nullpunkt ist. Wenige Idealisten halten den Betrieb aufrecht. Man könnte vereinfachen und die Pflegeversicherung zum Sündenbock machen. Ich glaube aber nicht, daß es nur die Pflegeversicherung und die damit zwangsläufig zusammenhängenden Finanzprobleme sind. Ich bin vielmehr der Auffassung, daß diese Situation durch grundlegende gesellschaftspolitisches Probleme mit Schwerpunkt Familienpolitik entstanden sind und eine Umkehr kaum mehr möglich ist. Das die Menschen tragende System der Familie ist scheinbar nicht mehr zeitgemäß. Familien, wollen sie nicht zu den Verlierern gehören, werden immer kleiner, sie wohnen nicht mehr unter einem Dach zusammen,(sie werden globalisiert, wie alles heutzutage), die Zahl der Alleinstehenden wird immer größer- . Der Familienzusammenhalt ist kein Thema mehr. Wer heute davon spricht, daß Jüngere auch Verantwortung für Alte zu übernehmen hätten, kann mit keinem fröhlichen Echo rechnen. Das Abschieben der "Älteren" aus der Arbeitswelt (heute muß man jung und dynamisch sein) gehört mit in diesen Problemkreis. Das >>älter werden<< ist heute ein "Mangel". Das Alter hat an Image verloren und hat keine Lobby. Und wer keine Lobby hat, bleibt auf der Strecke. Hier also beginnt das eigentliche Problem >Armut - Partnerverlust- Isolation< wo wird es enden ?
Klaus
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Georg Segessenmann
antwortete am 17.07.01 (18:07):
Meine Lieben
Also ICH werde mich jedenfalls, wenn ich gegen die Hundert zugehe, in einem Altersheim anmelden - ob ichs dann nötig haben werde oder nicht(;--)))))
Gruss
Schorsch
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Klaus
antwortete am 18.07.01 (09:53):
Hallo Schorsch, Dir ist es gelungen, meine Mine aufzuhellen. Aber nur kurz. Nur kurz, weil das Thema wirklich ein schwerwiegendes Problem aufzeigt, welches bei uns in Deutschland zunehmend größer wird. Da es in der Schweiz ein anderes Gesundheitssystem gibt, bin ich leider nicht informiert, wie es um die Alten, die keine Familie haben und auch nicht über die nötigen Frankli verfügen, in den Heimen dort bestellt ist. Sicher gibt es hier in der Bundesrepublik viele Häuser, die auch in heutigen Zeiten sehr gut geführt werden, aber auch diese kämpfen den Kampf gegen die Kostensteigerungen und werden, wenn nichts dagegen getan wird, diesen Kampf mit den gleichen Mitteln kämpfen müssen, wie alle anderen auch - sie werden die Personalkosten "in den Griff" kriegen müssen. Eines Tages wird unsere Gesellschaft daran gemessen werden, wie sie mit ihren Alten umgegangen ist. Wie gesagt, Schorsch, ein wirkliches Problem, dessen Lösung größter Anstrengungen bedarf, doch welcher Politiker ist bereit dieses Thema wirklich anzupacken ? In der Hoffnung, daß sich doch noch Mutige finden und etwas tun, grüße ich Dich herzlich, Klaus
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Claudia Klinger
antwortete am 18.07.01 (11:23):
Hallo alle,
Politiker werden das nur anfassen, wenn es breite Kreise in der Gesellschaft nicht mehr verdrängen, Forderungen stellen und auch bereit sind, selber etwas zu tun. Auf meinen Tagebuch-Eintrag hin habe ich etliche Reaktionen "mittelalter" und jüngerer Menschen bekommen, an denen ich sehen konnte, dass das Thema die Leute tief betrifft, dass sie aber vor Angst und Ohnmacht meist lieber nicht daran denken. Diese Haltung müßte man verändern!
Die Situation, wie sie tatsächlich ist, bringt viele dazu, für aktive Sterbehilfe einzutreten, nach dem Motto, besser das als ein elend langes Leiden. Viele denken wohl auch: Ich bring' mich rechtzeitig um.... aber das ist sicher eine Täuschung, was ist schon "rechtzeitig"?
