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THEMA:   Schreiben und Lesen lernen - wer hat Tipps?

 12 Antwort(en).

tiramisusi begann die Diskussion am 09.09.03 (13:11) mit folgendem Beitrag:

In dem klitzekleinen ort in dem ich lebe, habe ich eine sehr nette Frau aus Ghana kennengelernt, die seit 15 Jahren hier mit einem Mann aus dem Ort verheiratet ist. Sie ist 53 Jahre alt und hat niemals eine Schule besucht. Sie möchte so gerne lesen und schreiben lernen, stösst bei ihrem Mann da aber auf taube Ohren. Einen Kursus besuchen - wäre ideal, ist aber auf grund der Entfernungen und der Tatsache, dass sie ja auch nicht Auto fährt, illusorisch. Nun möchte ich ihr gerne helfen und wir haben auch schon ein wenig mit einer alten Kinderfibel des 1. Schuljahrs gearbeitet. Meine Frage wäre, ob jemand von Euch eventuell Erfahrungen mit dem Thema hat und mir Literatur, Arbeitsmaterial und Tipps geben kann. Deutsch für Ausländer habe ich häufig unterrichtet, aber hier liegt der Fall etwas anders und ich möchte es der Frau so einfach wie möglich machen. Danke

Angelika


schorsch antwortete am 09.09.03 (18:06):

Chapeau Angelika!


rainer antwortete am 10.09.03 (11:09):

Hallo Angelika,

schau doch da mal rein:
https://www.school-scout.de/Mildenberger_LRS.cfm.

Schöne Grüße, Klr


tiramisusi antwortete am 10.09.03 (17:52):

@schorsch: dafür nicht :-) Wer einmal in die traurigen Augen dieser Frau gesehen hat, der würde es sicher nicht anders machen. Es liegt mir sehr schwer im Magen, wenn eine Afrikanerin mir erzählt, dass ihr jetziger Mann sie geheiratet hat, weil ihm das Bordell zu teuer war (hat er gesagt, sagt sie...)Da fällt einem nichts mehr ein ....

Danke Rainer, hab ich mir gleich mal bestellt und ausgedruckt!

Angelika


Felix antwortete am 14.09.03 (01:48):

Wie schon an anderer Stelle berichtet habe ich diese Aufgabe berufsmässig betrieben.
Den Grossteil der Unterrichtsmittel musste ich mir selber ausdenken und bewerkstelligen.
Ich arbeitete am erfolgreichsten mit typischen Sprechsituationen, die ich mit Magnettafeln und Moltonwand symbolisch darstellte. Voraus ging ein Rollenspiel.
z.B. Anklopfen ... Herein ... Was willst du? ... Darf ich telefonieren ... etc.
Vom Sprechen und Handeln wird auf die symbolisch dargestellte Szene abstrahiert.
Als nächster Schritt werden die Bilder auf der Rückseite beschriftet. Die Verben kommen als Täfelchen dazwischen.
Durch ständiges Umgruppieren werden immer neue Satzgebilde konstruiert.
Spielerisch lassen sich Bilder, die auf der Rückseite beschriftet sind, als Memory verwenden. So werden Bilder mit Namen assoziert.
Wichtig ist das Prinzip:
- Immer vom bereits Bekannten zum Unbekannten schreiten.
- Nur kleine, bewältigbare Lernschritte machen.
- Ständiges Wiederholen und Variieren schleift die Sprachstrukturen ein.
- Nur Dinge aus der täglichen Erfahrung des Lernenden verwenden.
- Immer Sprechen mit aktivem Schreiben ergänzen.
- Buchstabenformen und ihre Lautzuordnungen spielerisch verknüpfen. z.B. O wie Ohr & Bild eines Ohres auf Kärtchen.

Um nur die Richtung des didaktischen Vorgehens anzudeuten!

Es gibt auch in Deutschland sicher Hilfsmittel für diese Aufgabe.


tiramisusi antwortete am 14.09.03 (08:50):

Hallo Felix, danke für Deine Tipps - inzwischen habe ich eine interessante CD-Rom gefunden, die ich zur Zeit mal durchteste: Sie funktioniert nach ähnlichem Muster wie von dir mit den magnetfiguren beschrieben: Der lernende lernt spielerisch mit der Mouse umzugehen, es werden pro Lektion verschiedene Bilder mit wachsendem Schwierigkeitsgrad angezeigt. Fährt man mit dem Cursor zB über das Bild eines Bauernhofes, ist zunächst akustisch zu hören, was sich unter dem Cursor befindet - ein Popupwindow sschreibt mehrmals hintereinander den Begriff und es sind zB die Geräusche zu hören, die der Begriff macht - Hundebellen usw. Später erscheinen nur Begriffe auf dem Monitor - er "schreibt" sich in einer Animation zunächst selbst mehrmals, dann muss der Schüler es lesen, durch die Spracheingabe per Mikrophon (der Schueler hat einen headset auf) wird das Programm weiter aktiviert - entweder mit ja und nochmaliger Wiederholung, Bestätigung und Belobigung, bevor es weiter geht oder aber mit akustischen Hilfsinformationen- mal sehen, ob der Gatte meiner neuen Bekannten aus Ghana dieses Programm finanziert...


