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THEMA:   Besser leben, früher sterben

 46 Antwort(en).

plumm begann die Diskussion am 29.08.03 (22:08) mit folgendem Beitrag:

Gesundheit kann nicht ein Ziel an sich sein, sondern nur ein Mittel zum Leben. Erhebt man sie zum Ziel – in allen Umfragen gilt sie ja längst als der höchste Wert –, dann verkehrt man sie ins Gegenteil.
Im 19. Jahrhundert war das die Hauptaufgabe: konkrete Akutkrankheiten, insbesondere Infektionen, zu erkennen und zu therapieren. Diese hat die Medizin heute im Griff, und wir haben es jetzt in der großen Mehrheit mit chronischen Leidenszuständen zu tun, auf die das Gesundheitssystem in keiner Weise umgestellt ist. Die Patienten werden behandelt, als seien sie akut krank. Die Ausgaben nehmen zu – aber nicht die Gesundheit.
Eine Option besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Menschen ihr Leben sozialverträglich verkürzen. Die Förderung der aktiven Sterbehilfe ist ein Schritt in diese Richtung.
Die zweite Option ist eine kollektive Lösung. Historisch hat man sozial immer in Einheiten gehandelt, die größer waren als die Familie und kleiner als die Kommune, so eine Art Nachbarschaftshilfe. Eine volle Rente erhält nur, wer fünf Jahre lang Kinder oder Alte gepflegt hat?
Ohne sanften Druck wird es sicher nicht gehen. Es gibt Modelle, die übertragbar sind.


plumm antwortete am 29.08.03 (22:10):

Hab den Link vergessen.

Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2003/11/D_9arner-interview


mart antwortete am 30.08.03 (19:41):

Hoppla, welche Töne werden hier plötzlich wieder angeschlagen? Ich fasse deine "ausgezeichneten" Ideen zusammen:

1. Man sollte dafür sorgen, dass die Menschen ihr Leben sozialverträglich verkürzen.

2. Dieser Weg soll durch die Förderung der aktiven Sterbehilfe beschritten werden, den du aber nur als einen Schritt in die richtige Richtung bezeichnest.

Ich gratuliere!


medea antwortete am 30.08.03 (19:56):

Ich verstehe nicht ganz:
mein Leben sozialverträglich zu verkürzen???
Muß ich mit Anfang 80 dann den Giftbecher nehmen ?


sofia204 antwortete am 30.08.03 (20:40):

'sokral' statt sozial ?
,-(


medea antwortete am 30.08.03 (21:16):

Ja sofia204:

das ist dann "De Sokratische Method"
frei nach Fritz Reuters "Läuschen un Rimels" ;-))


mechthild antwortete am 30.08.03 (23:08):

Aufregen und empören hilft nicht weiter. Wir „Alten“ können doch das Thema realistisch diskutieren. Ich kenne niemand, der unter allen Umständen möglicht lange leben will. Ich möchte menschenwürdig sterben, dann wenn das Leben keinen Spaß mehr macht. Das kann man nicht an einer Jahreszahl festmachen, sondern nur am Gesundheitszustand. Die Medizin gaukelt uns zwar vor, sie könne Krankheit heilen. Aber das stimmt nicht immer. Dann wenn nur noch das Leiden verlängert werden kann, aber nicht mehr die Lebensqualität kann sterben auch eine Erlösung sein. Diese Entscheidung kann aber kein Arzt oder Angehöriger treffen, sondern die muss jeder Mensch für sich selbst treffen. Dem mündigen Patienten, davon gibt es sowieso nicht sehr viele, sollte man die Möglichkeit der aktiven Sterbehilfe ermöglichen. Selbstverständlich unter strengen Auflagen.
Auf die 2. Option wurde noch gar nicht eingegangen. Man kann das Problem Pflege der alten Menschen nicht nur an öffentliche Stellen abgeben. Es ist nicht leistbar. Zuwendung und Kontakt kann nicht nur professionell gemacht werden. Beziehungen müssen wachsen und da haben Familie, Nachbarn und Vereine eine Verantwortung. Dieses Bewusstsein muss wieder neu geweckt werden. Ohne sanften Druck wird das nicht gehen.


mart antwortete am 30.08.03 (23:44):

<<Dem mündigen Patienten, davon gibt es sowieso nicht sehr viele, sollte man die Möglichkeit der aktiven Sterbehilfe ermöglichen. Selbstverständlich unter strengen Auflagen.<<

Und bitte ja rechtzeitig genug, solange sich der "mündige" Alte noch artikulieren kann!

Bitte nur mit entsprechender Nutzenrechnung und einem Zeitdiagramm! = 1 Tag später kostet ......., 1 Jahr später kostet ................

Und beim "nichtmündigen" Alten helfen wir ein bißchen nach; natürlich nur mit strengen Auflagen! Aber auch hier nicht die Nutzenrechnung vergessen!


mart antwortete am 31.08.03 (00:26):

Ich würde vorschlagen eine ähnliche Kosten/Nutzenrechnung über HIV kranke, Leukämiekranke und Krebskranke durchzuführen.


BarbaraH antwortete am 31.08.03 (01:44):

Ich denke, es ist evtl. nicht ganz deutlich geworden, dass diese Gedanken nicht die von Mechtild/plumm sind, sondern die des Arztes Klaus Dörner, der besonders die Betreuung von Alten in Haus- und Pflegegemeinschaften anstatt in Heimen propagiert.

Dabei stellt sich in der Tat die Frage, ob sehr viele der alten Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, in einem Heim immer richtig untergebracht sind. Ihm schweben eher Wohngemeinschaften vor, die von Nachbarn, Verwandten und Bekannten unterstützt/betreut werden. In dem Artikel wird z.B. gefragt, ob vielen alten Menschen nicht eher mit Haushaltshilfen als mit ausgebildetem Pflegepersonal geholfen wäre. Selbstverständlich entscheidet die Schwere der gesundheitlichen und/oder altersbedingten Hilfsbedürftigkeit über den Umfang der Hilfe.