Gruss
Claudia
(Internet-Tipp: https://www.claudia-klinger.de/digidiary/06_06_01.htm)
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Georg Segessenmann,alias Georg von
antwortete am 18.07.01 (11:25):
Lieber Klaus
In der Schweiz bestehen 4 Altersvorsorgen:
1.) die staatliche (AHV), in welche alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber hälftig einzahlen. Je nach einbezahlten Beiträgen und Beitragsjahren ist dann die Rente. Die Maximalrente ist doppelt so hoch wie die Minimalrente.
2.) die betriebliche Vorsorge. Diese wird ähnlich wie die AHV finanziert. Es gibt dann Renten nach den einbezahlten Beiträgen oder nach der anvisierten Rentenhöhe.
3.) jährlichen Beiträgen, die jeder Arbeitnehmer oder Selbständige steuergünstig noch selber anhäufen kann. Der Maximalbetrag pro Jahr wird vom Gesetzgeber nach Kostenindex festgesetzt.
4. den Lebensversicherungen und ähnlichem.
Geht ein Mensch ins Altersheim, wird das mal erstens von seinen Renten finanziert. Dann kommt das Vermögen dran (hat einer zum Beispiel ein Haus gehabt und dieses vor Eintritt ins Heim verkauft, kommt der Erlös langsam aber sicher ins Heim). Bis auf einen Minimalbetrag, der dann noch für die Folgen des Ablebens auf Reserve gehalten wird.
Aber auch wenn jemand überhaupt keine Renten ausser der AHV haben sollte, wird er im Altersheim nicht verhungern. Dann kommen nämlich die Ergänzungsleistungen und ev. noch die Hilflosenrenten dazu.
Fazit: Ob Arm oder Reich, keiner muss verhungern. Aber die Superreichen gehen natürlich gar nicht in ein Öffentliches Heim sondern bleiben unter sich in Residenzen.
Obige Angaben sind nur rudimentär. Vollständige würden den Rahmen dieses Forums sprengen.
Schorsch
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Marianne Brand
antwortete am 18.07.01 (18:23):
Hallo, es ist wahr, die Angst alter Menschen vor einem Leben im Pflegeheim ist groß. Was können Politiker da tun? Mehr Geld für die Pflegeversicherung? Aber wer soll das zahlen? Das Pflegepersonal in den Heimenversucht zu tun was möglich ist. Es fehlt Zuwendung, einfach ein wenig Menschlichkeit, jemand der Zeit hat zuzuhören einmal vorliest, oder einfach einmal da ist Wäre das nicht eine Aufgabe für Senioren? Ich denke, der Ruf nach dem Staat d.h. nach den Regierenden bringt uns nicht weiter Das was in den Pflegeheimen fehlt sind Menschen die ehrenamtlich arbeiten. Dabei könnten auch evtl.Mißstände schneller aufgedeckt werden Das mein Vorschlag ein Stück des Problems zu lösen. Marianne B..
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Erna Ecker-Philippi
antwortete am 07.08.01 (18:48):
Ich glaube, in Deutschland braucht niemand verwahrlost zu sterben. Selbst Menschen, die sich gegen ein Altenheim wehren, werden im hilflosen Zustand aufgefangen. Ich kenne ein Ehepaar, der alte Herr senil, seine Frau schwer krebskrank. Beide wurden vom Pflegedienst betreut.
Freunde hätten Pflegeplätze in einem schönen Altenheim gefunden. Beide wehrten sich energisch dagegen, bis...
Die kranke Frau musste wieder einmal ins Krankenhaus. In dieser Zeit fiel ihr Ehemann aus dem Bett, wurde vom Pflegedienst gefunden und zunächst ebenfalls in ein Krankenhaus eingeliefert. Schießlich sorgten die pflegenden Personen für einen Pflegeplatz im Altenheim.
Auch seine Ehefrau, wurde aus dem Krankenhaus als Pflegefall in das gleiche Heim wie ihr Mann gebracht.Beide mussten jetzt Vorlieb nehmen mit einem Haus, das gerade noch freie Plätze zur Verfügung stellen konnte.Früher hätten sie wählen können.
Vielleicht sind beide nicht mit dem Heim zufrieden, aber verwahrlost müssen sie nicht sterben.
Das könnte nur passieren bei Menschen, die keinerlei sozialen Kontakt haben.
Deshalb sollten auch Nachbarn aufmerksam auf alte Mitmenschen achten, die sich in ihren vier Wänden verkriechen. Gute Nachbarn können allein durch ihre Beobachtungen Schlimmes verhindern.
