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THEMA:   Suppenküchen und Armut in Deutschland

 23 Antwort(en).

Inge Rehbein begann die Diskussion am 11.05.02 (18:37) mit folgendem Beitrag:

Die Gütersloher Suppenküche in Gütersloh eröffnet nächste Woche. Kostenlose warme Mahlzeit für Bedürftige.
Mich interessiert Eure Meinung zu Armut in Deutschland.


utelo antwortete am 12.05.02 (10:56):

Gute Frage, viele Antworten.
Es gibt sicherlich auch in Deutschland Armut. Warum kann man nicht genau erklären, da wir ja hier für alle Fälle noch das Sozialamt in Anspruch nehmen können. Es werden auch Schlafstellen ausgewiesen für Obdachlose, die diese aber häufig nicht oder nur sehr ungerne annehmen.
Hier bei uns treffe ich häufiger einige alte Damen, die eine Minirente erhalten. Sie könnten zum Sozialamt gehen, tun es aber nicht, weil sie stolz sind. Also kaufen sie beim Metzger oder im Supermarkt nur scheibchenweise ein, Fleisch gibts nur einmal in der Woche -es erinnert mich sehr an die Nachkriegszeit, als aber ja fast alle nichts hatten und an die zeit nach meiner Scheidung, als ich mit 3 Kindern fast nichts zu essen hatte. Diese Damen teilen sich ihr Geld ein, sie haben rechnen gelernt und sagen nie, sie seien arm.

Es gibt hier auch viele Nichtstuer -solche die noch nie gearbeitet haben-, die nur rumjammern, wie arm sie sind und was der Staat noch alles für sie tun müßte. Sie sitzen im Sommer draußen auf der Wiese mit ihren Kindern und Frauen in Scharen, Bier- und Schnapsflaschen, Zigaretten usw.
Deren Frauen kaufen in den Supermärkten die teuersten Babywindeln, die teuersten Fertiggerichte, weil man ja nicht kochen kann, Schnaps und Bier en gros. Die haben einfach nicht gelernt, mit eigen verdientem Geld umzugehen, reiten sich selbst in die Schulden und sind dann arm. Sagt man in einem Gespräch -kommt schon mal an der Kassenschlange vor- sie sollen arbeiten oder wenigstens rechnen lernen, wird man als total doof hingestellt. Wie käme man denn dazu zu arbeiten, der Staat bezahlt doch, nur leider zu wenig und man habe ja Anspruch darauf..
Dann gibts hier -wie gesagt in der Großstadt- die vielen, vielen Junkies, Männlein wie Weiblein, jung und älter. Die müssen schnorren oder auf den Strich gehen, weil sie ja so arm sind. Arbeiten können sie nicht, weil sie da zu wenig verdienen würden und ja auch nicht den ganzen Tag malochen können, weil ja zwischendurch der nächste Schuß gesetzt werden muß. Auch die sind so arm, daß sie gar stehlen und Leute überfallen müssen, um an Geld zu kommen. Die klauen auch im Supermarkt und sind dann empört,wenn man sie zur Rede stellt. Sie sind ja so arm.
Und wenn sich Familien viel zu viele Kinder anschaffen, wo sie schon vorher wissen, daß sie nicht alle ordentlich großziehen können, sind auch die arm. Diese Leute haben keine Verantwortung gelernt, gelten aber als arm.
Es gibt sicherlich einige, die durch unglückliche Begebenheiten wirklich arm geworden sind. Nur diese sieht man kaum, weil sie nicht darüber lamentieren,
Suppenküchen sind sicherlich eine gute Einrichtung, wenn tatsächlich Menschen, hauptsächlich Kinder, dahin gehen und ihre Mahlzeiten bekommen. Viele Mütter solcher Kinder -wie schon gesagt viele der nicht arbeitenden Sozialhilfeempängerinnen, liegen den Tag über auf der Couch, rauchen und saufen, knutschen ihre Hunde und/oder Katzen. anstatt sich um die Kinder zu kümmern. Da tun mir die Kinder leid, die sind wirklich arm.
Wenn man hier in der Stadt diese sozialen Unterschiede Tag für Tag vor Augen hat, kann man schon mitreden und auch Vorschläge machen, Die aber werden als Besserwissen, Vorschriften machen usw, ausgelegt. Also hält man den Mund. Nur ich weiß aus eigener Erfahrung, daß wenn man wirklich arm ist, sich nicht öffentlich zur Schau stellt und im Stillen versucht, etwas an dem unguten Zustand zu ändern.