Richtig ist doch, dass vielen alten Menschen die Aufgaben zu einem erfüllten Leben fehlen. In der Nähe von Bad Segeberg in Schleswig-Holstein gibt es einen landwirtschaftlichen Betrieb, der zum größten Teil von alten Menschen betrieben wird. Es handelt sich dabei um ein Heim, in dem jeder Mensch nach seinen Möglichkeiten helfen kann. Die alten Menschen leben dort sehr glücklich, weil sie sich noch einbringen dürfen. Sind sie dazu nicht mehr in der Lage, werden sie von der Gemeinschaft aufgefangen.

In diese Richtung geht vor allem die Vision des Dr. Dörner.

https://www.zeit.de/2003/11/D_9arner-interview

Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2003/11/D_9arner-interview


mart antwortete am 31.08.03 (08:02):

Bitte genau lesen, Barbara!

Dörner hat weder inhaltlich noch wörtlich f o l g e n d e s geschrieben;

<<Eine Option besteht darin, dafür zu sorgen, d a s s d i e Menschen ihr Leben so z i a l v e r t r ä g l i c h verkürzen. Die Förderung der aktiven Sterbehilfe ist ein Schritt in diese Richtung.<<

Diese menschenverachtende Ansicht ist uralt extremistisch und ist allein von Plumm in die Aussage von Dörner hineingestellt worden!


wanda antwortete am 31.08.03 (08:06):

mir gefällt die Überschrift nicht, ich b in der Meinung, dass der, der besser lebt, auch länger lebt.


BarbaraH antwortete am 31.08.03 (09:53):

Stichwort "genaues Lesen":

>>Dörner:.....Die Entscheidung für das Heim fällt praktisch nie wegen des Grades der Pflegebedürftigkeit. Sondern weil das soziale Netz nicht mehr reicht.

Zeit: Sie sagen, die ambulanten Haushaltsgemeinschaften „um die Ecke“ seien alternativlos. Aber wer sagt eigentlich, dass wir den humanen Weg wählen? Derzeit könnte man denken: Die Gesellschaft stellt sich stillschweigend darauf ein, die Alten im privaten Dunkel wegsterben zu lassen.

Dörner: Natürlich, das ist die Alternative. Man muss es so hart sagen: Eine Option besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Menschen ihr Leben sozialverträglich verkürzen. Die Förderung der aktiven Sterbehilfe ist auch ein Schritt in diese Richtung. Es wäre ein Beweis der Ehrlichkeit, wenn dies in der Öffentlichkeit als Problemlösung erwähnt würde.<<

https://www.zeit.de/2003/11/D_9arner-interview

mart schreibt:

Dörner hat weder inhaltlich noch wörtlich f o l g e n d e s geschrieben;

<<Eine Option besteht darin, dafür zu sorgen, d a s s d i e Menschen ihr Leben so z i a l v e r t r ä g l i c h verkürzen. Die Förderung der aktiven Sterbehilfe ist ein Schritt in diese Richtung.<<

Wer liest nun genau???

Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2003/11/D_9arner-interview


mart antwortete am 31.08.03 (10:18):

Barbara, entschuldige, Du hast hier recht gehabt!


Ich wiederhole also hier Dörners Worte:

<<Eine Option besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Menschen ihr Leben sozialverträglich verkürzen. <<



Dörner wärmt hier rechtsextremistisches Gedankengut vom nicht lebenswertem Leben auf.

Er ruft zur Volksverhetzung und zum Mord und zum Selbstmord auf!--

Was soll die Aussage: -- man soll dafür s o r g e n, daß Menschen ihr Leben verkürzen -- anderes bedeuten?

Dörner muß noch den Ausdruck "sozialverträglich" erklären. Dieser läßt einige Interpretationsmöglichkeiten offen.

Diese Aussage von Dörner ist ein Fall für den Staatsanwalt!


BarbaraH antwortete am 31.08.03 (11:32):

Auch ich habe erhebliche Bedenken, wenn ich derartige Worte (aus dem Zusammenhang gerissen) lese. Dörner ruft jedoch nicht zum Mord bzw. Selbstmord auf, ganz im Gegenteil: er fordert Ehrlichkeit in der Diskussion ein.

Nein, wir würden einen dahin siechenden alten Menschen niemals töten wollen. Oje, nur das nicht! Kann man es jedoch "leben" nennen, wozu viele Alte vor ihrem Ende in Massenhaltung gezwungen sind?

Noch einmal ein Zitat aus dem ZEIT-Artikel:

>>Zeit: Nicht jeder Pflegefall kann ambulant betreut werden.

Dörner: Doch. Wir Reformpsychiater in Gütersloh haben in einem Einzugsbereich von einer Million Menschen – zunächst für die Behinderten – empirisch nachgewiesen: Kein Einziger muss lebenslang in einer Institution bleiben. Dass Behinderte landesweit mit kommunal ambulanter Betreuung zurechtkommen, haben die Schweden vorgemacht; ihre Konsequenz aus der Nazi-Medizin. Jetzt wurde dort gesetzlich verboten, Menschen wegen einer Behinderung im Heim unterzubringen. Weil Massenhaltung mit der Menschenwürde nicht vereinbar ist.<<

....WEIL MASSENHALTUNG MIT DER MENSCHENWÜRDE NICHT VEREINBAR IST.....

Und zum Schluss sagt Dörner:

>>Zeit: Wie wäre folgender Anreiz: Eine volle Rente erhält nur, wer fünf Jahre lang Kinder oder Alte gepflegt hat?

Dörner: Ich würde mir wünschen, dass man es erst ohne solch rigorosen Druck versucht. Es gibt gewiss Möglichkeiten ohne Ende, an die heute noch kein Mensch denkt.

Zeit: Eine Möglichkeit ist die kühle, marktwirtschaftliche Privatisierung des Gesundheitssystems und der Pflege.

Dörner: Dann wandere ich nach Schweden aus.<<

Er sagt nicht, "Dann bringe ich mich um", sondern, "Dann wandere ich nach Schweden aus". Er möchte uns wachrütteln und uns die in unserer Gesellschaft praktizierte Unmenschlichkeit, die Verletzung der Menschenwürde, vor Augen führen.... und ihre Konsequenzen.