Grüße an alle
Erna
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Bieger Hilde
antwortete am 16.10.01 (17:26):
An alle, Ich glaube Politiker und Geld kann da nicht weiter helfen. Wir alle müssen uns da beteiligen, es geht uns alle an. Es gibt rüstige Rentner, die noch etwas dazu beitragen könnten,auf freiwilliger Basis. Ich fange gerade damit an, ich fahre Essen zu älteren Menschen, man kann dabei aber nur ein paar Worte wechseln. Bei manch einem ist das Essen nicht so wichtig, menschliche Zuwendung wird gebraucht. Also jeder sollte für sich überlegen was er beitragen kann.
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Julka
antwortete am 19.12.01 (16:39):
Liebe Leser, aufmerksam habe ich die Beiträge gelesen. Ich glaube jedoch, dass hinter diesem Thema der Fragestellerin etwas anderes steckt: nämlich Einsamkeit u. eine depressive Grundstruktur. Dieses wurde nur auf eine andere Ebene verlagert. Meine Erfahrungen mit Altenpflegeheimen sind überaus positiv. Ich habe das Glück, in einem Heim zu leben, dass über personal verfügt mit sehr viel menschlicher Wärme u. Zuneigung. Ich fühle mich hier besser als zu Hause, wo ich einsam war. Hier genieße ich endlich, umsorgt und mit gutem Essen verwöhnt zu werden. Täglich gibt es 5 Mahlzeiten. Das Beschäftigungsprogramm ist ausgewogen und ebenso das kulturelle Angebot. Macht Euch keine unnötigen Sorgen. Es gibt auch gute Einrichtungen. Man muß sich nur rechtzeitig darum kümmern und informieren. Seid herzlich gegrüßt von einer glücklichen Heimbewohnerin Julka
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Rosmarie Schmitt
antwortete am 19.12.01 (18:13):
Liebe Julka,
das ist eine der schönsten, mutmachensten und aufbauensten Postings, die ich seit langem gelesen habe! Ich freue mich so sehr mit dir! Danke!
Übrigens habe ich eine Nachbarin, die vor kurzem einen Schlaganfall hatte und noch nicht wieder selbständig leben kann (sie war eine sehr aktive und engagierte Frau). Seit einer Woche ist sie in einem Pflegeheim und fühlt sich dort auch sehr wohl, obwohl sie natürlich doch hofft, irgendwann wieder in ihre Wohnung zurückkehren zu können. Aber in diesem Heim gefällt es ihr auch sehr gut...
Ich wünsche dir ein frohes und glückliches Weihnachtsfest und eine rundherum zufriedene und gesunde Zeit! Herzliche Grüße Rosmarie
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schorsch
antwortete am 20.12.01 (09:52):
Wenn ich meine 98-jährige Mutter im Heim besuche, wechsle ich auf dem Weg zu ihr Rechts und Links ein paar Worte mit Insassen und Personal. Ich merke, dass eine Frage nach dem Befinden oder auch nur ein Lächeln einen Sonnenstrahl ins Leben bringen kann...... Vielleicht schenkt mir dereinst, wenn ich mal selber hier sitze, jemand ein Lächeln, ein paar Worte?
Schorsch
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Juliana
antwortete am 28.12.01 (23:19):
Liebe Marianne B. und Bieger Hilde,in euren Anmerkungen kommt zum Ausdruck, was auch mich schon länger bewegt: Es reicht halt nicht aus, bei allem auf eine Regelung "von oben" (sprich:Institutionen,Regierung...) zu warten. Andere Länder, die sonst nicht gerade durch eine soziale Einstellung glänzen, wie etwa die USA, könnten da als gutes Beispiel dienen: Als Mitglied der Gesellschaft sollte es für jeden von uns viel selbstverständlicher werden, auch über den beruflichen Einsatz hinaus, die eigene Kraft noch für die Mitmenschen, die es nötig haben, einzusetzen. Ich denke, ein Ehrenamt, welches den persönlichen Möglichkeiten entspricht, kann auch in höherem Alter noch Erfüllung bringen.Da bei mir das Ende der Berufsphase ganz nahe ist, möchte ich jedenfalls in dieser Richtung aktiv werden. Ideen habe ich genug: Menschen, die nicht mehr mobil sind, einen Einkaufsbummel ermöglichen; anderen, die vergeblich auf Besuch warten, etwas vorlesen oder einfach miteinander reden, zuhören. Eisamkeit tut sehr weh- das musste ich selbst durch eine völlig unverhoffte Trennung erfahren- und jedes Gegenüber, das ein wenig Wärme und Verständnis spendet, gibt neuen Lebensmut. Ich hoffe, für meine zukünftigen Vorhaben recht viele Mitstreiter oder Nachahmer zu finden!
