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THEMA:   Erntedank - noch zeitgemäß?

 10 Antwort(en).

E-l-e-n-a begann die Diskussion am 07.10.02 (17:49) mit folgendem Beitrag:

Früher gab es in Deutschland zum Erntedankfest schöne Bräuche: Altäre mit Früchten, Erntekronen, Umzüge, Tänze.

Heute fragen wir: Passt das noch in unsere Zeit? Danken - wofür denn? Das Nötige kaufen wir im Supermarkt, der Tisch des Wohlstandes ist gedeckt. Alles scheint machbar geworden zu sein, alles ist zu haben - gegen harte Euro.

Da ist für Dank kein Bedarf mehr. Sollen wir dem Erzeuger, dem Kaufmann, den Eurokraten danken? Keine Ursache. Es kostet doch alles mein gutes Geld.

Die gleiche Mentalität hat in unserer Wohlstandgesellschaft auch die zwischenmenschliche Ebene erreicht: Beziehungen werden verrechnet, keiner will sich etwas schenken lassen, um nicht danken zu müssen.

Das ist sicher ein wenig übertrieben, aber oft empfinde ich das so, wie geht es euch damit?


Nuxel antwortete am 07.10.02 (18:29):

Liebe Elena
Deine Worte haben mich sehr nachdenklich gemacht,denn Du
zeigst etwas auf,dass wir tatsächlich täglich erleben und auch selber tun!
Bei einer Eheschliessung muss ein Ehevertrag gemacht werden,da man ja nicht mehr "auf Treu und Glauben" ein gemeinsames Leben aufbauen kann....
Wird man gefragt: was wünschest du dir zu Geburtstag oder anderen Anlässen,sagen wir meistens: nichts,ich hab doch alles....und wenn dann doch Geschenke gemacht werden,die davon zeugen,dass die Schenkenden sich liebevoll Gedanken gemacht haben,um eine sinnvolle Gabe überreichen zu können,freuen wir uns doch sehr,vor allem,wenn auch noch ein geheimer Wunsch erfüllt wurde!
Erntedank
wohl können wir alles kaufen,so wir die nötigen Euro dafür haben.
In ländlichen Gegenden wird auch heute noch, wie von Dir beschrieben,dem Dank für die Ernte Ausdruck verliehen.
Sicher müssen wir die Lebensmittel bezahlen--ist aber deshalb die Arbeit der Bauern weniger wert?
Ich denke,es ist ein Anliegen der Erwachsenen,den jungen Menschen Achtung vor denen vorzuleben,die sehr schwer dafür arbeiten müssen,dass wir aus aller Herren Länder die jeweiligen Köstlichkeiten zur Verfügung haben.


WANDA antwortete am 07.10.02 (18:52):

@e-l-e-n-a, ich muss Dir widersprechen, Dein erster Satz gilt nicht. überall sind die Altäre geschmückt, in den Schulen wird Erntedank gefeiert und wir tanzen sogar am kommenden Sonntag zum Erntedank. Wenn Du überwiegend in Spanien lebst, kannst Du so nicht über Deutschland urteilen.
Ich sprach gestern mit meiner Schwiegertochter (Neustadt/Ostsee) auch dort hatte man zum Erntedank besonders schön mit Kürbissen usw. Kirchen und Schulen ausgeschmückt.


Johannes Michalowsky antwortete am 07.10.02 (20:53):

Die Mehrzahl der Bevölkerung bei uns lebt in Großstädten, da werden nicht so viele Altäre geschmückt sein, da man dort denkt, daß die Kühe lila sind und die Milch aus der Fabrik kommt. Ich glaube nicht, daß wir auf Spanien oder andere Länder herabsehen müssen. Die Menschen dort leben in soviel und so wenig Gott- und Naturverbundenheit wie wir und haben selbst ihre Feste und Bräuche, die ja nicht gerade mit den unseren zusammenfallen müssen.

Eine gute Ernte ist in unserem Lande und überhaupt in Mitteleuropa kein Segen mehr. Es entstehen Überschußprobleme, Teile der Ernte werden vernichtet oder in Drittländer verramscht, da nicht verkäuflich oder zu sehr auf den Preis drückend. Die Politik der Landwirtschaft ist darauf gerichtet, die Produktion durch Flächenstillegung zu vermindern oder umgekehrt durch Zuschüsse fehlende Leistungsanreize, die vom Markt her kommen sollten, in der Landwirtschaft auszugleichen.

Aber schenken lasse ich mir gerne etwas, ich erkenne die mit einem Geschenk verbundene Geste und scheue mich auch nicht, mich über Erfüllung von Wünschen auf diese Weise zu freuen.


Rosmarie Schmitt antwortete am 07.10.02 (20:55):

Liebe Elena,

sicher ist etwas dran an dem, was du beanstandest... Auf jeden Fall ist es gut, einmal darüber nachzudenken.
Aber waren die Menschen früher wirklich dankbarer? Ich bezweifle das. Nur weil sie sich äußerlich durch sozialen Druck in der Öffentlichkeit höflicher benommen haben, müssen sie innendrin kein bisschen dankbarer gewesen sein.

Ich denke, die Menschen als Ganzheit gesehen bleiben ziemlich gleich. Es gibt solche und solche, Egoisten und Auch-auf-die-anderen-Bedachte, Reflektive und Gedankenlose, Nehmer und Geber, Dankbare und Forderer und... und...
Und wenn man jeden einzelnen anschaut, entdeckt man doch immer eine Mischung...


