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THEMA: Behütete Umgebung macht alte Menschen wieder zu Kindern
9 Antwort(en).
Ricardo
begann die Diskussion am 03.11.00 (08:58) mit folgendem Beitrag:
Diesen Artikel habe ich in Bild der Wissenschaft gefunden:
Psychologie 25.03.1999
Behütete Umgebung macht alte Menschen wieder zu Kindern
Wenn in Altenheimen oder -tagesstätten mit alten Menschen wie mit kleinen Kindern umgegangen wird, muß man sich nicht wundern, wenn sie tatsächlich infantil werden. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die die Gerontologen Sonia Miner und Melinda Rich von der University of Utah in zwei Altentagesstätten durchgeführt haben.
“Eigentlich bin ich in die Tagesstätten gegangen, um zu sehen, wie die Senioren, Freundschaften schließen oder miteinander umgehen", sagt Miner. “Aber als ich dann in einer der Tagessstätte war, merkte ich, daß die Umgebung infantilisierend wirken konnte. Die dort Betreuten fühlten sich nicht nur wie in einer Kinderaufbewahrungsanstalt, auch das Personal behandelte die Alten aufgrund dieser Umgebung so." Diese Infantilisierung der Senioren wird beispielsweise durch die Anrede mit einem Kosenamen, durch Erhöhung der Stimmlage beim Sprechen außerdem durch simple Inhalte und den bewußten Gebrauch einfacher Wörter erzeugt.
In der zweiten Altentagesstätte, die Miner untersuchte, herrschte hingegen eine ganz andere Atmosphäre. Dort sprach man mit den alten Besuchern, wie mit erwachsenen Menschen. Zu den angebotenen Aktivitäten gehörten Spaziergänge, Musiktherapie, ein Zeitungslektürekurs und Sport.
“Dem Personal könnte der Effekt der Infantilisierung bewußt gemacht werden. Es sollte die alten Menschen ihrem Alter entsprechend behandeln und erlauben, daß sie ihren Bedürfnissen nach Selbständigkeit, Unabhängigkeit, Privatsphäre und Freundschaft Ausdruck verleihen", schreibt Miner in ihrer Studie, die in der kommenden Ausgabe des “International Journal of Aging and Human Development" erscheinen wird. Doris Marszk, Newswise
Daher: Senioren ans Netz !!!!!!!
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Heidi Lachnitt
antwortete am 08.11.00 (21:50):
"..Es sollte die alten Menschen ihrem Alter entsprechend behandeln und erlauben, daß sie ihren Bedürfnissen nach Selbständigkeit, Unabhängigkeit, Privatsphäre und Freundschaft Ausdruck verleihen"...
Das sollte für eine ausgebildete Altenpflegerin eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Muß aber zugeben, dass die schwarzen Schafe unter uns sich immer noch erlauben, alte Menschen zu duzen, zu bevormunden oder tatsächlich als Kinder zu behandeln. Ich kämpfe dagegen an anderer Stelle - ist auch eine Form von Gewalt.
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Infantilisierung "..durch Erhöhung der Stimmlage beim Sprechen außerdem durch simple Inhalte und den bewußten Gebrauch einfacher Wörter erzeugt..."
Bitte nicht verallgemeinern, Ricardo!
Wenn ich in Gedanken durch meine Station gehe (Pflegeheim) stelle ich fest, dass sich meine Stimme durch eine ganze Oktav durcharbeitet, immer abhängig von dem alten Menschen, dem ich gerade gegenüber stehe. Es gibt alte Menschen, die haben Angst vor tiefen Stimmen - es gibt alte Menschen, die mögen keine hohe Stimme. Das ist individuell sehr verschieden und es gehört zu meinen Aufgaben auf diese Individualität einzugehen.
Bei manchem verwirrten alten Menschen ist es unbedingt notwendig, in einfachen klaren Sätzen oder gar nur Wörtern zu sprechen - er versteht mich sonst nicht! Das hat nichts mit Kindersprache zu tun, sondern mit dem Vermögen des alten Menschen zu kommunizieren.
Im übrigen stimme ich Dir zu - Senioren ans Netz - wir müssen unseren Geist wach halten, vor allem unseren Kampfgeist!
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Heidi Lachnitt
antwortete am 08.11.00 (23:25):
Zur Situation bei uns (weil USA so weit weg ist) ein Gedicht aus der Dementen-Tagesbetreuung
Neben Dir
Du bist mir fremd Du lebst an andren Orten hast viele Schrecken dort kannst reiche Schätze horten.
Ich kann Dir nur die Hand zur Hilfe reichen und mich bemühen, nicht von Deiner Spur zu weichen.
Dabei Dein Ich und Deine Eigenart beachten und mir dann Deine Welt aus Deiner Sicht betrachten.
Wenn ich versuch, still neben Dir zu gehen dann kann es manchmal sein, daß wir uns gut verstehen.
Dann siehst Du mich, ein Lächeln schenkst Du mir und Deine Angst fliegt fort- ein reicher Lohn von Dir.
Am nächsten Tag weißt Du von gar nichts mehr Du siehst durch mich hindurch der Blick ist starr und leer.
Und wieder neu beginnt jetzt unser Weg ich gehe neben Dir such einen neuen Steg...................
