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THEMA:   Die Ehe ist kein Turnverein

 18 Antwort(en).

emilwachkopp begann die Diskussion am 11.03.04 (16:51) mit folgendem Beitrag:

Ich sag garnich, dass in die sechziger Jahre alles schlechter war als wie in die siebziger. Obwohl ich für die Musik eigenlich schon zu alt war, weil ich doch 1959 schon in Rente bin.
Aber meine Enkel waren jünger als wie ich und die haben mir immer viel Musik aus die Zeit vorgedudelt. Auf Platte.
„Hör mal, Opa Emil, das is das Neuste.“
„Jaja, je ehrer daran, je ehrer davon.“
Ich erinner mir heut noch an manche Musiker. An die Lords zun Beispiel. Fünf oder vier waren das, das hab ich jetzt vergessen. Jedenfalls hatten die immer so altertümliche Klamotten an und Haare von’n Kopp bis zur Schulter.
Das war wull, weil die noch zu jung für die Kaschemmen waren. Deswegen wollten die büschen älter aussehen.
Ich kenn das selbst noch von meine Jugend her. Vons Kino.
Ich hatte mir einmal sogar ein Vollbart angeklebt, dass man nur noch die Augen sehen konnte. Das Problem war bloß, dass ich den nich wieder abgekriegt hab. Sonst hätten sie eine Hauttransfusion (nannte sich das wull) ausführen müssen. Und das alles bloß wegen paar Frauen in Pettikoht. Auf Leinwand. Eigentlich bloß Lichtgeflimmer.
So verrückt war man damals noch. Heut wull ehrer nich mehr so. Weil man doch ins Alter sowas schon kennt.

Jedenfalls fand ich die Lords originell, weil ich vorher noch nie eine Kapelle gehört hatte, die schöne Stücke so verhunzen konnte. Die meisten haben noch versucht, mittelmäßige Stücke ehrer besser zu machen. Die Lords haben das genau umgekehrt gemacht: Die schönsten Lieder haben sie so zersäbelt und zerholzt, dat du glatt’n Schudder vun kriegen kunnst. „Green Sleeves“ oder „Glory, glory, hallo du da“. Mi löppt dat hüüt noch koolt’n Rüggen daal, wenn ik an denken do.
Denn gab das auch noch welche, die nannten sich die Rättels. (Das is Englisch, glaub ich.) Die waren noch besser.
Die haben oft falsch gesungen und wenn Stimmen gesungen wurden, denn waren die Sänger meist an verschiedene Stellen. Aber das war doch bloß wegen den Lärm. Wenn ich nichs mehr hör, denn hör ich auch nich mehr, was ich sing. Nich mal mehr, ob ich überhaupt noch sing. Und wenn ich denn auch noch Stimme singen soll, denn kann ich nich wissen, wo der andre graad is, weil ich den doch auch nich hör. Aber das hatte auch sein Gutes, denn auf die Art wurde viel improvisiert; auch wenn das meist keine Absicht war.
Bloß die Texte, die waren oft ziemlich quatschig. Da konnt ich mir manchmal richtig über aufregen.

„I say hello, hoohoo hello.
I say hello, hoohoo hello.
I say hello, hoohoo hello.”
(Trommelwirbel.)


emilwachkopp antwortete am 11.03.04 (16:54):

Wenn eine Frau mir so quatschig anreden tät, die lass ich abblitzen. „Denn hoohoo di man annatwo ut. Ik bün keen Uul!“ Nee, mit solche quatschige Anrede kannst bi Emil gar nichs mit werden. Geflegte Sprache und heile Klamotten. Das is die Grundvoraussetzung. Ich will mir doch nich überall blamiern.

Aber das kommt noch doller:
“I got a baby, who leaves me each night.
She might behave that way, because she’s not too bright.
I’d like her to come back, but she’s twisting day and night.”
(Trommelwirbel, und denn geht das wieder von vorne los:)
„I say hello…“.

Das kann ich Euch nu schon verraten: Mit so eine Frau kann ik goor nix mit anfangen.
Wahrscheinlich war der Text noch bekloppter und der hat sich in mein Kopp automatisch büschen aufgebessert. Aber eine Frau, die mir jede Nacht ausbückelt, is die denn überhaupt richtig normal? Hampelt lieber in die Kaschemmen rum!
Ja maal. Zur Abwechslung. Aber Emil muss doch immer vorgehen. Die Frau, die da anders über denken tut, mit die is was faul. Für so was hab ich ein sicheren Riecher.