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Christel
antwortete am 27.01.02 (12:49):
Tun Sie selbst etwas gegen die Abneigung eines Pflegeheimes! Suchen Sie sich rechtzeitig ein Pflegeheim aus, daß Ihnen gefallen könnte. Nehmen Sie in diesem Heim teil an den Veranstaltungen. Nur so bekommen Sie einen Überblick über den allgemeinen Umgang mit den Senioren. Suchen Sie den Kontakt zu den Bewohnern, so lernen Sie die "Internas" kennen. Wie wäre es mit einem regelmäßigen Besuchsdienst? Überwiegt das "Positive" in diesem Heim, melden Sie sich an. Sagen Sie es einer Vertrauensperson oder halten dies schriftlich fest, dann werden Sie bei Notwendigkeit nicht nach j-w-d abgeschoben Sie werden in "Ihrem" Heim so bevorzugt aufgenommen.
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Barbara
antwortete am 27.01.02 (16:54):
Früher ging man ins Altersheim, wenn man sich überfordert fühlte, seinen Haushalt zu führen. Oft waren es verwitwete Männer, die drohten, anderenfalls zu verwahrlosen.
Heute kann man es sich gar nicht mehr leisten, aus diesen Gründen in ein Altersheim zu ziehen, da man für derartige Probleme keine Pflegestufe zugeteilt bekommt und man die Unterbringung von einer normalen Rente nicht zahlen kann. Aus diesem Grund findet man heute nur noch ausgesprochen gebrechliche, meist verwirrte alte Menschen in den Altersheimen, die ja heute auch Pflegeheime heißen.
Bis zu einem Sturz im Alter von 85 Jahren, hatte meine Mutter ihr Leben voll im Griff. Von einem Tag auf den anderen wurde sie zum Pflegefall. Da sie vollkommen desorientiert war, sich z.B. neben den Sessel setzte oder in den Schrank ihrer Einzimmer-Wohnung lief, weil sie dachte, das wär die Toilette, musste ich sie schweren Herzens in ein Pflegeheim bringen, das sie sich vorher ausgesucht hatte.
Es schmerzt mich noch heute (drei Jahre später), wenn ich daran denke, was wir dort erleben mussten. Obwohl der Leiter dieses städtischen Heims mir volle Pflege in jedem Zimmer zusagte, schaute bei ihr im vierten Stockwerk kaum jemand vorbei. Das Personal wurde in den letzten Jahren drastisch reduziert. Die vollkommen überlasteten Pflegerinnen hatten ihre Station im ersten Stock und kamen so gut wie nie bis in den vierten Stock hinauf.
Ärztlich wurde dokumentiert, dass meine Mutter in einwandfreiem körperlichen Zustand dieses Heim aufsuchte. Nach zwei Monaten war ihr Zustand jämmerlich. Der Körper war mit etlichen schwarzen Blutergüssen bedeckt, da sie nach Stürzen stundenlang auf dem Boden liegenblieb. Weil sie sich nichts allein zum Trinken einschenken konnte, bekam sie eben nichts. Gespräche mit Nachbarn fanden nicht statt, da es sich praktisch nur um Verwirrte handelte, mit denen man sich nicht unterhalten konnte.
Ich danke Gott noch heute, dass sie aufgrund dieser "Pflege" recht schnell eine Lungenentzündung bekam. Das Krankenhaus, das ihren Zustand vor Einlieferung ins Heim und dann wenige Wochen später sah, sagte ihr sofort zu, nicht in dieses Heim zurückzumüssen sondern im Krankenhaus bei liebevoller Pflege sterben zu dürfen.
Mein Dank gilt noch heute diesem liebevollen Pflegepersonal im Krankenhaus.
Barbara
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Rosmarie Schmitt
antwortete am 27.01.02 (17:43):
Liebe Barbara,
was für ein erschütternder, entsetzlicher Bericht!