>>Zeit: Haben Sie Vorschläge?

Dörner: Es gibt bereits viele Initiativen. Wichtig ist, dass die Politiker den Bürgern endlich die Wahrheit zutrauen, etwa so: „Die Alten überfordern unser derzeitiges System. Wir wollen sie nicht auffordern, freiwillig abzutreten, wir können dir nicht noch mehr Steuern abknöpfen – also musst du dich wieder unmittelbar um sie kümmern, wie vor 150 Jahren, wenigstens ein paar Stunden pro Woche.“<<

Gerade er macht sich dafür stark, Alte nicht auszusortieren und der Marktwirtschaft zu überlassen. In seinem Interview zeigt er Möglichkeiten, wie jeder Bürger seinen Teil zur Verwirklichung seiner Vision beitragen könnte.

Ein Fall für den Staatsanwalt ist wohl eher das parktizierte Verhalten unserer Gesellschaft.....


simba antwortete am 31.08.03 (11:53):

Da gibt es Pflegeheime in denen Menschen gepflegt werden, die wissen nicht mal mehr dass sie leben und es wird alles -aber auch wirklich alles getan um sie am Leben zu erhalten. Warum lässt man sie nicht sterben? Diese Alten bekommen Renten von ungefähr 7000 (!) Euro im Monat - und die Verwandtschaft kümmert sich um die finaziellen Belange und ist natürlich nicht interessiert, dass diese Geldquelle versiegt - denn es bleibt ja ein erklecklicher Teil von dem Betrag, den das Pflegeheim kassiert über. Dies sind natürlich nur Einzelfälle, aber sie werden praktiziert.


Tessy antwortete am 31.08.03 (12:02):

Es ist natürlich sehr interessant was "Dörner" zu sagen hat.

Wie aber denken wir, jeder für sich - darüber?

Die Alten - das können wir schon morgen sein - in der Familie pflegen? In welcher Familie?

Sind wir nicht gerade dabei, Ganztageskindergärten und Ganztagsschulen zu fordern?
Damit Frauen "Karriere" machen können?
Übrigens - Karrieremachen - ein Wort für "arbeiten gehen"?
Denn wieviel Prozent der berufstätigen Frauen machen Karriere? Ein verschwindend geringer Prozentsatz meiner Meinung nach.

Wo sind also die Familien die auch nur die Möglichkeit haben einen ihrer Alten zu pflegen???? Vom guten Willen ganz zu schweigen.
Ich finde es ehrlicher die Realität zu sehen.
Wer von uns/euch wird in ein paar Jahren von der Familie aufgefangen? Wie soll das gehen?
Die Tochter oder Schwiegertochter die nicht bereit oder in der Lage war für ein Kind/Kinder zurückzustecken hängt ihre Karriere an den Nagel?


Wolfgang antwortete am 31.08.03 (12:04):

Es ist oft so, Mechtild, dass die, die dieses wichtige Thema zur Diskussion stellen, gemassregelt werden. Gerne wird der Bote mit der Botschaft verwechselt (wahrscheinlich, weil die Massregler die Beweggruende des 'Boten' nicht kennen).

KLAUS DÖRNER hat übrigens einen Gedanken entwickelt, der mich beeindruckt hat:

"Die Logik des [derzeit herrschenden, W. M.] ökonomischen Systems lautet: 'Investieren, wo es sich am meisten lohnt.' Dem muß eine Ethik des sozialen Systems entgegenstehen: 'Investieren, wo es sich am wenigsten lohnt.' Der entsprechende Imperativ lautet: Handle so, daß du in deinem Verantwortungsbereich mit dem Einsatz all deiner Ressourcen an Hörfähigkeit, Aufmerksamkeit und Liebe, aber auch Manpower und Zeit immer beim jeweils Schwächsten beginnst - bei dem, bei dem es sich am wenigsten lohnt."

Quelle... Gegen die Schutzhaft der Nächstenliebe (von KLAUS DÖRNER), Publik-Forum Nr. 15; 1999


mart antwortete am 31.08.03 (12:45):

Hier ist ein klassisches Beispiel, wie man Stimmung für die sozial verträgliche Entsorgung alter Leute macht.

Es stimmt, diese Aufruf zum Mord und Selbstmord wurde nur in einem, aber dafür sehr eindeutigen Satz gemacht. Die Wortwahl entspricht der Terminologie, die heute akzeptabel ist. Für einen Wissenschaftler wie Dörner muß klar sein, was er hier etwas verklausuliert gesagt hat.

So erzeugt man Stimmung! Diese Propagandamethoden sind alt und erprobt.

Außerdem ist die Vermengung der Problematik alter Menschen und „potentiell gefährdeter oder gefährlicher Menschen“ und „chronisch Erkrankter und Behinderter“ und „störenden oder leistungsunfähigen Menschen“( das sind d i e j e n i g e n über die in Dörners Artikel „Gegen die Schutzhaft der Nächstenliebe,Umgang mit Kranken und Behinderten“ )geschrieben hat, ein klassisches Beispiel für die Möglichkeit, durch Vermengung versch. Themen einen Grauschleier zu erzeugen, der naive Menschen zu überzeugen vermag.

Dörner hat sehr erfolgreich psychiatrischen Langzeitkranken geholfen, die Klinik zu verlassen.

Inwieweit seine Kompetenz reicht, sich über die notwendige Entsorgung alter Leute zu äußern, wage ich zu bezweifeln.


schorsch antwortete am 31.08.03 (13:01):

Kürzlich gelesen: Ein Gesunder ist ein Mensch, der noch keinen guten Arzt gefunden hat.....


