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THEMA:   Wann sind Kredite sinnvoll?

 16 Antwort(en).

Karl begann die Diskussion am 15.06.02 (22:10) mit folgendem Beitrag:

Liebe Diskussionsteilnehmer,

viele von Euch haben sicherlich schon einmal Kredite in Anspruch genommen. Kredite sind eine Anleihe auf die Zukunft und können die Ursache für die "Schuldenfalle" sein, in die viele hineinlaufen und nicht mehr herauskommen. Nämlich dann, wenn die Erwartung, das Geld werde schon verdient werden, nicht eintrifft.

Ich erinnere mich sehr gut, als meine Frau und ich als frisch verheiratetes Paar auf der Suche nach einer Bank war, die uns auf unser geschenktes Geld etwas mehr Zinsen geben würde als normal. Fündig wurden wir bei einer bekannten Privatbank. Am Nachbarschalter wurde eine weinende Frau vom Schalterbeamten abgefertigt, sie habe ihre Raten zu bezahlen etc. Uns wurde bewusst, warum diese Bank höhere Zinsen auf Einlagen versprechen konnte, weil sie nämlich noch wesentlich höhere von Schuldnern nimmt. Wir verliesen damals diese Bank und entschieden uns dann, das Geld in Möbel zu investieren.

Damit will ich nicht behaupten, Zinsen etc. seien etwas unmoralisches. Unmoralisch ist nur, Menschen Kredite oder Ratenkäufe aufzuschwatzen, ohne sichergehen zu können, dass die Verplichtungen erfüllt werden können. Natürlich werden die Geschäfte mit Erwachsenen gemacht, die in der Theorie für sich selbst verantwortlich sind, aber vielfach sind die Betroffenen eben doch noch total unerfahren. Zumindest zu meiner Zeit wurde in der Schule kein Wissen (außer der reinen Mathematik) vermittelt, das auf solche Lebensentscheidungen vorbereitet hätte. Wie ist das heute?

Anbei ein Bericht über die Anzahl der (über)verschuldeten Haushalte.

(Internet-Tipp: https://www.banktip.de/rubrik.asp?RID=6126)


pilli antwortete am 16.06.02 (11:06):

Schulden: Anerkannte Methode, Vermögenssteuer zu sparen.
(Michael Schiff)


Karl antwortete am 16.06.02 (12:25):

Bei uns in Deutschland ist die Vermögenssteuer doch abgeschafft. Beim Überschuldungsproblem privater Haushalte denke ich, spielte sie aber auch früher wohl kaum eine Rolle.


rolf antwortete am 16.06.02 (12:37):

Mit Schulden für Anschaffungen von geförderten Objekten, z.B Wohneigentum, kann man zwar noch Steuern sparen, da hier aber nur die Zinsen geltend gemacht werden können, ist es trotzdem ein Verlust, sogar bei einem Steuersatz von fast 50 %.
Auc bei Firmen ist es ähnlich.


Pamina antwortete am 16.06.02 (15:51):

Lieber Karl, Du hast da ein wirklich wichtiges Problem angesprochen, zu dem ich auch meinen "Senf" beitragen möchte.

Kredite sind zweifellos eine schöne Sache für Firmen, die sich von einer Investition höhere Gewinne versprechen und damit den Kredit leicht zurückzahlen können. Das ist ja auch gut in Ordnung so. Und kaum jemand kann sich sein Häuschen ohne Kredit (sprich: Hypothek) bauen und nimmt einen auf, mit der festen Absicht, ihn auch ordnungsgemäß zurückzuzahlen - die fälligen Zinsen sind auch ein erzieherisches Druckmittel. Plötzliche Arbeitslosigkeit und/oder Krankheit können allerdings einen Strich durch die sorgfältige Rechnung machen, aber das angelegte Kapital ist dann ja nicht verloren, sondern kann wieder "verflüssigt" werden.

Ich habe jedoch festgestellt, dass heute - vorwiegend junge Leute - unbesonnen Kredite aufnehmen, um z.B. einen Urlaub, ein neues Auto, eine Katalogbestellung oder eine Einbauküche zu finanzieren, wozu sie nicht durch blanke Not gezwungen sind.

