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THEMA: Das schlechte Gewissen ist immer dabei - (alte) Eltern im Pflegeheim
6 Antwort(en).
Kasimami
begann die Diskussion am 28.12.02 (17:44) mit folgendem Beitrag:
Hallo!
Obwohl ich mit meinen 40 Jahren und zwei kleinen Kindern normalerweise eher in einem Forum für Mütter zugange bin ;-), hoffe ich, hier Hilfe für mein Problem (bzw. das meiner Mutter) zu finden.
Vor ziemlich genau vier Jahren wurde mein Vater sehr schwer krank Zu diesem Zeitpunkt lebte meine Großmutter (Mamas Mutter, Jahrgang 1905) seit gut 25 Jahren im Haus meiner Eltern - in einer abgeschlossenen Wohnung. Sowohl meine Schwester als auch ich wohnen weit weg. Ebenso die beiden Brüder meiner Mutter, die es allerdings sowieso bei gelegentlichen Besuchen beließen und außerdem ihre eigenen Probleme hatten. Bis ungefähr zu ihrem 90. Lebensjahr war meine Oma sehr rüstig – bis auf ein Nachlassen der Seh- und Hörfähigkeit war sie ausgesprochen mobil und auch geistig ausgesprochen rege. Dann allerdings ging es rapide abwärts und es war nicht mehr möglich, sie „ohne Aufsicht“ allein zu Hause zu lassen. Meine Mutter konnte dies nicht leisten, da sie fast den ganzen Tag im Krankenhaus bei meinem Vater war. Aus der Tagespflege-Einrichtung, die sie kurzfristig aufgenommen hatte, ging sie regelmässig „stiften“.
Wenige Wochen später verstarb mein Vater und meiner Schwester gelang es, einen Platz in einem Pflegeheim an dem Ort zu bekommen, an dem sie (also meine Schwester) lebt. Außerdem wohnen in nächster Nähe auch zwei meiner Kusinen.
Nun ist also meine Großmutter seit dreieinhalb Jahren in diesem Pflegeheim. Meine Schwester und Kusinen holen sie umschichtig mindestens einmal in der Woche. Auch meine Mutter fährt häufig in den ca. 100 km von ihrer Stadt entfernten Ort. Darüber hinaus kommt zweimal die Woche eine Frau, die mit meiner Oma spazieren geht und nachsieht, ob sie frische Wäsche im Schrank hat, ob eine Batterie im Hörgerät ist, ob der Friseurtermin eingehalten wurde etc. p.p.
In der Regel ist meine Großmutter auch recht zufrieden mit ihrer Unterbringung – hin und wieder allerdings sagt sie zu meiner Mutter: „Jetzt fahr ich mit dir wieder heim!“ (man muß dazu sagen, dass die Oma mittlerweile auch unter Altersdemenz leidet; sie weiß manchmal nicht, wer vor ihr steht und fragt meine Mama auch des öfteren: „Wo ist denn dein Mann? Wartet er unten im Auto?“)
So und nun *länglicheeinleitungoff* kommt das Problem. Immer dann, wenn dieses „Ich will wieder nach Hause“ fällt, hat meine Mutter tagelang ein schlechtes Gewissen. Sie ist Mitte 60, hatte mehrere Bandscheibenvorfälle, muß sich um alles Mögliche kümmern und wäre schlichtweg nicht in der Lage, sich 24 Std um eine teilweise pflegebedürftige Person zu kümmern. Ganz abgesehen von der nervlichen Belastung.
Gibt es ein Forum, in dem sich meine Mutter mit Frauen in einer ähnlichen Situation austauschen könnte? Ich bin mir sicher, dass man dort die emotionale Lage meiner Mutter weitaus besser verstehen und nachvollziehen kann, als dies in ihrem sonstigen Umfeld möglich ist. Oder sie könnte erst mal unverbindlich „mitlesen“ und so feststellen, dass sie nicht allein ist.