Wolfgang antwortete am 31.08.03 (13:04):

Hier ist der Link zum Aufsatz von KLAUS DOERNER 'Gegen die Schutzhaft der Naechstenliebe. Umgang mit Kranken und Behinderten':

https://info.uibk.ac.at/c/c6/bidok/texte/doerner-schutzhaft.html

Nach der Lektuere sollte klar sein, dass DOERNER eine bedrueckende Situation beschreibt, die so IST in unserer Gesellschaft. Er rechtfertigt diese Situation nicht etwa, sagt nicht, so SOLL es sein. Im Gegenteil: Er ist einer der schaerfsten Kritiker des Zustandes unserer Gesellschaft. 'Das Projekt der Moderne bestand wesentlich in der Umstellung von der Subsistenzwirtschaft auf die marktwirtschaftliche Industriegesellschaft.', ist es zu lesen im oben genannten Aufsatz.

Gegen die profitbringende Kommerzialisierung des Umgangs mit Kranken und Alten setzt DOERNER 'Hoerfaehigkeit, Aufmerksamkeit und Liebe'.

Fuer mich ist es keine Frage mehr, dass dafuer erst einmal die Strukturen geschaffen werden muessen. Das herrschende Krankheitssystem ist naemlich am Ende - es ist inhuman und unbezahlbar dazu.

Internet-Tipp: https://info.uibk.ac.at/c/c6/bidok/texte/doerner-schutzhaft.html


BarbaraH antwortete am 31.08.03 (13:48):

Tessy,

>>Wo sind also die Familien die auch nur die Möglichkeit haben einen ihrer Alten zu pflegen???? Vom guten Willen ganz zu schweigen.<<

Auch zu dieser von Dir geäußerten wichtigen Frage lohnt es, sich den Visionen Dörners zuzuwenden:

>>Dörner:... Wichtig ist, dass die Politiker den Bürgern endlich die Wahrheit zutrauen, etwa so: „Die Alten überfordern unser derzeitiges System. Wir wollen sie nicht auffordern, freiwillig abzutreten, wir können dir nicht noch mehr Steuern abknöpfen – also musst du dich wieder unmittelbar um sie kümmern, wie vor 150 Jahren, wenigstens ein paar Stunden pro Woche.“

Zeit: Um Millionen kümmern? In ein paar Stunden?

Dörner: Zurzeit sind 400000 Rund-um-die-Uhr-Pflegebedürftige in Heimen. Wenn man die auf die gesamte Bevölkerung verteilen würde, käme heraus, dass eine ambulante Haushaltsgemeinschaft von acht Altersdementen auf 1600 Bürger käme. So wird das Problem sinnlich erfahrbar und damit lösungsfähig. Nur wenn die Bürger die Nachbarschaftsmentalität wiederbeleben, machen sie sich frei, auch wenn sie das Riesenheer der Dementen einen Dreck angeht, doch für „unsere acht“ sorgen zu wollen.

Zeit: Sie meinen eine Art Parlament für die Bismarckstraße oder das Schanzenviertel?

Dörner: Genau, nach dem Motto: Für unsere acht Dementen machen wir uns krumm. Wir pflegen sie selbst oder beauftragen einen Pflegedienst – aber die Verantwortung behalten wir.<<

Das wäre doch praktikabel! Die heutige Kleinfamilie ist überfordert, aber doch nicht die gesamte Nachbarschaft. 1600 Bürger wären für 8 alte Mitmenschen verantwortlich oder aber 200 Bürger für einen einzigen. Da könnten noch etliche ausfallen.... zu schaffen wäre es trotzdem. Man muss es nur eben wollen!


mart antwortete am 31.08.03 (14:13):

Vielleicht ist doch eine Diskussion über Werte in unserer Gesellschaft gefragt?

Vielleicht sogar über christliche Werte? Oder muß ich mich im vorhinein für dieses h i e r verpönte Wort entschuldigen?

Hedonismus und egalitäre Gesellschaft passen doch so gut zusammen, ebenfalls Hedonismus und laizistischer Staat, --- vielleicht doch nicht das ganz Wahre für nachhaltige und menschenwürdige Zukunft?


Mechtild antwortete am 31.08.03 (14:31):

Ich habe bei dieser Diskussion auch auf ein wenig Offenheit gehofft. In einem Seniorenforum gehe ich davon aus, dass alle die 3. Lebensphase begonnen haben und sich schon einmal Gedanken darüber gemacht haben, was sie für sich selbst möchten und was nicht. Natürlich möchte jeder möglichst lange gesund bleiben und in seinen eigenen 4 Wänden leben. Die Realität ist aber leider anders. Ich fände es sehr beruhigend, wenn es die Möglichkeit der aktiven Sterbehilfe für mich gäbe. Ob und wann ich sie dann benutzen würde ist ein anderes Thema.
Politisch muss man das Thema „Sterbehilfe“ gerade bei unserer Vergangenheit natürlich sehr sensibel diskutieren. Aber totschweigen bringt auch keine neuen Ergebnisse.
Die Rundum die Uhr Versorgung, wie in den Heimen üblich und wie aus versicherungstechnischen Gründen erforderlich ist mit der Menschenwürde eines Erwachsenen nicht zu vereinbaren und weder wünschenswert noch bezahlbar. Jeder Mensch braucht eine Intimsphäre und die ist in Heimen, in Mehrbettzimmern nicht gegeben, aber leider auch in vielen Familien nicht. Zu viel Intimsphäre bedeutet dagegen oft Isolation. Das ist ein Problem für kranke Menschen, die alleine leben. Zwischen Isolation und notwendiger Intimsphäre gibt es einen Mittelweg, dem müssen die versicherungstechnischen Fragen untergeordnet werden.
Das Thema wer alles an Krankheit und Alter verdient und wer was bezahlt ist noch ein anderes auch interessantes Thema. Die Kosten des Alters werden vergesellschaftet und der Profit vererbt. Ist in unserer Gesellschaft meist so und mit ein Grund, warum der Staat pleite ist.


Tessy antwortete am 31.08.03 (16:09):

@ Barbara.