Meine Mutter war zehn Jahre lang bis 97 hier in einem Altenheim (auch verwirrt, auch im 4. Stock...). Mit der Betreuung in diesem Heim war ich im Großen und Ganzen zufrieden. Allerdings weiß ich nicht, wie es gewesen wäre, wenn ich nicht jeden Tag erschienen wäre... Nicht jede Pflegekraft war freundlich, mit dem Helfen beim Essen klappte es oft nicht so recht, und es kamen auch mehrmals die falschen Tabletten... Aber bei der Belastung der Pflegerinnen hatte ich dafür volles Verständnis. Aber ganz abgesehen vom Einsatz des Pflegepersonals ist der Gedanke für mich ein Alptraum, dass ich ohne eine stützende Hand verwirrt in einem Heim leben müsste. Wer bringt mir Lieblingsessen mit, wer Obst oder Pralinen, wer Taschentücher oder neue Unterwäsche? Mit wem soll ich reden, wenn ich verwirrt bin und auf eine sich mir ganz zuwendende Person angewiesen bin, die sich immer wieder das Gleiche anhört? Wer besorgt mir Radio oder Fernseher oder spielt mir meine Lieblingsplatten vor?
Das Traurige, was ich bei meiner Mutter erlebt habe, war weniger das Heim, sondern mehr der bedauernswerte Zustand der Bewohner, der es ihnen unmöglich machte, noch selbständig zu leben und der im Heim natürlich genauso bedauernswert blieb...
Möge allen, die in diese Lage kommen, ein Heim von der Sorte, wie du es erlebt hast, erspart bleiben!
Betroffene, herzliche Grüße Rosmarie
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Barbara
antwortete am 27.01.02 (23:29):
Ach Rosmarie,
ich muss noch etwas loswerden.
Mein Großvater lebte seit Kriegsende von Sozialhilfe. Er starb 1973 mit über 80 Jahren, verbrachte die letzten zehn Jahre seines Lebens in einem öffentlichen Heim. Er gehörte zu den Männern, die nach dem Tod der Ehefrau in Gefahr sind, zu verwahrlosen. Ansonsten war er nicht krank, nicht pflegebedürftig.
Er lebte in einem Blindenheim, obwohl er selbst nicht blind war. Dort konnte er vielen Mitbewohnern bei schriftlichen Arbeiten helfen, mit ihnen am See spazierengehen und ihnen die Wunder der Natur beschreiben. Wie gesagt, er lebte von Sozialhilfe. Er fühlte sich in diesem Heim sehr wohl, fand im hohen Alter dort sogar noch eine Lebensgefährtin.
Ich denke oft, wie es ihm wohl heute ergangen wäre. Dabei hatte die damalige Gesellschaft nach dem Krieg das zerstörte Land aufzubauen, sie musste praktisch von Null beginnen und konnte ihre Alten trotzdem menschenwürdig versorgen.
Und heute? Wir gehören zu den reichsten Ländern der Welt und können unseren Alten kein menschenwürdiges Leben bieten. "Es ist nicht bezahlbar".
Kann das wahr sein?
Barbara
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Heidi
antwortete am 27.01.02 (23:49):
Ja, das ist wahr, Barbara und alles andere was ich oben gelesen habe zum größten Teil auch.
Ich bin Altenpflegerin und arbeite als Vollzeitkraft in einem Altenpflegeheim.
Seit Jahren versuchen Kolleginnen und Kollegen durch Öffentlichkeitsarbeit auf die Misstände aufmerksam zu machen. Es ist sinnlos, ich habe es für mich aufgegeben.
Ich schreibe noch dazu, aber eher zu meiner Entlastung als in der Hoffnung, dass sich etwas ändern wird.
(Internet-Tipp: https://www.h-lachnitt.de/gedicht.html)
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Heidi
antwortete am 28.01.02 (00:07):
Vielleicht doch noch etwas mehr: Nach meinen Erfahrungen aus etlichen Pflegeheimen bemüht sich das Pflegepersonal nach besten Kräften aus dem knappen Zeitkontingent soviel Zeit wie möglich für die persönliche Zuwendung an die Bewohner heraus zu holen. Es ist immer zu wenig..
Wir sind dankbar für jeden Angehörigen, für jeden Ehrenamtlichen der sich um einen unserer alten Menschen kümmert. Es sind immer zu wenig..
Es ist zum Verzweifeln, dass wir alle immer nur "zu wenig" tun können.