Unsere, die ältere Generation hat in schweren Jahren lernen müssen, dass ihr nichts geschenkt wird, dass alles erst verdient werden muss, und da Gegenwart und Zukunft düster waren, haben wir auf vieles verzichtet und auf größere Anschaffungen und kleinere Reisen oft lange gespart.

Meine erste Kücheneinrichtung bestand aus einem rohen Holzregal, einem Herd aus einer Versuchsküche und einem gebrauchten Kühlschrank. Da meine 3 Kinder kurz hintereinander eintrafen, blieb es auch lange bei diesem Provisorium. Durch eisernes Sparen, Verzicht auf so vieles, was das Leben angenehm macht, Improvisation und Beschränkung konnte so ein Teil nach dem anderen angeschafft werden, und wir waren glücklich, es aus eigener Kraft geschafft zu haben. Wir dachten nicht im Traum daran, Kredite aufzunehmen oder gar nach der Hilfe des Staates zu schreien.

Aber die heutige "Spaßgesellschaft" will ALLES und das SOFORT! Und wenn das Geld dafür nicht zur Verfügung steht, wird ein Kredit aufgenommen - die Banken leisten diesem Leichtsinn noch Vorschub, denn sie verdienen ja daran. Kein Gedanke wird daran verschwendet, dass das Geld auch samt Zinsen zurückgezahlt werden muss! Und wenn das Einkommen dafür nicht reicht, ist das Geschrei groß!

Ich denke, es bedarf keines Schulfaches "Finanz- und Kreditwesen". Es genügt der gesunde Menschenverstand und die erforderliche Moral um zu wissen, dass Geliehenes zurückgegeben werden muss - und wenn auch nur die geringsten Zweifel daran bestehen, dass man dazu in der Lage sein wird, sollte man die Hände davon lassen.


schorsch antwortete am 16.06.02 (18:09):

Das beste Mittel sich Land, Häuser, Unternehmen unter den Nagel zu reissen ist, dem Besitzer einen Kredit zu geben und zu vereinbaren, dass, wenn er nicht zahlen könne, das Besitztum dem Gläubiger gehöre.
Wir waren vor Kurzem auf Mallorca. Der Reiseleiter erzählte uns die Geschichte eines Mafiabosses, der den kleinen Landbesitzern Kredite gab und so halb Mallorca ergaunerte - er sorgte dafür, dass Ernten vernichtet wurden, so dass die Bauern bei ihm "billige" Kredite aufnehmen mussten, die sich im Nachhinein als sehr teuer erwiesen - weil er wiederum dafür sorgte, dass..... siehe oben.

Schorsch


KlausKlaus antwortete am 16.06.02 (18:22):

Hallo !

Deine Hausbank ist die Bank, der Dein Haus gehört.

Natürlich kann keiner sein Haus bar bezahlten, es sollte aber, durch Mietersparnis, eventuelle
staatliche Hilfe ( Steuerersparnisse ) und Gewinn an Lebensgefühl ( und den Preis dafür ), eine
weitgehende "Amortisation" der Schulden gegeben sein.

Diese Regel gilt, nach meiner Meinung, für jeden Kredit und das Wissen und die Gewissheit,
daß die Schuld mit ZINS UND ZINSESZINS zurückgezahlt werden muß - hier ergeben sich
häufig Quoten vom zwei- bis zweieinhalbfachen der Kreditsumme, was vielen Kreditnehmern
unbekannt zu sein scheint.

Gruß Klaus


Karl antwortete am 16.06.02 (18:50):

Ein wichtiger Punkt ist sicherlich, dass Kredite aufgewogen werden müssen, entweder durch sichere Einnahmen oder aber durch einen beständigen Gegenwert, wie das bei einem Haus gegeben ist.
Kredite für sich schnell abschreibende Gebrauchsgegenstände wie Autos, Computer oder elektronischen Schnickschnack sind besonders gefährlich. Ich kenne einen Fall, da reichte dann das Geld nicht mehr für die Vollkasko und das Auto landete im Strassengraben.
Kredite für Aktienkäufe sind auch ein Fiasko, wenn die Kurse fallen; dann geht es mit Hebelwirkung nach unten.


pilli antwortete am 16.06.02 (19:43):

@ Karl
bezugnehmend auf dein geschildertes "einzelschicksal" möchte ich an viele gegebenheiten erinnern, die auch positive möglichkeiten bieten.