Du sagst die Kleinfamilie ist überfordert, mag sein.
Aber 1600 Nachbarschaftsmenschen bestehen, leben in eben diesen Kleinfamilien.
Bitte nicht falsch verstehen, ich würde mich freuen wenn es eine Lösung gibt, sehe aber in unserer heutigen Gesellschaft keine Bereitschaft für solche Projekte.
Sehe ich meine Mitmenschen zu negativ? Glaube ich nicht.
Unsere Generation war es die damit begonnen hat die Ansprüche, den Lebensstandard immer höher zu schrauben auf Kosten eines herkömmlichen Familienlebens.
Meine Überzeugung ist daß der Weg zurück zur Familie der einzig gangbare ist, und nur aus solcher Konstellation heraus wird es möglich sein Nachbarschaftsinitiativen auf den Weg zu bringen.
@ Mechtild
Liebe Mechtild,
wenn die von dir erwartete Resonanz ausbleibt liegt es wohl daran daß wir alle Angst haben vor dem was auf uns zukommt in den nächsten Jahren,
ganz einfach Angst und deshalb klappt die Verdrängung hervorragend!


Medea. antwortete am 31.08.03 (16:17):

Ich komme gerade wieder aus der real existierenden Wirklichkeit eines Altenheimbesuches ....
Tantchen (97), 2 Kopftumore, Sprache nicht mehr verständlich, zeigt auf ihren Bauch und sagt so etwas wie aua. Das Mittagessen lehnt sie, wie jeden Tag seit etlichen Monaten, ab. Ich habe mit dem Pflegepersonal ausgemacht, daß ja keiner sie zum Essen zwingt, sie bringen es zwar herein, zeigen es ihr, sie verneint und es wird wieder herausgetragen. - Ich koche ihr einen Fencheltee, den trinkt sie, nehme ihre Hände und wärme sie. Sage im Schwesternzimmer Bescheid (mache das auch noch schriftlich), daß morgen ihr Hausarzt zwecks eines sofortigen Besuches verständigt wird.
Beim Verlassen des Zimmers stoße ich auf einen alten Mann, der bitterlich weint, weil seine Frau gestern gestorben sei...(das kann stimmen oder auch nicht), ich versuche, ihn ein wenig zu trösten und bringe ihn zu einem Sessel, rede leise mit ihm und streichle ihn ein wenig.... da sehe ich aus dem nächsten Zimmer Frau S. kommen mit ihrem Gehwägelchen, sie trägt nur noch ein Hemd und eine Bluse, der Unterkörper ist völlig entblößt und verkündet mir, daß sie jetzt spazierengehe..... Ich wieder ins Schwesternzimmer mit der Bitte, doch unverzüglich Frau S. behilflich zu sein. Da meine Mutter in der Nähe wohnt, mache ich dort noch einen Besuch. Sie, diese liebe tapfere Frau ist den Tränen nahe, die Schmerzen in ihren Beinen sind wiedermal unerträglich, auch hier trösten, einen Kaffee gemeinsam trinken, den Müll wegbringen.
Als ich wieder in meinem Auto sitze, verlassen mich die Nerven und ich heule so los...

Und hier werde ich damit konfrontiert, daß es möglich sein müsse, daß 200 Bürger für 8 Demente in Nachbarschaftshilfe
zuständig sein sollten. Laut Statistik klingt das gar nicht mal utopisch, die Machbarkeiten sind aber die andere Seite der Medaille. Wer hält denn noch heute etwas von christlicher Nächstenliebe, die aus sich selbst heraus geholfen hat? Da ist wohl nicht mehr sehr viel zu holen, oder sollen die acht Dementen den 200 Bürgern mit Zwang aufgedrückt werden?


Medea. antwortete am 31.08.03 (16:34):

Mart,

manchmal überlege ich auch, ob ich einen Beitrag gleich mit einer Entschuldigung beginne, weil ich es wage, zu einem Thema zu schreiben, das sich gerade nicht allgemeiner Beliebtheit erfreut ... ;-))

Doch die Praxis zeigt ja immer wieder, daß es gerade die ungewünschten Themen sind, die die vielfältigsten Reaktionen hervorrufen ...


Mechtild antwortete am 31.08.03 (16:38):

@Tessy
Angst ist okay. Aber deshalb kann man doch den Kopf nicht in den Sand stecken und nur meckern. Ich habe auch Angst, aber deshalb darf ich doch die Verantwortung für mein Leben nicht abgeben. Wie soll denn mein Sohn oder mein Arzt oder wer auch immer wissen, was ich möchte und was ich bereit bin dafür zu bezahlen? Mein Sohn weiss, alles was übrig bleibt ist sein Geld. Warum soll er mir etwas kaufen, was ich gar nicht haben will. Wer kann denn beurteilen, ob es gut für mich ist? Doch nur ich oder?
Die Kleinfamilie ist sicher mit vielem überfordert. Familie ist für viele Dinge nicht zu gebrauchen. Oft ist eine sachliche anonyme Ebene viel besser als die emotionale Ebene. Familie kann nicht alle emotionalen Bedürfnisse befriedigen, auch wenn Sohn oder Tochter oder Vater und Mutter das immer wollen. Ich bin doch nicht selbständig und unabhängig geworden, um mich dann in die Abhängigkeit meiner Kinder und Enkel zu begeben. Kleine Einheiten heisst nicht zwangsläufig Kleinfamilie. Außerdem bei mehr als 50 % Singlehaushalten in den Großstädten müssen andere Modelle als die Familie gefunden werden.
Die Kritik an der Familie, die die Alt 68er hatten wird doch nicht falsch, weil es keine anderen Modelle gibt.


BarbaraH antwortete am 31.08.03 (18:11):

Tessy und Medea.

Ich möchte noch einmal auf Dörner verweisen, denn er gibt doch genügend Antworten:

>>Zeit: Aber wer soll sich freiwillig kümmern?

Dörner: Das ist die Kernfrage. Der Philosoph Émmanuel Lévinas sagt zu Recht: Kein Mensch ist aus freien Stücken gut. Das Bedürfnis, für andere Bedeutung zu haben, kann man nicht mit seinem egoistischen Willen, sondern nur widerwillig haben. Deshalb macht es wenig Sinn, die Leute bloß aufzufordern: Seid jetzt bitte sozial. Sie würden mir mit Recht den Vogel zeigen.

Zeit: Haben Sie Vorschläge?