Vielleicht, wenn man noch kein festen Wohnsitz hat. Aber eine Wohnung kann ich mit so eine Frau auch wieder nich brauchen. Nachts muss ich mit in die Kaschemmen und überwachen, dass das Gehampel auch auf die Tanzfläche beschränkt bleibt und dass die ihre Verrenkungen nich woanders hin verlegen. Weil so was doch leicht zu Ehekrach führt. Und tagsüber haben die Kaschemmen vielleicht zu. Aber weil sie mir denn auch bloss immerzu vor die Nase rumhampelt, kann ich ebenso gut eine Turnhalle mieten und brauch keine Wohnung mit Küche und Badezimmer und alles. Weil die Räume nie benutzt werden. Aver ik segg mi ümmer: Die Ehe ist kein Turnverein. In die Beziehung bin ich nu maal pingelig.


emilwachkopp antwortete am 11.03.04 (16:58):

Denn gab das noch ein Stück, aber das müssen wieder die Lords gewesen sein. Der Text war in eine Sprache, die ich noch nie gehört hab. Und deshalb wunner ik mi eigenlich büschen över, wie ich denn den auf Deutsch in Kopp haben kann. Aber manchmal denk ich, mein Kopp der funktioniert so, dass, wenn ich eine Sprache nich versteh, denn übersetzt er mir die automatisch in eine Sprache, die ich versteh. Ein biologischer Mechanismus, der mir die Anpassung an die Umwelt erleichtern soll. Bei mir is die Evolution schon büschen weiter.
Der Text war duselig tief wie das Meer und griff heiß wie eine Feuerzange. Als ich den zun ersten Mal gehört hatte, war ich ganz apathisch. Aber als ich den (nach die automatische Übersetzung in mein Kopp) begriffen hatte, hab ich so lange geweint, bis ein weiterer, vertiefter innerer Übersetzungsvorgang mir das Stück ehrer suspekt erschienen ließ. Guten Unterricht nenn ich das jedenfalls nich.

Als ich noch klein war (Du wirst’s verstehen),
konnte ich sowohl sprechen als auch nicht gehen.
Meine Mutter hat die Hände täglich gerührt
und mir sprechen gelernt, wie sich’s gebührt:
„Mutter“ und „Vater“ und „Sohn“.
„Schwester, Onkel“ und „Tante“ konnt’ ich schon.
Und sie lernte mir sodann:
„Das Leben hält keiner so leicht an.“
„Armer Junge, du musst wissen, oh, oh, oh,
das Leben ist so roh, so roh.“
Armer Junge, ich muss dir lernen zu sagen:
„Das Leben hält man schwerlich fest am Kragen.“

Ich hab nie ordentlichen Sprachunterricht genossen. Aber wenn ich mir den Text überdenken tu, denn frag ich mir, ob das was Verschlüsseltes sein kann. Oder kommen kleine Kinder auf so komische Ideen, die man sie schnell wieder austreiben muss?

Ich sag mir immer, die Bietels waren doch besser. Die haben einmal in ein Stück eine halbe Strophe auf’n Kopf gesungen. Rückwärts gesungen, kann man wull auch sagen. Aber das war ins Studio und nich auf die Bühne. Sonst hätt ich mir aber gewundert. „Rain“ hieß das Stück. Rückwärts wird „Niar“ draus und das ergibt kein Sinn. Aber das erkennt man gleich. Bei die Lords musste mein Kopp erst zweimal übersetzen, ehr ich begreifen konnte, dass gar kein Sinn in war. Das war Zeitverschwendung! Find ich. Die hätten alles auf’n Kopp singen müssen. Denn hätt das noch büschen Spaß gemacht, Sinnloses zu entziffern. Find ich.


DorisW antwortete am 12.03.04 (08:50):

Emil...

Diesmal hab ich deinen Stil schon an der Überschrift erkannt :-))

DANKEGON für diese kleinen Geschenke, denn als solche empfinde ich deine Geschichten.


marie2 antwortete am 12.03.04 (12:00):

Bißchen später, auch nicht die Lords

Da, da, da
Aha aha aha.
Aha
Aha
Aha
Was ist los mit Dir mein Schatz, aha
geht es immer nur bergab? aha
geht nur das was Du verstehst?AHA

Marie2


wanda antwortete am 12.03.04 (18:55):

lange Beiträge lese ich fast nie - aber Deine Emil, die lese ich - die Ehe ist kein Turnverein aber im Turnverein werden Ehen geschlossen und die halten oft das ganze Leben.


Sofia204 antwortete am 13.03.04 (12:07):

oh my Lord, Maria und Josef,
das Leben ist eines der schwersten -
yeah, yeah


emilwachkopp antwortete am 21.03.04 (21:49):

Marie2

Das is kein Quatschlied. Das is verdichtete Entwicklungspsüchologie, glööv ik

"Da, da, da". Denn hab ich graad eben plappern gelernt.

