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THEMA:   Gehört der Mensch sich selbst? (Irina)

 27 Antwort(en).

Irina begann die Diskussion am 29.03.04 (08:23) mit folgendem Beitrag:

"Der Erste Mensch der sein Recht auf Leben nachweislich als Selbstbestimmt darstellen kann (ich meine im konkreten der klar und nachvollziehbar aufzeigen kann das er seine Zeugung und Geburt selbst bestimmt hat)wird auch keine Probleme damit haben sein Recht auf den selbstbestimmten Tod rechtlich durchzusetzen." (Elefant)

Dieser Eintrag regte mich zu der Fragestellung in der Überschrift an.
Zeugung und Geburt selbst bestimmen? Überspitzt bis unmöglich!
Tod selbst bestimmen?

In meiner Verwandtschaft befindet sich eine junge Frau, die bis vor einigen Jahren unter schweren Depressionen litt. Ihre Mutter hatte zuerst Schwierigkeiten, überhaupt schwanger zu werden ("sie wollte nicht hinein"); dann war es eine komplizierte Geburt (Saugglocke) ("sie wollte nicht hinaus"). Später sagte das Mädchen oft: "Ich wollte nicht geboren werden. Ich w i l l nicht leben." Die Mutter mußte wegen häufiger Suicid-Gefahr sehr auf ihre Tochter aufpassen -, mindestens so lange, bis 'sie sich selbst gehörte' und die Verantwortung für sich selbst allein trug.

Aber: gehört der Mensch je sich selbst??


Irina


Karl antwortete am 29.03.04 (08:49):

Hallo Irina,

ein interessantes Thema. Die Frage stellt sich natürlich: Wenn nicht mir selbst, wem gehöre ich dann? Ich persönlich glaube schon, dass man sich selbst am meisten gehört, allerdings ist ein Leben ohne die Gemeinschaft nicht möglich und deshalb sollte man sich auch ihr verpflichtet fühlen. Da sich Deine Frage speziell an dem Problem "selbstbestimmtes Sterben" entzündet hat, auch hierzu meine Meinung. Ich hoffe, solange ich selbstbestimmen kann, werde ich am Leben hängen. Wer aber kann die entstehenden Situationen voraussehen? Verständnis für Menschen, die selbstbestimmt sterben möchten und entsprechende Patientenverfügungen aufsetzen, habe ich.


schorsch antwortete am 29.03.04 (10:32):

Da kein Mensch ohne Mitmenschen (oder Mitwesen) leben kann, ist anzunehmen, dass auch kein Mensch je sich selber allein gehören kann. Denn jeder Mensch hat nicht nur gegenüber sich selber, sondern gegenüber einer ganz grossen Anzahl Mitmenschen (oder Mitwesen) Verantwortung.....


hl antwortete am 29.03.04 (10:44):

Da der Mensch in jeder Hinsicht abhaengig ist von seiner Umgebung, ist seine Selbstbestimmung beschränkt auf die Selbstzerstörung. Inwieweit das ein "Eigentumsrecht" ist, überlasse ich dem Leser. :-)


Irina antwortete am 29.03.04 (12:24):

"Da der Mensch in jeder Hinsicht abhaengig ist von seiner Umgebung ..." (hl)

Dieses bestreite ich.

Meine Meinung:
Du bist, was du aus dir machst. Und was du geworden bist, liegt längst jenseits aller Abhängigkeiten.
(Hier ist das "du" absichtlich klein geschrieben!)
----------------------------
Was ich überhaupt nicht verstehe, ist das ":-)".
Was ist daran zum Lachen?


Irina


Irina antwortete am 29.03.04 (12:33):

An Schorsch:
Du schreibst "kein Mensch" bzw. "jeder Mensch".

Ich halte das für zu pauschal ausgedrückt.

Es sei denn, ein völlig für sich lebender Mensch ohne jeglichen Anhang habe noch Verantwortung zu tragen für den Staat, die Kirche, die Umwelt, die Armen und Kranken usw.

Dennoch meine ich, daß er sich in bezug auf solche Punkte "selbst gehört". Eine eventuelle Selbstzerstörung würde niemanden aus den genannten Gruppen tangieren.


Irina


hl antwortete am 29.03.04 (12:38):

vorab: das Lächeln :-) bezieht sich auf den letzten Satz.(s.o.)

"..was du geworden bist, liegt längst jenseits aller Abhängigkeiten"

Ich bin, was ich aus mir mache, soweit es meine Möglichkeiten/Umgebung/Umwelt (physisch, psychisch,sozial etc.) zulassen. Das sind Abhängikeiten!

Was nützt z.B. dir, Irina, der Wunsch, bei Eintritt bestimmter Kriterien durch fremde Hand sterben zu wollen, wenn unsere derzeitigen Gesetze es nicht erlauben?


Irina antwortete am 29.03.04 (12:40):

Lieber Karl,
mein zerfetztes Thema "Selbstbestimmtes Sterben" war ins Forum gesetzt worden, weil ich über die Legalisierung der 'Tötung auf Verlangen' diskutieren wollte.