Dörner: Es gibt bereits viele Initiativen....... Wer immer von dem Riesenheer an Bedürftigen ausgeht, kommt schnell auf eine kollektive Lösung wie den Reichs-, besser Bundesarbeitsdienst. Deswegen versuche ich, das Problem mit Fantasie so herunterzubrechen, dass es erlebnisfähig wird. Historisch hat man sozial immer in Einheiten gehandelt, die größer waren als die Familie und kleiner als die Kommune........

Zeit: Noch einmal: Wie wollen Sie den sozialen Druck zur Freiwilligkeit erzeugen?

Dörner: Nähe, das ist unsere Erfahrung in Gütersloh, verändert die Verhaltensmuster und die Selbstinterpretation. Bürger haben uns gesagt, sie hätten nie gedacht, dass sie einmal regelmäßig mittags mit Frau Sowieso um den Block gehen würden; sie fänden es nach wie vor lästig. Aber wenn sie merken, dass das nicht mehr zu ändern ist, deuten sie die neue Gewohnheit positiv um: Ein bisschen mehr Last kann meinem Leben mehr Gewicht geben. Dieses Verfahren ist allemal besser als Zwang.

Zeit: Viele werden sich dem Druck entziehen.

Dörner: Das ist eine weitere Ungerechtigkeit, wenn man die Leute aufeinander hetzt, damit sie gut zueinander sind. Wir sprechen hier ja nicht vom Paradies auf Erden, sondern von einem vitalen Problem. Wir müssen alle Institutionen einbeziehen: Schulen, Hausärzte, den alten Pastor und besonders die Wohnungsbaugesellschaften. Mit wenigen gesetzgeberischen Mitteln könnte man erreichen, dass Wohnmöglichkeiten für Jung und Alt entstehen, Häuser flexibel umgebaut werden können und Pflegestationen in Vorausschau geplant werden. Wer öffentliche Gelder haben will, soll so bauen müssen, dass man Hilfsbedürftigen überhaupt wieder begegnet.<<

Ich denke, Anregungen gibt Dörner wirklich genug. Bei dieser Fülle von Ideen müsste wirklich jeder eine Möglichkeit sehen, sich in dieser Art von Nachbarschaftshilfe einzubringen.

Vielleicht noch ein Beispiel aus meinem Leben. Als ich als Bankkauffrau voll berufstätig war und außerdem als allein Erziehende drei Kinder zu versorgen hatte, hatte ich berufsbedingt sehr viel mit alten Leuten zu tun. Mitunter riefen sie an, dass sie das Haus nicht verlassen könnten und baten um Überweisung einer Rechnung. Wohnten sie in meiner Nähe, fragte ich bei der Gelegenheit, ob ich ihnen auf dem Nachhauseweg vielleicht etwas besorgen könnte. Da ich abends sowieso einkaufen musste und die Ablieferung keinen Umweg bedeutete, war es für mich selbstverständlich und keinerlei Mehrbelastung. Der Dank, der von diesen Menschen zurück kam, war überwältigend.

Das meint Dörner doch: man könnte wirklich jeden in die Nachbarschaftshilfe einbeziehen. Selbst wer ans Haus gebunden ist, könnte mittels PC und Telefon die Dienste koordinieren oder sich einfach einmal telefonisch bei seinem Nächsten melden. Einfach zu sagen, "Das ist alles nicht machbar", ist wirklich zu billig....


mart antwortete am 31.08.03 (18:44):

Mechthild


Einer, der vielen Punkte, die jetzt angeschnitten wurden, ist die aktive Sterbehilfe, die Du (eventuell) in Anspruch nehmen möchtest.

Ist das nicht eine ausgesprochen unmoralische Haltung, einem anderen die Bürde, jemanden umzubringen aufzuerlegen, wenn man selbst für einen Selbstmord zu feig ist?

Dieser ist auch bei eingeschränktester körperlicher und geistiger Fähigkeit möglich.


mart antwortete am 31.08.03 (21:18):

Der Psychiater und theoret. Psychologe Dörner schlägt also vor:

Wenn man keine sozialverträgliche Entsorgung bzw. Verkürzung des Lebens alter Leute will, dann sollen sich ca. 200 Leute um 1 Pflegebedürftigen sowohl finanziell als auch organisatorisch kümmern.

Seine Erfahrungen machte D. mit dem betreuten Wohnen von Psychiatrieinsassen, eigentlich ein alter Hut, der z.T. sehr erfolgreich war.

In welcher Weise er die verlässliche „rund um die Uhr“ Betreuung von Pflegefällen gewährleisten will, ist mir schleierhaft. Da der Herr diese den Kleinfamilien nicht zumuten bzw. anvertrauen will, findet er ein Kollektiv von 2oo Leuten nun geeigneter. Nun, ja – der Kommunismus scheint doch noch nicht überwunden zu sein.

Mir kommt so leise der Verdacht, dass dieser Herr keine persönliche Erfahrung in der Betreuung von Pflegefällen hat.

Es geht doch hier nicht darum, einem alten Menschen Geld von der Bank zu holen oder für ihn einkaufen zu gehen. Diese alten Menschen befinden sich heute kaum mehr in den Pflegeheimen.

Es läuft einfach darauf hinaus, dass 200 „betreuenden“ Menschen einen Pflegefall finanzieren müssen.


Medea. antwortete am 31.08.03 (22:50):

Ich korrigiere mich:
es waren 200 zu suchende Bürger für die Versorgung von einer dementen Person.