Für jede Anregung dankt Kasimami
Internet-Tipp: https://www.krimi-forum.de
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Angelika
antwortete am 28.12.02 (22:34):
Hallo Kasimami - eigentlich bin ich eine schlechte Beraterin - denn ich habe, als ich vor er Wahl stand, meine Mutter in ein Pflegeheim zu geben oder selbst für sie zu sorgen, das Heim abgelehnt und meine damals schwerstbehinderte Mutter 4 Jahre rund um die Uhr gepflegt und meinen Job und das, was man "Karriere" nennt, hingeschmissen und ich würde es sicher wieder tun - aber ich habe bei aller wundervoller lebenslanger Nähe und Liebe, die es zwischen meiner Mutter und mir gab, ein paar entscheidende Dinge gelernt:
Es hat mich psychisch, physisch und wirtschaftlich an den Rand des Ruins gebracht, von dem ich mich auch nach fast 10 Jahren noch nicht erholt habe - wenngleich es mich gefühlsmässig und an erhaltener und vor allem gegebener und vom meiner Mutter angenommener Liebe sehr, sehr reich gemacht hat.
Ich habe erkannt, dass ich auch eine Verantwortung mir gegenüber und gegenüber meiner Zukunft habe - und die Verantwortung für das Wohl meiner Mutter war enorm - sie war geistig völlig fit, litt aber an Diabetis, erblindete, landete an der Dialyse und sass dann auch noch das letzte Jahr im Rolli, dann begann der geistige Zerfall, der mich am meisten geschmerzt hat...
Du und Deine Angehörigen müssen begreifen, dass ihr die Verantwortung für eine alte Dame, die an Altersdemenz leidet, gar nicht übernehmen könnt, ohne Verantwortung für Euch und Eure Lieben aufzugeben und einzuschränken - und es ist keine Schande, wenn man sich helfen lässt.
Jemand, dem die Kräfte schwinden und der über dem Abgrund vom Leben in den Tod hängt, den kannst Du mit Deinen Händen nur so lange halten, wie auch die Kräfte des Stürzenden reichen - schwinden seine Kräfte, dann darfst Du den Moment nicht verpassen, andere Hand anlegen und halten (helfen) zu lassen oder aber - und das hört sich hart an - die Hand auch loslassen - denn sonst stürzt Du mit in die Tiefe und das würde auch Deine Grossmutter doch niemals wollen ....
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schorsch
antwortete am 29.12.02 (10:53):
Spätestens dann muss mit einer Heimeinweisung gerechnet werden, wenn die eigene Lebensqualität so unter dem Pflegen leidet, dass man selber nicht mehr zum Leben kommt! Wem nützt es, wenn ein Mensch sich aufopfert in der Pflege seiner Eltern oder gar Grosseltern, und dann selber reif wird für eine Heimeinweisung? Wir hatten meine Mutter nur ein paar Wochen bei uns in Pflege. Als wir dann merken mussten, dass sie in der Verwandtschaft und Bekanntschaft Unwahrheiten erzählte wie sie von uns schlecht behandelt würde, ja sogar behauptete, sie müsse für uns den Haushalt führen, war es an der Zeit, das "Experiment" abzubrechen. Wir hatten keine Mühe, meinen Geschwistern die Lage plausibel zu machen - sie hatten die gleichen Erfahrungen ja auch schon hinter sich!
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mechtild
antwortete am 29.12.02 (15:05):
Das Heim hat einen schlechten Ruf. Auch deshalb möchte niemand ins Heim und keiner will seine Angehörigen ins Heim geben. Jeder glaubt, dass wenn er Angehörige ins Heim gibt, heißt das, er habe sie nicht lieb oder sei nicht bereit oder in der Lage sich um sie zu kümmern. Wenn ein Mensch ins Heim geht, muss er vor sich und vor anderen eingestehen, dass er nicht mehr ohne fremde Hilfe leben kann - das ist sehr hart. Dabei wäre mancher im Heim besser aufgehoben, als in mancher Familie. Aber darüber spricht man nicht, das ist Privatsache. Als Angehöriger kann und sollte man Pflege und Versorgung an professionelle Kräfte abgeben. Die machen das meist schneller und oft auch besser. Man kann jedoch die soziale Betreuung nur begrenzt abgeben. Kind bleibt man und die Rolle muss man auch weiter ausüben, wenn ein Elternteil im Heim ist. Es ist aber leichter ein nettes, freundliches Kind zu sein, wenn man nicht durch die pflegerische Arbeit total überfordert ist. Die Beziehung zwischen Eltern und Kinder ist oft viel entspannter, wenn man nicht zusammen wohnt. Der Wohnort der Eltern sagt nichts über die Beziehung aus, die ein Kind zu seinen Eltern hat und pflegt.