Johanna3 antwortete am 12.05.02 (11:32):

Hallo Utelo, welch ein negatives trauriges Szenario beschreibst Du da. In welcher Stadt bist Du zu Hause?
Sonntagsgrüße von Johanna3


hedwig antwortete am 12.05.02 (16:07):

Ein Sozialhilfeempfänger erhält kaum weniger als ein Arbeiter, der seine Familie durchbringt. Wenn dann irgendwelche Journalisten die ach so armen "Sozis" interviewen, dann stellt sich heraus, daß diese armen
Menschen ja nicht mal ins Kino können bzw. Essengehen...
Wer arm ist, darf sich vom Staat ernähren und Miete bezahlen und kleiden lassen.
Was will man denn noch für diese Leute.
Solch ein Journalismus dürfte nicht sein, der keinerlei Realität aufzeigt. Wie aber helfen sie den "Empfängern"
mit dieser unwahren Veröffentlichung von Armut, endlich mal Verantwortung zu übernehmen.
Immer mehr Kinder in Deutschland seien arm, heißt es auch oft. Ja, und aus genau den Gründen, dass die Erziehungsberechtigten Geld verplempern, keine Verantwortung tragen, denn sie kämen aus mit Staatlicher Hilfe. Ein Arbeiter/Angest. etc. arbeitet für Miete oder Haus, ein "Empfänger" darf Nebenkosten verschwenden, die Nachberechnung des Vermieters trägt eine solche "Mutter" hocherhobenen Hauptes zum Sozialamt, das dafür zuständig ist. So wird dann auch der Nachwuchs "erzogen".
Politik wird niedergeschrien, wenn sie es wagt, von Änderung zu künden.
Utelo hat nicht nur Recht, es ist überall so, nicht nur, wo sie/er wohnt.....


Heidi antwortete am 12.05.02 (16:28):

Ehe hier, bar jeder Realität, pauschal verurteilt wird, sollte man sich doch einmal kundig machen.



Bundessozialhilfegesetz (BSHG)

Das Bundessozialhilfegesetz regelt die Sozialhilfe. Grundsatz ist die Hilfe zur Selbsthilfe (§ 1 BSHG). Sozialhilfe erhält nicht, wer sich selbst helfen kann oder die notwendige Hilfe von anderen, zum Beispiel von unterhaltspflichtigen Angehörigen oder anderen Sozialleistungsträgern, erhalten kann (§ 2 BSHG). Die Sozialhilfe unterscheidet die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Hilfe in besonderen Lebenslagen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse werden bei der Sozialhilfe angerechnet (§§ 76-89 BSHG). Zuständig sind die örtlichen (Sozialamt) und überörtlichen Sozialhilfeträger (Landessozialamt, Landschaftsverband).

(Internet-Tipp: https://www.aaonline.dkf.de/bb/p155.htm)


Heidi antwortete am 12.05.02 (16:40):

Hier kann man die Regelsätze nachlesen:

https://www.pnp.de/magazin/geld/253.htm

(Internet-Tipp: https://www.pnp.de/magazin/geld/253.htm)


Heidi antwortete am 12.05.02 (16:55):

Wenn ich nicht so müde wäre, würde ich jetzt einmal vorrechnen, was die "faulen, saufenden, auf der Couch herumliegenden" Sozialhilfeempfänger monatlich zur Verfügung haben.

Aber vielleicht macht sich eine der oben schreibenden Damen einmal die Mühe.


DorisW antwortete am 12.05.02 (18:32):

Ich habe kürzlich auf der Seite von "Slow Food" gelesen:
"Der bundesdeutsche Sozialhilfesatz sieht für einen alleinstehenden Menschen 8,71 DM pro Tag für die Ernährung vor." Das mag nicht der aktuelle Satz sein (ich habe Heidis Tipp nicht weiterverfolgt), ist aber doch ein Anhaltspunkt. Der Artikel, der untersuchte, ob man sich damit anständig (also auch gesund und ausgewogen) ernähren könnte, schloß mit dem Fazit:
"Auf Sozialhilfeniveau essen und trinken bedeutet praktisch den völligen Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben. Kneipe, Kino, Essen mit Freunden, Konzerte und sommerliche Grillabende sind alles Dinge, die man sich mit 530,00 DM im Monate nicht leisten kann."
Diese Worte gingen mir durch den Kopf, als ich abends vor meinem gedeckten Tisch saß. Ich möchte jedenfalls nicht von Sozialhilfe leben müssen, und wer unverschuldet, z.B. als sitzengelassene Mutter oder schwer erkrankter Arbeitnehmer, in die Sozialhilfeabhängigkeit (die ich mit Armut gleichsetze) gerät, hat auf jeden Fall mein Mitleid!