mart antwortete am 14.09.03 (09:21):

<<ob der Gatte meiner neuen Bekannten aus Ghana dieses Programm finanziert... <<

Ich wette hoch darauf, daß er es nicht tut.



Frage: Hat die betroffende Frau schon mit dem Computer und der Maus gearbeitet? Falls nicht, wäre das natürlich eine zusätzliche Hürde; Wenn diese aber auch - mit deiner Hilfe -überwunden würde, wäre das ein riesiges Erfolgserlebnis!


funk antwortete am 22.09.03 (22:10):

tiramisu, deine CD interessiert mich, darfst du ihren Namen hier verraten? Danke


tiramisusi antwortete am 22.09.03 (23:03):

@ funk: es handelt sich um ein Programm mit dem namen Alphacity, eine Einzelplatz-CD ROM kostet 49Euro.
Inos und auch ein Download zum Ausprobieren findest Du auf dem angegebenen Link.

@mart: Du liegst mal wieder 100% richtig :-( Aber ich habe die CD einfach mal bestellt. Im Gegenzug hilft Veronica (die Frau aus Ghana) mir ein bisschen in Haus und Garten und der PC ist für sie völliges Neuland. Ausserdem hat sie mich dazu verdonnert, jeden Sonntag mit in die Kirche zu gehen, damit sie endlich nicht mehr alleine dort sitzt und vor dem Kaffeetrinken wird brav gebetet :-) Praise the Lord!
Wir lachen viel dabei und albern schrecklich viel herum. Afrikanerinnen können so wunderbar kindlich scherzen ohne dabei infantil zu wirken :-) Und spielerisch macht das lernen und auch das Lehren nunmal viel mehr Spass. Ihr Mann ist zur Zeit nur am Wochenende da, so kann sie sich viel Zeit nehmen.

Ich habe mit ihr zunächst ganz simple Computerspiele geübt, die guten alten Atari-Spiele (ich hab immer noch so ein altes Goldstück von Atari, das man am TV anschliessen kann, herrlich :-)

Es wird sicher viel Zeit brauchen, aber der Winter ist ja auch lang :-) Ich werde euch auf dem laufenden halten, bin selbst sehr gespannt auf ihre fORTSCHRITTE:

Internet-Tipp: https://www.alphacity.de/seiten/dasprogramm.html


Geli antwortete am 23.09.03 (09:00):

Hallo Angelika,

leider habe ich keinen Tip für Dich, aber Dein Engagement finde ich toll! Klar, daß der Mann nicht will, daß sie schreiben und lesen (und Autofahren und was weiß ich sonst noch) kann - so kann er sie leichter in Abhängigkeit halten (schon der Heiratsgrund läßt einen die Haare zu Berge stehen - erinnerte mich frappant an POLT!). Ich wünsche Euch beiden viel Erfolg!


funk antwortete am 23.09.03 (21:27):

tiramisu, herzlichen Dank für die Angaben betr. CD.


tiramisusi antwortete am 23.09.03 (21:33):

Tja Geli - was das allerschlimmste ist: sie möchte nun endlich die deutsche Staatsangehörigkeit - aber die bekommt sie nicht, wenn sie nichtr besser Deutsch kann und wenn sie nicht lesenund schreiben kann ... na schaun wir mal - aber auch ich kann von ihr lernen, denn das System mit den Sparcoupons und Rabattmarken von allen möglichen Läden hat sie drauf wie keine :-)

@funk: prima, ich hoffe, es nützt Dir


Geli antwortete am 24.09.03 (10:21):

Hallo, Angelika - ja, man wundert sich oft, wie erwachsene Analphabeten (auch bei "den Einheimischen" geht die Zahl in die Hunderttausende!) das tägliche Leben mit all seinen buchstabenbesetzten Fallstricken meistern. Die größte Hemmschwelle ist dabei wohl das Zugeben eines Mankos. Diesen Schritt hat Deine Bekannte ja bereits geschafft. Bei uns gibt es immer wieder Kurse in den Volkshochschulen, aber am Land ist es sicher noch schwieriger.