Barbara antwortete am 07.10.02 (21:15):

Bei uns in Norderstedt bringt zum Erntedank ein prächtig geschmückter Wagen, der von zwei schmucken Pferden gezogen wird, die Erntedankkrone nach dem Gottesdienst zum Rathaus. Bunt geschmückte Traktoren ziehen Anhänger mit Kürbissen, Äpfeln, Kartoffeln und anderen Erzeugnissen aus der Landwirtschaft.

Im Rathaus wird die Krone feierlich dem Bürgermeister überreicht und in der Halle aufgehängt. Danach wird gemeinsam gesungen und mit Apfelsaft, der kostenlos ausgeschenkt wird, gefeiert. Das Obst und Gemüse, das auf den Wagen mitgebracht wurde, wird unter den anwesenden Bürgern verteilt.

Es ist für alle, ganz besonders jedoch für die Kinder, ein großer Festtag.

Recht muss ich Dir geben, liebe Elena, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben, ein Geschenk anzunehmen. Freunde habe ich schon oft darauf hingewiesen, dass man besonders dem Schenkenden eine Freude macht, wenn man etwas freudestrahlend annimmt. Meistens werden sie dann nachdenklich und geben mir recht. Ihnen war bislang gar nicht aufgefallen, dass sie jemanden verletzen, wenn sie ein Geschenk anschließend gleich "doppelt zurückgeben".

Allerdings muss ich sagen, dass man in unserem Alter doch wirklich das meiste hat. Was macht man denn mit all den hässlichen Sonderangeboten, für die man sich bedanken muss und die man am liebsten gleich entsorgen würde? Aber das darf man natürlich nicht, denn die Freundin möchte ja den Gegenstand bei ihren Besuchen wiedersehen.

Willkommen sind bei mir vor allem selbstgebackener Kuchen oder Kekse, selbstgekochte Marmelade oder aber ein schönes Buch.


mechtild antwortete am 07.10.02 (21:18):

Auch wir in der Großstadt lieben den Herbst und die Ernte und den vollen Gabentisch. Erntedank wird meist in den Kirchengemeinden gefeiert und die Kinder lieben es einen Gabentisch zu gestalten. Wir Städter schätzen Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten und jeder, der ein wenig Land hat pflanzt etwas an. Wenigstens eine Tomatenpflanze hat man auf dem Balkon.
Das nicht alle Kühe lila sind weiß auch jeder, obwohl die Milch, die die lila Kuh gibt besonders lecker ist.:-)))
Ich feiere zwar kein Erntedankfest, aber ich lade zum Zwiebelkuchen und Federweißen ein. Feste bei denen es zu essen und zu trinken gibt, feiert jeder gern.
Natürlich will jede Generation alte Feste auch in ein neues Gewand kleiden. Es ist doch schön zu sehen, wie junge Leute heute die alten Feste feiern und man sollte mitmachen und genießen.


Tessy antwortete am 07.10.02 (22:33):

Mein Hund konnte sich gar nicht darüber freuen daß geerntet wurde.
Wochenlang gab es jeden Morgen beim Spaziergang einen Maiskolben - und nun - alles ersatzlos weg ;-(


mondlicht antwortete am 08.10.02 (17:52):

Erntedank in einem kleinen Ort in Ostwestfalen: Die Erntegaben werden zum Gottesdienst in der kleinen Kirche rings um den Altar aufgebaut, die Gemeinde dankt für das was aus des "Schöpfers Hand" Tag für Tag den heimischen Tisch bereichert. Nach dem Gottesdienst werden die Erntegaben in Körben zusammengepackt und in´s nahegelegene Alten- und Pflegeheim gebracht, wo sie von Kindergartenkindern an die alten Menschen verteilt werden. Leuchtende Augen und verwunderte Blicke sagen dort noch einmal Dank!


e k o antwortete am 15.10.02 (19:03):

Ich habe erst heute dieses Thema entdeckt, aber ich möchte dennoch einen Beitrag dazu schreiben.

e-l-en-a,

sollten wir nicht einen Unterschied machen zwischen dem, was unsere Landwirtschaft erzeugt und dem, was etwa in einer Autofabrik hergestellt wird?

Warum?

Weil ich denke, dass der Landwirt in weit höherem Masse von Umständen abhängig ist, die seine Arbeit beeinflussen können, als das etwa in einer Autofabrik der Fall ist. Ein Auto kann man bauen, egal, ob es regnet, hagelt, die Sonne scheint, eine Dürre ist - oder Hochwasser kommt ( sofern es einem nicht grad in die Halle läuft)

Der Landwirt hingegen ist von der Aussaat bis zur Ernte von der Witterung abhängig, da kann er düngen, so viel er will.

Ich denke, dass es auch im Zeitalter der Globalisierung, bei der wir Nahrungsmittel aus aller Herren Länder in unseren Supermärkten finden, dennoch angebracht ist, dafür zu danken, wenn die heimische Ernte unter Dach und Fach ist, denn letztendlich sind es ja doch die Grundnahrungsmittel ( Getreide, Kartoffeln, Gemüse usw.) die immer noch im Land erzeugt werden und auf die wir nach wie vor angewiesen sind.

Dass wir unseren Bedarf nicht mehr wie in früheren Zeiten beim Erzeuger direkt decken, sondern ein komplizierter Vetriebsweg sich aufgebaut hat, sollte uns eigentlich nicht darüber hinwegtäuschen, woher alles kommt.

Ob man seinem Herrgott auch heute noch dafür danken will oder es für überflüssig findet, das , so denke ich, muss jeder Einzelne für sich allein entscheiden.

So jedenfalls sehe ich es.

Schöne Grüße ins Mutterland der Sonne von e k o


schorsch antwortete am 16.10.02 (14:45):

Der Bauer danke dem Herrgott für die gute Ernte und das gute Wetter - und den Endverbrauchern, die seine Produkte kaufen!