Vielleicht habe ich mich zu ungenau ausgedrückt.

Sterben wollen wie das Kätzchen (es ist eine wahre Begebenheit)!!
Was sonst hätte die Schilderung von dessen Tod hier zu suchen gehabt?


Irina


Irina antwortete am 29.03.04 (12:45):

"Ich bin, was ich aus mir mache, soweit es meine Möglichkeiten/Umgebung/Umwelt (physisch, psychisch,sozial etc.) zulassen. Das sind Abhängikeiten!" (hl)

Mal lesen:
" ... was du geworden bist, liegt
l ä n g s t j e n s e i t s aller Abhängigkeiten ... " (Irina)


Irina


Medea. antwortete am 29.03.04 (13:28):

Erstens: gehöre ich mir selbst;
zweitens: gebe ich von mir ab
- an die Kinder, die Eltern, die Freunde, meine Tiere etc.,

den Anteil wiederum bestimme ich selbst.... (hoffe ich doch, falls Gefühle und Verantwortung nicht überhand nehmen und mich anfangen zu beeinflussen)

schwierig zu beantworten, Irina.


hl antwortete am 29.03.04 (13:33):

Doppler gelöscht :-)


Irina antwortete am 29.03.04 (14:06):

Ach danke, hl,
schon ewig suche ich in meinem Gehirn nach dem Namen für ein bestimmtes physikalisches Phänomen. Nun hab ich es: Doppler-Effekt. :-)
----------
Das nur nebenbei.

Irina


carla antwortete am 29.03.04 (20:29):

Der erwachsene Mensch gehört sich selbst, ist aber zu dem Menschen geworden, der er ist in Abhängigkeit der Umstände, in die er hineingewachsen ist. Auch die gesellschaftlichen Regeln sind ja Abhängigkeiten. Mensch mag die zwar überwinden oder brechen; er wird sich dann aber schwer damit tun und vielleicht manchmal sogar nicht mehr seinen eigenen Weg gehen können, weil Regeln ihm das verunmöglichen.
Wenn ein Mensch sterben möchte und dazu körperlich fähig ist, wird er immer Möglichkeiten finden, seinen Tod herbeizuführen, wenn er es wirklich will. Die Frage stellt sich in diesem Fall allerdings für mich, ob ein durch Depression suizidgefährdeter Mensch tatsächlich er selbst ist oder aber "ferngesteuert" durch hormonelle Ungleichgewichte, durch Traumata, durch Gifte usw.


maggy antwortete am 29.03.04 (23:37):

Irina, das ist eine schwere Frage...
Ein Versuch, sie aus meiner Sicht zu betrachten:

Ja, der erwachsene Mensch gehört zunächst sich selbst. Er liebt sich selbst auch am meisten. Er kann aber durch Einflüsse von außen, wenn er diese zuläßt, seine Sichtweisen ändern. Diese Einflüsse können positiv oder auch negativ sein.
Ich denke da aber wie Medea und auch Schorsch. Der positive Mensch gibt dann von sich ab. Er trägt Veranwortung für Andere.
Eines der schwersten Gebote aus der Bibel ist dieses: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.

Irina, es ist jetzt schon spät, aber ich werde mir weiter meine Gedanken über dieses Thema machen - gute Nacht


Irina antwortete am 30.03.04 (07:55):

" ... ob ein durch Depression suizidgefährdeter Mensch tatsächlich er selbst ist ... " (carla)

Im Thema "Selbstbestimmtes Sterben" schrieb ich eingangs:
"Dabei betone ich, daß ich keineswegs für Freitod oder Euthanasie plädiere bei Krankheiten, nach deren Heilung noch ein lebenswertes Dasein erwartet werden kann (z.B. Depressionen)."

Du hast recht, carla, ein depressiver Mensch wird gesteuert durch seine Krankheit und ist u.U. nicht einmal vor dem Gesetz für seine Handlungen voll verantwortlich.
E r "gehört" sich nicht selbst und ist "abhängig" von Gutachtern und Juristen.

Irina


wanda antwortete am 30.03.04 (09:11):

ich bin da, bin ein winzig kleiner Teil dieser Welt in die ich gehöre, aber ich gehöre mir nicht. Mir gehören Gegenstände, wie Bücher, Schränke, Schubladen usw.
Was aus mir geworden ist, oder dass ich so bin, wie ich bin, hing schon davon ab, in welche Familie ich hineingeboren wurde.