(Internet-Tipp: https://www.slowfood.de)


Ursula J. antwortete am 12.05.02 (18:53):

Hallo Hedwig,

ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass "...eine solche "Mutter" hocherhobenen Hauptes zum Sozialamt" geht. Musstest du schon mal zum Sozialamt gehen und um Unterstützung bitten?
Kann ich mir nicht vorstellen, dann würdest du anders darüber denken.


utelo antwortete am 12.05.02 (22:21):

An Johanna: Wir leben in Köln. Es sind natürlich nicht alle so, aber doch recht viele und es werden immer mehr.
An Hedwig: Du hast so Recht. Diese Leute haben zum Teil -muß ich immer wieder dazu sagen- nie für ihr Geld gearbeitet. Sie haben keine Achtung vor dem Eigentum anderer, Wohnungen werden versaut. Sie brauchen ja nicht dafür zu arbeiten und diese wieder in Stand zu setzen. Das macht der dämliche Vermieter. Und wenn die Möbel im Suff zerschlagen werden, bekommt man vom Sozialamt ja neue. Auch hier weiß ich wovon ich spreche. Wir hatten eben solche im Haus und ich sage nur, nie mehr.
An Doris: Die Sozialhilfeempfänger können aus Geldmangel nicht am kulturellen Leben teilnehmen, nicht ins Kino gehen usw. Die arbeitende Bevölkerung kann es teilweise auch nicht, weil sie einfach zu müde dazu sind oder aber zu wenig verdienen. Wenn einer knapp über dem Sozialhilfesatz verdient, muß der seine Miete, Möbel und Strom usw. selbst bezahlen. Und wenn man den ganzen Tag Zeit hat, kann man auch richtig hinschauen beim einkaufen und auch richtig kochen und kein Fertiggericht oder Mc Donald. Wie gesagt, alles gilt nicht für alle. Es gibt viele Fälle, die Stütze bekommen, weil sie es echt brauchen. Diese haben aber irgendwann einmal gearbeitet und wissen zu schätzen, daß der Staat sie unterstützt und gehen mit ihrem oder anderer Eigentum sorgfältig um.
Ich bin kein Kapitalist und habe immer für mein Geld gearbeitet mit 3 Kindern. Und es gab wenig Geld, aber ich hatte gelernt einzuteilen. Und ich kann stolz auf das sein, was ich heute habe, weil ich schwer dafür gearbeitet habe. Und was meine Kinder haben, ist auch erarbeitet, weil ich es ihnen vorgelebt habe.


Barbara antwortete am 13.05.02 (00:09):

Mich würde interessieren, ob die neueröffnete Suppenküche staatlich oder privat finanziert wird. Was ich beobachte ist, dass sozial engagierte Mitmenschen lobenswerte Initiativen gründen, Suppenküchen einrichten, Restware von Lebensmittelhändlern für Bedürftige einsammeln und verteilen, Ärztedienste für Obdachlose organisieren, u.v.m. Auf der anderen Seite zieht sich der Staat immer mehr aus seiner Verantwortung zurück. Die "barmherzigen" Helfer nehmen ihm durch die von ihnen geleistete Arbeit den Druck, die Missstände abzustellen.

In Hamburg wurde 1995 das Hamburger Spendenparlament gegründet. Jedes Mitglied zahlt DM 10,00 pro Monat und kann demokratisch mitbestimmen, für welche Projekte das Geld bereitgestellt wird. Die Projekte sind allesamt ungeheuer wichtig und förderungswürdig, eigentlich gehören sie jedoch zum Aufgabengebiet eines Sozialstaates.

In Hamburg ist zu beobachten, dass die Behörden angeblich kein Geld mehr für etliche soziale Einrichtungen aufbringen können, auf der anderen Seite wird das x-te Nobel-Einkaufszentrum in Top-Lage für die Wohlbetuchten gebaut, von denen es augenscheinlich immer mehr gibt.

Diese Beobachtung hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich frage mich, ob es wirklich sinnvoll ist, wohlgemeinte private Fördereinrichtungen zu unterstützen.

Barbara


Bernd-Christian antwortete am 13.05.02 (05:05):

Danke Barbara, dass du wieder zum eigentlichen Thema zurückkehrst: SUPPENKÜCHEN!

Die Einrichtungen von Suppenküchen in einer Gesellschaft sind das Eingeständnis von real existierender Armut an sich und ein Indiz für das Versagen des "Sozialstaates".

Somit erübrigt es sich eigentlich, über den Missbrauch von Sozialhilfe-Empfängern an Sozialleistungen diskutieren zu wollen, obwohl Utelo zu Recht kritisiert, dass gewisse Sozialhilfe-Empfänger das System ausnutzen und dem eigentlichen Gedanken der sozialen Unterstützung entgegenstehen. Aber das sind doch nicht die wirklich
"Armen" in unserer Gesellschaft! Und die gehen auch nicht in eine Suppenküche, sondern tatsächlich mit ihrer "Stütze" zu MacDonnalds.