"richtig" oder "falsch" entscheiden m.e. nicht unsere fragen oder antworten. die einseitige sicht schadet kreativen ideen und deren unternehmerischer umsetzung. gelebte erfahrungen, vielleicht hilfreich...


KlausKlaus antwortete am 16.06.02 (21:49):

Hallo Karl,

sicher gibt es Dein "Beispiel" zuhauf. Was ist zu tun? Die Altvorderen sagen:
"Aus Schaden wird man klug".

Bemerkenswerterweise gibt es kein Sprichwort zum Nutzen - mir zumindes ist keines bekannt.
Natürlich wird nicht JEDER IMMER aus Schaden klug - auch das wußten die Altvorderen:
"Dumm geboren und nichts dazugelernt".

Klugheit ( nicht Bildung, Wissen, Intelligenz, Witz ) als Gegenteil der Dummheit.
Klugheit ist Handeln zum Nutzen ( zum eigenen Nutzen oder dem anderer ).

Wie könnten denn wir Menschen anderst zu Klugheit gelangen, wenn nicht durch gehabten
Schaden - ja, ich weiß, man kann auch aus dem Schaden anderer lernen ( wenige Menschen
tun das ), oder durch Gedankenexperimente ( das können wohl noch weniger Menschen ).

Ich versuche, aber kann es nicht immer, einen Schaden als Chance aufzufassen. Wenn mir
etwas neu ist, ich widersprechen will, ganz anderer Meinung bin, dann habe ich die Chance
etwas Neues zu erfahren - umsomehr wenn mir ein Schaden durch einen leichtfertig in Anspruch
genommenen Kredit widerfährt, dies war nur e i n m a l in meinem Leben der Fall.

Gruß Klaus


Johannes Michalowsky antwortete am 16.06.02 (23:22):

@Karl

Die Vermögensteuer ist nicht abgeschafft, sie wird nur nicht erhoben - vielleicht eine Spitzfindigkeit (die nicht von mir stammt!), ich denke aber, das ist Methode, denn so kann man sehr schnell wieder mit der Erhebung beginnen, wenn's mal wieder nicht reicht.

Zweitens:

Die Aufgabe von Verkäufern ist zu verkaufen, und das tun sie auf Teufel komm raus, besonders dann, wenn sie am angeschafften Umsatz beteiligt werden. Die Folgen von Verkäufen oder Aufschwatzen haben sie in der Regel nicht zu tragen, das bleibt der Rechtsabteilung überlassen und natürlich den Kunden, den man etwas für sie Unzuträgliches angedreht hat. Da spreche ich aus hautnaher (nicht eigener!) Erfahrung. Das ist ein Fehler im System, finde ich, das aber nicht nur bei Banken, übertriebene oder falsche Verkäuferversprechungen gibt es fast überall.


pilli antwortete am 17.06.02 (00:05):

@ KlausKlaus

darf ich dich mit Gerhard Uhlenbruck bekanntmachen?
er sagte:

"Nur was von Nutzen ist, ist vonnöten."
(entnommen "Das grosse Handbuch der Zitate"/Orbis Verlag)


schorsch antwortete am 17.06.02 (09:05):

Der Kluge lernt aus seinen Fehlern;
der Weise lernt aus den Fehlern der Anderen;
der Ignorant macht keine - ergo braucht er nichts zu lernen!

Schorsch


Barbara antwortete am 19.07.02 (10:14):

Das Geschäft einer Bank besteht darin, das ihr anvertraute Geld zu einem höheren Zinssatz auszuleihen als der von ihr an ihre Gläubiger (u.a. Sparer) gezahlte. Diese Logik an sich ist nicht zu verdammen. Wie sonst sollte eine Bank überhaupt überleben?