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Christa
antwortete am 29.12.02 (20:02):
Hallo Kasimama, Weihnachten 1991 verstarb unsere Mutter nach einem vierjährigen Aufenthalt in einem Pflegeheim. Ich kann Sie und Ihre Mutter gut verstehen, haben wir(meine Schwester und ich) die gleichen Probleme gehabt unsere über alles geliebte Mutter in ein Heim abzugeben. Es hat uns fast das Herz gebrochen, sie dortzulassen. Unsere Kräfte waren aber am Ende und es war nicht mehr möglich, sie zu Hause zu pflegen.-Nachdem wir den ersten Schock überwunden hatten, konnten wir sie jeden Tag im Heim besuchen und ihr so viel mehr Hilfe und Aufmunterung zukommen lassen als zu Hause, wo wir Tag und Nacht überfordert waren. Trotzdem erinnere ich mich immer noch voller Trauer an ihre gelegentliche Bitte:"Nimm mich wieder mit nach Hause". Wie gerne hätten wir es getan, aber es war aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Als unsere Mutter später keine Reaktionen mehr zeigen konnte, waren die täglichen Besuche eine Hilfe für das Pflegepersonal und auch für uns. Jetzt, wo sie von ihrem Leiden erlöst ist denken wir, daß sie unsere Beweggründe versteht und uns näher ist, als zu Lebzeiten. Mit lieben Grüßen auch an Ihre Mutter Christa
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margretm
antwortete am 06.01.03 (20:32):
Hallo kasimama, auch ich hatte dieses Problem. Meine Mutter - heute fast 92 Jahre alt - lebte 26 Jahre in einer abgeschlossenen Wohnung in unserem Haus. Mit 78 Jahren hatte sie eine Darmperferation, was bedeutete, dass sie 1 Jahr einen künstlichen Ausgang hatte. Da meine Mutter keine geduldige Person ist, war es für mich und mein Familie die Hölle. Mit 83 Jahren erhielt sie eine neue Herzklappe. Mit 87 Jahren war sie fast blind und wollte sich nicht operieren lassen. Ab dem 78 Lebensjahr war meine Mutter auf Hilfe angewiesen, die sie aber nur von mir bekam. Meine Brüder waren nur zur Hilfe bereit, wenn ich aus Krankheitsgründen ausfiel. Dazu muß ich sagen, meine Mutter ist eine ganz schwierige Frau. Ihr eigenes Wohl, geht über das Wohl aller anderen. Böse Worte, Klatsch und Tratsch waren bei ihr an der Tagesordnung.Heute bin ich 62 Jahre alt. 13,5 Jahre habe ich meine Mutter betreut. Seit 5 Monaten ist sie im Heim und das ist gut so. Wegen ihr war ich in Therapie und ich erhole mich jetzt ganz langsam von dieser Belastung. Eure Entscheidung ist richtig, denn man hat für sich und die eigene Familie auch Verantwortung zu tragen. Margret
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Kasimami
antwortete am 06.01.03 (21:00):
Erst mal ganz herzlichen Dank für die zahlreichen Antworten.
Ich muss gestehen, ich hatte sehr "gehofft", auf diese Weise mit anderen "Betroffenen" in Kontakt zu kommen, denn - wie gesagt - aus meiner Warte heraus ist es oft sehr schwer, die richtigen Worte für meine Mutter zu finden, bin ich doch "bloß" die Enkelin.
Ich werde meiner Mutter den Link zu diesem Posting schicken - und sie ermutigen, sich entweder in einer solch öffentlichen Runde selbst nochmal zu äußern oder, falls ihr das schwer fällt, ggf. einzelne Antworter direkt zu kontaktieren (ich hoffe, das ist in Ihrem/Eurem) Sinne.
Viele liebe Grüße Kasimami
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