Ich befürchte aber weiterhin, daß auf freiwilliger Basis
hier keiner der Zweihundert Verantwortung übernehmen wird.
Es geht in der Tat weder um evtl. Einkäufe oder die Begleitung zu Arztbesuchen, das Ausführen des Hundes oder das Aufhängen der gewaschenen Gardinen ....., solche Dinge werden ja bereits vielfach ohne großes Reden in nachbarschaftlicher Hilfe geregelt - bestimmt nicht nur hier, sondern auch anderswo - es geht darum, unsere alten und kranken Menschen nicht zum Spielball zwischen den Fronten werden zu lassen.


mart antwortete am 01.09.03 (00:26):

<<und als alternative Option dafür zu sorgen, dass die Menschen ihr Leben sozialverträglich verkürzen. Die Förderung der aktiven Sterbehilfe ist auch ein Schritt in diese Richtung.

und es als Beweis für Ehrlichkeit anzusehen, wenn dies in der Öffentlichkeit als Problemlösung erwähnt würde.<<


Nun, es wurde hier erwähnt und ich glaube mich in ein längst abgeschlossenes Kapitel der Geschichte versetzt --- aber wahrscheinlich ist dieses unrühmliche Gedankengut noch sehr präsent und kommt nun, in den ersten etwas schlechteren Zeiten nach dem Krieg wieder empor.
Möglicherweise wird aber zu viel Kraft im Zuschütten und Glätten anderer Gräben, die durch die Gesellschaft verlaufen, investiert, sodaß bei diesem "ungefährlichen" Thema, das ja nur die Pflegefälle betrifft, der Bodensatz emporkommt.


BarbaraH antwortete am 01.09.03 (01:30):

mart,

ich finde es nicht in Ordnung, einzelne Sätze aus dem Zusammenhang zu reißen und damit ihren Sinn zu verkehren. Dörner zeigt diese Alternative der Ehrlichkeit halber auf... lehnt sie jedoch für sich ab:

>>Dörner:....Die Entscheidung für das Heim fällt praktisch nie wegen des Grades der Pflegebedürftigkeit. Sondern weil das soziale Netz nicht mehr reicht.

Zeit: Sie sagen, die ambulanten Haushaltsgemeinschaften „um die Ecke“ seien alternativlos. Aber wer sagt eigentlich, dass wir den humanen Weg wählen? Derzeit könnte man denken: Die Gesellschaft stellt sich stillschweigend darauf ein, die Alten im privaten Dunkel wegsterben zu lassen.

Dörner: Natürlich, das ist die Alternative. Man muss es so hart sagen: Eine Option besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Menschen ihr Leben sozialverträglich verkürzen. Die Förderung der aktiven Sterbehilfe ist auch ein Schritt in diese Richtung. Damit man erschrecken kann: Nein, das will ich für mich später nicht. Es würde den Druck erhöhen.<<

Er klagt ja gerade die mangelnde Sensibilität der Gesellschaft an, die fehlende Solidarität mit den Alten.... verweist sogar auf eine Verletzung der Menschenrechte ihnen gegenüber. Zur Ehrlichkeit gehört für ihn, Dinge beim Namen zu nennen, um darüber zu diskutieren:

>>Es wäre ein Beweis der Ehrlichkeit, wenn dies in der Öffentlichkeit als Problemlösung erwähnt würde.<<

Ich weiß nicht, warum Du so vehement an Deinen Unterstellungen ihm gegenüber festhalten möchtest....

https://www.zeit.de/2003/11/D_9arner-interview

Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2003/11/D_9arner-interview


Wolfgang antwortete am 01.09.03 (06:07):

"Ich weiss nicht, warum Du so vehement an Deinen Unterstellungen ihm [DOERNER] gegenueber festhalten moechtest...", fragst Du 'mart', Barbara. - Sie will es so... Ich muss Dir leider sagen: Es ist unmoeglich mit Menschen vom Schlage 'mart' eine vernuenftige Diskussion zu fuehren. Leider leiden alle ST-Foren darunter. :-(


mart antwortete am 01.09.03 (07:54):

Barbara, Wolfgang,

diese Herr D. hat Erfahrung mit Schizophrenen etc., die durch ständige Medikamente in Wohngemeinschaften leben können.

D. behauptet: <<Die E n t s c h e i d u n g für das Heim fällt p r a k t i s c h n i e w e g e n d e s G r a d e s der P f l e g e b e d ü r f t i g k e i t. Sondern weil das soziale Netz nicht mehr reicht.<<

Ja, hat dieser Herr irgendwann mehr als 5 Minuten seine Nase in eine Pflegestation gesteckt?

Wehret den Anfängen!

Und wehret allen Biedermännern, die die Öffentlichkeit mit der Option der aktive Sterbehilfe für alte Menschen "ehrlichkeitshalber" aufklären wollen.

Natürlich und selbstverständlich wollen sie das nicht, aber immerhin, die Leute sollen wissen, daß das Aussprechen des Entsorgung von Menschen wieder akzeptabel geworden ist.


Karl antwortete am 01.09.03 (08:25):

@ mart,

die Entscheidung "Pflegeheim oder nicht" wird zuhause gefällt und nicht in den Pflegeheimen. Insofern spielt das soziale Netz doch eine große Rolle. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Entscheidung für das Pflegeheim in einer Großfamilie eher gefällt wird als in einer heute üblichen Nichtfamilie (die Eltern wohnen oft allein).

Dass hier in den Foren der Entsorgung alter Menschen das Wort geredet wird, ist eine bösartige Unterstellung.


wanda antwortete am 01.09.03 (08:42):

das ist auch meine meinung.


mart antwortete am 01.09.03 (09:04):


Ich möchte die Öffentlichkeit über die sozialverträgliche Entsorgung der HIV und Aidskranken aufklären.

Ich stelle es nur als alternative Option zu der 1000den Schillingen teuren Behandlung pro Tag, die sich die Gesellschaft nicht leisten kann, der Öffentlichkeit vor.

Ich bin keineswegs dafür, aber nein, aber entweder sorgt ein Kollektiv für einen Aidskranken oder .....na ja, wie heißt es so schön "sozialverträgliche" aktive Sterbehilfe.





Seid ihr so naiv oder tut ihr nur so!


BarbaraH antwortete am 01.09.03 (09:06):

Vielleicht sollten wir weitergehen im Text des Interviews mit Dörner:

>>Die Förderung der aktiven Sterbehilfe ist auch ein Schritt in diese Richtung. Damit man erschrecken kann: Nein, das will ich für mich später nicht. Es würde den Druck erhöhen.<<

.... Es würde den Druck erhöhen....

Wenn ich die Sterbefälle in meiner nächsten Umgebung betrachte und mir vorstelle, einen ähnlichen Tod durchstehen zu müssen, bin auch ich im Zweifel, was menschlicher wäre:

diese Qual oder ein selbst gesetztes Ende...