Werden hingegen durch aggressive Werbung Wünsche geweckt, deren Erfüllung man sich eigentlich nicht leisten kann, habe auch ich etwas dagegen. Leider wurden in den letzten Jahren aus den Bankangestellten als reine Dienstleister immer mehr Verkäufer gemacht.

Früher kam ein Kunde mit einem Problem zur Bank, und sein Berater bemühte sich um eine gute Lösung. Heute wird der Angestellte trainiert, dem Kunden möglichst viele Produkte zu verkaufen, damit seine Absatzstatistik stimmt. Beugt er sich diesem Druck nicht, hat er mit Gehaltskürzungen zu rechnen. Macht er seinen Job im Sinne des Arbeitgebers gut, werden seine Zielvorgaben im nächsten Jahr weiter nach oben geschraubt, so dass er noch mehr verkaufen muss......

Als Kunde sollte man sich auf jeden Fall Bedenkzeit nehmen, bevor man einen Vertrag unterschreibt. Zur Kreditfrage ist noch zu sagen, dass es eben auch Mitmenschen gibt, die ohne die Möglichkeit der Kreditaufnahme nie zu größeren Anschaffungen kämen. Man nennt diese Art der Finanzierung ja auch "Nachsparen". Sie brauchen den Druck der Ratenzahlung, da sie ein freiwilliges Einschränken zum Zwecke des Sparens nicht schaffen. Insofern habe ich für ein "Nachsparen" von Möbeln mehr Verständnis als für die Vorfinanzierung eines Urlaubs.


Barbara antwortete am 19.07.02 (10:35):

Gerade in Zeit-online gelesen:

>>Bezahlen kann ich, wenn ich tot bin!

......Die mit Abstand größte Gruppe der rund sechs Millionen Schuldner in Deutschland sind mit 36 Prozent die 30- bis 40-Jährigen (gefolgt von den 40- bis 50-Jährigen mit 25 Prozent). Klaus Hofmeister, Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, spricht von einem »drastischen Anstieg« bei den jungen Erwachsenen. Neben schlecht vorbereiteten Existenzgründungen sieht er im gesellschaftlichen Klima eine der Hauptursachen: »Man möchte mithalten mit wachsenden Konsumansprüchen, sieht sich von Konkurrenten bedroht und ist bereit, entsprechend hohe Risiken einzugehen.....

.....Es sind offenbar Abgründe, die sich hinter der so genannten Generation Golf auftun. Wenn es also überhaupt ein Lebensgefühl der zwischen 1960 und 1970 Geborenen gibt, lässt es sich wohl eher am Verhältnis zum Geld als an der Vorliebe für eine Automarke festmachen. Denn selbst wer grinsend hinter dem Steuer eines schicken Cabrios sitzt, könnte in Wahrheit längst selbst zur Generation Minus gehören.......<<

Sie bezeichnen ihren Kontostand mit: >>aktuelles Guthaben: X Tausend im minus<<

Lesenswerter Link siehe unten

(Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2002/30/Leben/200230_titel_hedonisten.html)


schorsch antwortete am 19.07.02 (13:45):

Die Kalkulation einer Bank sieht etwa so aus:

- Möglichst viel der uns anvertrauten Gelder an Schuldner geben. Denn "tote" Gelder im Safe bringen keine Rendite;

- die Löhne unserer Mitarbeiter müssen bezahlt werden;

- unsere Infrastruktur muss amortisiert werden;

- das Risiko, dass von 1000 Krediten etwa 5 % nicht zurück kommen, muss eingerechnet werden,

- am Schluss muss für die obersten Chefs noch genug übrig bleiben, ihnen ein fürstliches Gehalt zu bezahlen und einen ebensolchen Abgang, falls wir ihn loswerden müssen.


mario antwortete am 28.08.02 (12:23):

Kredite lohnen sich für Leute die viel Geld haben, sich etwas kaufen wollen, ohne aber dabei ihr Kapital zu schmälern. Allen anderen rate ich: Hände weg von sowas.