"Aha aha aha." Jetzt hab ich das bemerkt. Und ich wunder mir, und das wundert mir, weil ich noch nich begriffen hab, worüber man sich hier wundern muss.

"Aha". Jetzt weiss ich genauer, worüber ich mir wunder und brauch mir deshalb wenigestens darüber nich mehr wunder. Ich bin kocknitiv schon büschen ausgereifter.

"Aha". Übung macht den Meister.
"Aha." Noch mehr Übung macht noch meisterlicher.

"Was ist los mit Dir mein Schatz, aha" Das ist die infantilisierte Mutter, die das richtige kommunikative Niveau gefunden hat.


"geht es immer nur bergab? aha" Das ist wieder die Mutter. Projektive Identifikation.

"geht nur das was Du verstehst?AHA" Jetzt merkt die, dass das Kind sie zun Glück noch nich versteht. Nu kannst ausatmen.

Mädchen, Du hast uns ein sinnvolles Stück vorgelegt. Man sieht das blos nich immer gleich aufs erste Anhören.


Irina antwortete am 22.03.04 (10:44):

Wenn ich das alles so lese, komme ich auf meinen Wunsch zurück: der ST braucht ein "Ulk-Forum"!

Und sei es auch nur für emilwachkopp, der sich beim derzeitigen Stand in allen Foren dazwischen schmuggeln muß :-)

Irina


hl antwortete am 22.03.04 (10:55):

Wenn Emil einen wachen Kopp hätte, könnte er ja unter "Allgemeines" einen neuen Thread (Thema) eröffnen mit dem Titel "Neues von Emil Wachkopp". ;-)

Könnte wie z.B. die KK in Fortsetzungen laufen


pilli antwortete am 22.03.04 (11:54):

eine geniale idee...

:-) ...alles könnte für alle "neuen" sichtbar werden und ich bräuchte nicht alles zu kopieren und dann in "Eigene Dateien" ablegen...

:-)


jako antwortete am 22.03.04 (12:32):

Also ich find´s grade lustig, dass er überall mitmischt. Denn sonst sind doch die threads oft ganz schön dröge. Naja, Ansichtssache. Sollen sie wohl sein.


pilli antwortete am 22.03.04 (12:37):

schreib doch einfach bessere jako :-)

oder hapert`s daran auch?

:-)))


marie2 antwortete am 23.03.04 (10:46):

Emil, das ist ja eine ausgefeilte Interpretation, die Du da da da geschrieben hast. Ganz neues AHA – Erlebnis. Ab jetzt geht's bergauf. Ich beginne zu verstehen. Ja, ja, ja! :-)))

Marie2


pilli antwortete am 23.03.04 (11:37):

da hat doch die email-box mal wieder zeitgleich überraschendes zum dadada bereit: :-)


lyrikmail Nr. 741 23.03.2004
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Der Dorfdadaist

In Schnabelschuhen und im Schnürkorsett
Hat er den Winter überstanden,
Als Schlangenmensch im Teufelskabinett
Gastierte er bei Vorstadtdilletanten.

Nun sich der Frühling wieder eingestellt
Und Frau Natura kräftig promenierte,
Hat ihn die Lappen- und Atrappenwelt
Verdrossen erst und schließlich degoutieret.

Er hat sich eine Laute aufgezimmert
Aus Kistenholz und langen Schneckenschrauben,
Die Saiten rasseln und die Stimme wimmert,
Doch läßt er sich die Illusion nicht rauben.

Er brüllt und johlt, als hinge er am Spieße.
Er schwenkt juchelend seinen Brautzylinder.
Als Schellenkönig tanzt er auf der Wiese
Zum Purzelbaum der Narren und der Kinder.


Hugo Ball
(1886-1927)


marie2 antwortete am 23.03.04 (11:47):

Aha, aha, das hatte ich glatt übersehen, pilli. Aber die Lords lassen sich in Pisa-Zeiten ja auch leichter lesen. .-)) Bergauf ist halt's doch schwierig.
Marie2


pilli antwortete am 23.03.04 (11:58):

ja marie,

das walte Hugo...am Ball bleiben :-)und erst einmal oben auf`m berg...da belohnt die weitsicht.

:-)


schorsch antwortete am 23.03.04 (17:45):

Die Ehe ist kein Turnverein?
Machs richtig, dann wird einer sein!


Babette antwortete am 28.04.04 (09:51):

Ich liebe meinen "eigenen" Turnverein, da bleibste fit und jede Übungstunde bringt was Neues.