Doch Dörner mahnt: "Es würde den Druck erhöhen"

Dieses hört man doch aus den Niederlanden. Die Kinder wollen in Urlaub fahren und der Vater oder die Mutter will und will nicht sterben.... Da könnte man doch etwas nachhelfen... Nein, das dürfte auf keinen Fall möglich sein. Es gibt jedoch Qualen des Sterbens (ich denke an die Fälle, die Prof. Hackethal seinerzeit dokumentierte) die wahrlich ein selbst gesetztes Ende ermöglichen sollten.

Die Frage ist: in wessen Händen läge die Entscheidung? Schließlich sind wir alle Menschen mit ganz unterschiedlichen Empfindungen und Maßstäben...

Ich habe es selbst erlebt, dass Ärzte sehr verantwortungsbewusst mit dem Sterben umgingen. Als das Leben nur noch aus Qual bestand, verzichteten sie nach Absprache mit der Sterbenden und ihren Verwandten auf die Gabe von Antibiotikum und ließen so einen natürlichen Tod im Fiebertraum zu....

Wo wäre hier die Grenze? Was ist aktive, was passive Sterbehilfe? Schließlich ist jeder Fall unterschiedlich...


mart antwortete am 01.09.03 (12:03):

Barbara,

Wenn es anderen ebenso wie Dir nicht klar ist, wo die Grenze zwischen Mord und Sterbenlassen (aktiver und passiver Sterbe"hilfe") ist, ist es fürwahr wieder traurig um dieses Land bestellt.


Mechtild antwortete am 01.09.03 (12:40):

„Ist das nicht eine ausgesprochen unmoralische Haltung, einem anderen die Bürde, jemanden umzubringen aufzuerlegen, wenn man selbst für einen Selbstmord zu feig ist?“
Ich habe lange überlegt, ob ich darauf antworten soll. Ich bin der Meinung Du hast die falschen Worte gewählt bei diesem doch sehr ernsten Thema und solltest lieber schweigen.
Es geht bei diesem Thema nicht in erster Linie um Selbstmord oder die Kostenfrage, sondern um die Frage: Ist lange leben immer erstrebenswert. Kann weniger nicht auch mehr sein? Diese Frage kann nicht für alle gleich oder mit einer Jahreszahl beantwortet werden. Es ist eine Frage auch nach dem Sinn des Lebens. Die Antwort muss jeder für sich selbst finden. Sie kann aber nicht heissen, jeder muss so lange leben, wie es medizinisch möglich ist, trotz Patiententestament.


Wolfgang antwortete am 01.09.03 (13:24):

Fuer mich ist es wichtig, Mechtild, dass ein Mensch nicht auf sein (tatsaechliches oder moegliches) Kranksein reduziert wird oder gar sich selbst darauf reduziert.

In unserer boomenden Krankheitsindustrie wird das aber immer mehr der Fall sein.

Was dadurch auf der Strecke bleibt, ist die Vitalitaet der Menschen... Eine Vitalitaet, die eben nichts mit koerperlichen Gebrechen oder Einschraenkungen zu tun hat. Fuer Vitalitaet kannst Du auch gerne Selbstbestimmung setzen... Ein weiteres Wort (es gibt bestimmt noch mehr) fuer den gleichen Sachverhalt. :-)


Mechtild antwortete am 01.09.03 (14:37):

@ Wolfgang
Zur Zeit gibt es keine Selbstbestimmung, sondern man ist der Krankheitsindustrie ausgeliefert. Wenn man krank ist, hat man nicht gesund gelebt und muss sich nicht wunder. Nimmt man das Medikament nicht, was einem der Arzt/die Pharmaindustrie anbietet, weil einem die Nebenwirkungen zu unangenehm sind, ist man es auch selbst schuld, wenn es einem schlecht geht. Treibt man Sport und hat man einen Unfall, hat man sein Leiden auch selbst verursacht. Hat man Aids oder ist drogensüchtig, liegt man der Allgemeinheit auf der Tasche.
Dass Krankheit eins der größten Lebensrisiken ist, die es gibt und jeden treffen kann wird gerne verdrängt. Das man an der Angst vor Krankheit gut verdienen kann, praktizieren zwar viele, gibt aber kaum jemand zu. Verdienen wollen viele an dem Geschäft „Gesundheit“. Zahlen soll die Allgemeinheit. Solange direkt der moralische Zeigefinger kommt, wenn man die Krankheitsindustrie infrage stellt, ist es schwierig das Thema sachlich zu diskutieren.


Wolfgang antwortete am 01.09.03 (14:55):

Ja, Mechtild, so sehe ich das auch...


wanda antwortete am 02.09.03 (14:33):

es passt nicht so ganz hierher, aber ich finde den Schluss so schön.

Ich schaue in hundert Gesichter,
aber nirgends begegne ich deinem Blick!

Ich höre viele Stimmen - aber vergeblich
hoffe ich auf den Klang deiner Stimme.

Ich gehe viele Wege - aber der Gleichklang
unserer Schritte ist verweht!

- mein Leben war ein kurzes intensives
Fest-
Wird ein Fest dadurch schöner,
dass es länger ist ?

P.Moderson-Becker.


BarbaraH antwortete am 08.09.03 (14:18):

Ein Artikel zum Thema in der Frankfurter Rundschau:

>>Selbstbestimmung am Lebensende treibt Bundesjustizministerium um

Expertengruppe soll umstrittene Rolle von Patientenverfügungen klären / Ärzte und Juristen hadern mit Gerichtsentscheidung

Die Debatte um die passive Sterbehilfe und die Einstellung lebensverlängernder Maßnahmen ist neu aufgeflammt. Auf Initiative von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) konstituiert sich an diesem Montag in Berlin eine Arbeitsgruppe, die die Rolle von Patientenverfügungen klären soll. Beobachter erwarten konkrete Gesetzesvorschläge, die die Selbstbestimmung am Lebensende stärken könnten.<<

https://makeashorterlink.com/?C34C244D5

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