Habe ich das sogenannte "Urvertrauen" aufbauen können oder nicht, bin ich zur richtigen Zeit an gewisse Dinge herangeführt worden oder nicht usw. usw.
Am Leben sein, heißt für mich empfangen und geben und insofern bin ich immer mit anderen verbunden - man spricht ja auch von dem sozialen Netz, was uns trägt.
Als eigenständiger Mensch kann ich freie Entscheidungen treffen und das tue ich auch ohne dass ich glaube, mir zu gehören.


carla antwortete am 30.03.04 (16:20):

Je öfter ich hier lese, daß ich mir gehöre oder auch nicht, desto weniger kann ich mit dieser Formulierung anfangen. Demnach müßte es ja irgendwelche Kriterien geben, die eindeutig klarstellen, wann Mensch "sich selbst gehört" und wann eben nicht. Aber die gibt es meines Erachtens nicht, wer sollte sie auch aufstellen? Wer hätte denn diese Draufsicht?
Also können wir nur mit dem uns zugänglichen Potential werkeln, das wir aus Erbanlagen, Erziehung, selbst erworbenen Fähigkeiten und Glück oder Unglück (andere sagen Karma, Schicksal) der Umstände zur Verfügung haben.


Irina antwortete am 31.03.04 (09:21):

... müßte es ja irgendwelche Kriterien geben, die eindeutig klarstellen, wann Mensch "sich selbst gehört" und wann eben nicht. Aber die gibt es meines Erachtens nicht, ..." (carla)

Eben d e s h a l b die Überschrift!
Vielleicht finden wir ja in einer Diskussion etwas heraus?


Meine Meinung:
Wir gehören uns so lange selbst, wie wir nicht gezwungen werden, uns natürlichen oder politischen Gesetzen zu unterwerfen. Aber die hier oft betonte Verantwortung für andere macht uns nicht abhängig: wir können sie übernehmen, müssen aber nicht.
So lange etwas dem freien Willen überlassen ist, stellt es ein 'Sich-selbst-Gehören' nicht infrage.

Irina


schorsch antwortete am 31.03.04 (09:55):

Wer bei sich selber zuhause ist, der hat die grösseren Chancen, sich selber zu gehören......


Irina antwortete am 31.03.04 (11:38):

Einer Deiner wertvollen Sprüche mit übertragenem Sinn! (ernst gemeint)

Irina


maggy antwortete am 31.03.04 (12:43):

Schorsch, wie wahr - wie wahr!
Dem kann ich Dir nur beipflichten.

Irina, in dem Satz von Schorsch steckt so viel drin, ich möchte dem nichts weiter hinzufügen.


Irina antwortete am 31.03.04 (16:25):

Man muß nur begreifen, welches der übertragene Sinn von Schorschs Sentenz ist, dann steht einer Meinung, der Mensch gehöre sich selbst, nur noch entgegen, daß viele leider nicht bei sich selbst zu Hause sind.

Und das wäre dann ein neues Thema: was bedeutet 'bei sich zu Hause sein'?

Irina


drw antwortete am 31.03.04 (17:06):

Ich gehoere mir selbst weil ich mich (mein Leben) als Geschenk betrachte.
Mit diesem Geschenk gehe ich in Dankbarkeit um.


maggy antwortete am 31.03.04 (22:25):

@ drw
das klingt sehr gut. Das Leben als Geschenk zu betrachten.
Dem stimme ich gerne zu.

@ Irina
dir möchte ich danken für das Thema.


carla antwortete am 01.04.04 (18:52):

"Wer bei sich selber zu Hause ist..."
Ich habe diesen Satz ganz wörtlich genommen und dabei an mögliche Überlegungen gedacht, sein Leben zu beenden.
Das ist zu Hause, in den eigenen vier Wänden, eher möglich als z.B. in einem Heim.


frieder antwortete am 03.04.04 (10:51):

Ich sehe es so:
Zum einen ist alles was ich tue, was ich sage und denke öffentlich.
Es ist u n mittelbar da, auch wenn ich nicht mehr da bin.

Zum anderen ist alles was ich fühle ganz mein eigen.
Es kann kein anderer mit erleben. Ich kann von meinem Gefühl erzählen und dies wird dadurch öffentlich, aber eben nur mittelbar, nur in der Art und Weise, wie gut es mir gelingt, Gefühle öffentlich zu machen.

Nur was ein Mensch fühlt gehört im ganz.

Grüße von Frieder

Internet-Tipp: https://fritzunfried@n.zgs.de


wanda antwortete am 03.04.04 (14:08):

das gefällt mir, aber nicht nur, was ich fühle gehört mir, sondern auch meine Gedankenwelt. Der link funktioniert leider nicht.


FrauS antwortete am 08.05.04 (14:19):

Irina,

habe gerade dein Thema gelesen "gehört der Mensch sich selbst".
Ich finde eindeutig ja. Mann oder Frau darf das Recht äußern nicht mehr leben zu wollen z.B. bei einer schweren Krankheit. Das sollte in der Partnerschaft diskutiert werden und auch das Recht eingeräumt sein zu sagen "jetzt ist Schluß". Es gibt hier Mittel und Wege die ich für mich gefunden habe und auch froh bin das es sie gibt.

Aber dieses Recht sollte und muss jedem selber überlassen werden. Ein fremdeingreifen fände ich fatal. Aber genauso fatal fände ich es nur am Leben bleiben zu wollen, weil "andere" sich nicht von mir trennen können.

Brigitte