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Claudia Klinger
antwortete am 28.01.02 (09:41):
Liebe Leute,
schon ziemlich lange her, dass ich diesen "Thread" mit "Verwahrlost verenden" eröffnet habe - und ich freu mich, dass immer noch Beiträge dazu erscheinen!
Für mich (erst "junge 47 :-) ist das Thema keinesfalls aus der Welt - ich arbeite an einem Konzept, ein Altenheim zu "verwebben". Stelle mir vor, dass sich vieles verbessern könnte, wenn mehr Öffentlichkeit und Möglichkeiten zur Einsicht in so ein Altenheim gegeben wären. Also kein "Prospekt" im Web, sondern Plattformen zur Information und Interaktion für die beteiligten Gruppen (Bewohner, Mitarbeiter, Angehörige, Ehrenamtliche, Heimprojekte...).
Doch nun zu meinen Fragen: aus den - teilweise erwartungsgemäß erschreckenden Beiträgen - schließe ich, dass es offensichtlich einen BEDARF gibt, bereits früher und nicht erst als Pflegefall in ein Heim zu ziehen. Und das scheint nicht möglich, weil es zu teuer ist und die Ämter und Kassen erst dann zahlen, wenn es "zwingend" ist. Seh ich das richtig???
Ich frag mich nun mal ganz banal: Mit meinem Lebensgefährten lebe ich zusammen insgesamt günstiger (finanziell), als alleine. Warum zum Teufel soll das eigentlich anders sein, wenn mehrere (noch Rüstige) zusammen leben, also Alte in einem Heim? Es wird doch dann alles billige - warum gibt es denn keine preiswerteren Heime??? Was denkt Ihr? Ich hab mal recherchiert und ungefähr herausbekommen, dass es so bei 4500,- (noch DM) im Monat anfängt - stimmt das? Scheint mir eine riesige Summe!
Mich wundert, dass bisher niemand versucht hat, eine neue Art Altenheim, sozusagen selbst organisiert, auf die Beine zu stellen! Das große Ding bei der Finanzierung wäre vermutlich die Ersteinrichtung, wenn man ein Gebäude kaufen oder Umbauen muß - aber dann???? Dann könnte es doch sein wie eine große WG - mit ein paar Leuten fürs Kochen und Putzen und Organisieren - das muss doch m.E. nicht so rirre teuer sein!
Was denkt IHR????
Lieben Gruss
Claudia
(Internet-Tipp: https://www.claudia-klinger.de/digidiary/)
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Ingrid Ausfeld
antwortete am 31.01.02 (11:02):
Oder "Gemeinsam wohnen"? Auch ein Forum, sollten wir die nicht zusammentun? Es gibt auch noch "Forum für Senioren", dort im Wohnforum wird das Problem immer wieder von neuem angesprochen. Ich arbeite seit einigen Jahren daran, komme aber nicht weiter, wäre froh über eine zentrale Stelle. MfG Ingrid
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Ingrid Ausfeld
antwortete am 01.02.02 (11:02):
Liebe Marianne Brand, ich habe Ihnen eine Antwort-email schicken wollen, sehe aber nicht, obs geklappt hat. Könnten Sie sich nochmal melden. MfG Ingrid Ausfeld
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Karamel
antwortete am 24.02.02 (16:57):
Es wundert mich sehr wie wenig man im Alter von der realen Gesellschaftsstrucktur mitkriegt.Glaubt doch nicht,nur weil ihr eine gute Rente bezieht könnt ihr euch eine gute Altersversorgung kaufen.Ich möchte rechtzeitig mich darum kümmern im Alter würdevoll zu leben.Hier in D habe ich allerdings den Eindruck Daß sich die gute Versorgung aufs Feudelgeschwader bezieht, und die Verwaltung das Geld verwaltet.Sicher gibt es einige gute Altenheime,aber wiele alte Menschen vwerbringen ihr Leben wie Hühner in einer Legebatterie.Wie ändern? Da ist Kreativität gefordert.
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Claudia
antwortete am 24.02.02 (19:57):
Hallo, ich habe eine demenzkranke Mutter, 84Jahre, die seit 9 Monaten im Pflegeheim in Hannover wohnt. Ich rege mich ständig über die Zustände dort auf und kann keine Gelassenheit finden. Wer hat ähnliche Erfahrungen gemacht oder kennt ein Heim, in dem die Menschen liebevoll behandelt werden?
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