Sylvia Hilpisch
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Trudi
antwortete am 11.11.00 (00:50):
Liebe Heidi,
den Worten Deiner letzten beiden Beiträge kann man - wenn man weiß, wie es in den Alten- und Pflegeheimen aussieht - nichts hinzufügen, wenn man den Menschen, die dort leben und arbeiten, nicht Unrecht tun will. Ich kann jedes einzelne Wort unterstreichen! Senioren ans Netz - gut und schön! Ich bin dabei. Aber man sollte differenzieren, und vielleicht sollten die, die das so blauäugig als "Allheilmittel" vorschlagen, mal ein "Praktikum" im Heim ableisten?!
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bruno
antwortete am 13.02.01 (22:19):
Was sagt uns das??? Warte nicht auf irgendeine Hilfe. Wenn du 60 und älter bist, suche nach eigenen Möglichkeiten - Motto. Hilf dir selbst, sonst hilft dir ein sozialarbeiter. Mfg. Bruno
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Gerda Bruhn
antwortete am 21.02.01 (21:02):
Lieber bruno! Das Handwerk eines Sozialarbeiters ist nicht mehr und nicht weniger als Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Schwarze Schafe gibt es in jedem Beruf; nur bitte nicht verallgemeinern. Danke. Eine Sozialarbeiterin.
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Bruno
antwortete am 21.02.01 (21:59):
Hallo, Gerda, kalr, so steht in den Lehrbüchern und wird auch an den Hochshculen gelehrt. auch in supervision kommt das immer wieder vor. Dagegen ist ja auch nix zu sagen- aber die Praxis ist da ja manchmal anders. Es gibt ja so einen Kreislauf - bzw. so ein System gerade bei hilfsbedürftigen menschen. Jeder gibt gern Hilfe, und der Hilfsbedürftige signalisiert: mehr davon. Und so geht der Kreislauf los. heraus kommt die "erlernte Hilflosigkeit". Da bedarf es seitens des helfers schon einer hohen persönlichen und professionellen Kompetenz, und auch der Hilfe von Aussen, durch supervision oder Fortbildung, um nicht darauf reinzufallen. Speziell dann, wenn noch eine gewissen persönlich Disposition zum Helfersyndrom gegeben ist. Weil es ja viel einfacherist, zu helfen und zu helfen , als die Grenzen der Hilfe und der Hilfsbedürftigkleit genau auszuloten. Da ist es mit Sprüchen nicht getan, was ein sozialarbeiter sein oder tun sollte. Das hilft wirklich niemandem. herzlichst Bruno
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Gerda Bruhn
antwortete am 21.02.01 (22:17):
Heidis Gedicht über Menschen in der Dementenabteilung ist nichts mehr hinzuzufügen. Hilfe nach Maßgabe der Bedürfnisse. In diesem Artikel wird viel zu wenig differenziert und demnach hat er für mich keine Aussage. Was Gerontologen kindisch finden, muß nicht zwingend kindisch sein. Selbstverständlich duzt man Erwachsene nicht, auch nicht, wenn sie dement sind. Nur - jeder, der mit alten Menschen NÄHER zu tun hat, weiß, daß es nicht selten vorkommt, daß aus dieser menschlichen Nähe das wechselseitige, fast familiäre Du entsteht. Dann ist es auch o.k. Alteneinrichtungen haben sicher ihre Mängel - Pflege in der Familie hat wieder andere Tücken und es gibt Formen der Pflegebedürftigkeit, die einen Verbleib im eigenen Haushalt trotz ambulanter Hilfen ausschließen. Wenn wir das Problem des Altwerdens in unserer Leistungsgesellschaft nicht so verdrängen würden, hätten wir uns schon längst bessere Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen.
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doris16
antwortete am 12.05.01 (19:27):
Das ist nicht unbedingt negativ, meiner Meinung nach. Viele alten Leute sind hilfsbeduerftig wie Kinder - - wenn man darauf eingeht, dann ist das gut fuer beide Teile. Das Duzen ist hier ueberall Gang und Gebe, stoert mich auch im Deutsch-Kanadischen Pflegeheim, wo ich oft freiwillig aushelfe. Aber es ist direkt beleidigend, finde ich, in meinem Alter z.B. von einer Sprechstundenhilfe, die 40 Jahre juenger ist als ich, mit Vornamen angesprochen zu werden. Habe ich an anderer Stelle schon gesagt, das lege ich als Zeichen mangelnden Respekts aus, allerdings wird's wohl als demokratisch/gleichberechtigt angesehen.
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Gerda
antwortete am 29.06.01 (21:31):
Lieber Bruno! Hab gerade erst Deine Reaktion (grau ist jede Theorie, auch beim Sozialarbeiter) gelesen. Ich schlage vor, wir treffen uns in der Mitte. Bei uns heißen diese Leute, mit denen Du uns drohst, "Für-sorger". Vor diesen würde ich mich auch fürchten. Das Helfersyndrom haben wir wohl alle, die wir in helfenden Berufen arbeiten. Was ficht uns an, uns um fremder Leute Angelegenheiten zu kümmern?... Aber man kann dieses so oder so ausleben. Herzlich, Gerda
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