Wirklich arme Menschen, und nicht nur im materiellen Sinne, habe ich tatsächlich kennengelernt, nämlich genau dort, in den Suppenküchen:

- Obdachlose, ohne Wohnsitz, und damit ohne Anrecht auf Sozialhilfe, die nicht mehr in der Lage waren, die Energie aufzubringen, um ihr Leben selbst zu bestimmen und zu ordnen.

- Alkohol- und Drogenkranke, die nicht mehr in der Lage waren, sich selbst irgendwo eine warme Mahlzeit zu bereiten.

- Obdachlose, Alkohol- und Drogenkranke, die froh und dankbar waren, an gewissen Tagen für zwei bis drei Stunden sich in einem warmen Raum mit anderen Menschen befinden zu dürfen.

- Alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern, am Monatsende, finanziell abgebrannt, dankbar für für eine gute Mahlzeit für sich und ihre Kinder.

- Auch Witwer mit einer Minimal-Rente, nicht fähig, sich zu Hause etwas selbst zu kochen und dankbar für ein bischen Kontakt zu anderen Menschen.

- Aber auch viele Andere mehr, die tatsächlich am Rande unserer Gesellschaft stehen!

Armenküchen stillen nicht nur den Hunger im Magen, sondern auch den Hunger im Kopf: den Hunger nach ein paar zwischenmenschlichen Kontakten, nach Gesprächen und Berührungen, nach Zuwendungen und Anerkennung.

Die Arbeit der caritativen Organisationen kann nicht hoch genug bewertet werden. Wir sollten uns alle in unseren Gemeinden bemühen, diese Arbeit zu unterstützen, sei es durch Spenden oder sogar durch eigene, persönlich Mithilfe.

Jesus Christus sagte: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Himmelreich eingehe".

Nun ja! Durch ein Nadelöhr zu gehen, möchte ich keinem zumuten. Aber ein wenig mehr von unserem Reichtum abzugeben, das wär doch ganz einfach!

Obwohl, eine Garantie für das Himmelreich wäre das immer noch nicht. Aber ich darf Ihnen versichern, das wäre jetzt schon auf Erden ein richtig gutes Gefühl!

Bernd-Christian








WANDA antwortete am 13.05.02 (08:39):

Die Armut in Deutschland ist nicht eine materielle. Ich weiss aus Erfahrung, dass die Männer, und meistens sind es eben Männer, dankbar sind, wenn man ihnen zuhört, sie für voll nimmt, sie als Persönlichkeit wahrnimmt und ihnen Aufmerksamkeit entgegen bringt. Das ist für manche mehr wert, als der Teller Suppe.


schorsch antwortete am 13.05.02 (10:46):

Wenn doch die Arbeitslosen und Obdachlosen es so fürstlich haben, warum reissen sich denn noch so viele davon um unterbezahlte (weil keine anderen vorandenen) Jobs? Jeder und Jede, die in gesichterten Verhältnissen leben, sollte doch dankbar sein, nicht in den "Genuss" von Arbeitslosigkeit und Armengenössigkeit zu kommen.
Und noch ein Wort zu den "herumlungernden Säufern": Alkohol und Besäufnis ist für Tausende die letzte Möglichkeit, das Leben überhaupt noch ertragen zu können - indem sie sich in einen Dauerzustand versetzen, der sie das Missliche ihrer Lage nicht mehr realisieren lässt.

Schorsch


hedwig antwortete am 13.05.02 (13:57):

UrsulaJ,
du brauchst nur Utelos s Beitrag zu lesen, nicht nur meinen, der sagt schon sehr viel aus.

Heidi,
Seit Jahren hole ich mir alles, was ich genau wissen möchte, in der Bibliothek aus den Bundesgesetzbüchern.
Es ändert nichts daran, dass die beschriebenen Tatsachen keine Einzelfälle sind.

UTELO, das sind gute Worte: du hast es deinen Kindern vorgelebt. Danke für deine Beiträge, Gruß!


Barbara antwortete am 13.05.02 (17:57):

Bernd-Christian hat aufgezählt, wer alles zu dem Kreis gehört, der auf Hilfe angewiesen ist. Wie sollte unsere Gesellschaft denn mit Menschen umgehen, die einfach nicht in der Lage sind, selbstständig zu leben und für sich zu sorgen?

Mir ist nur bekannt, dass z.Zt. in vielen Orten Nähstuben für allein erziehende Mütter und andere Begegnungsstätten an sozialen Brennpunkten geschlossen werden, weil der Staat angeblich kein Geld hat. Die Folgekosten kommen Jahre später auf uns zu.

Barbara


utelo antwortete am 13.05.02 (19:13):

Nähstuben und Begegnungstätten z.B. für allein erziehende Mütter einzurichten, ist sicherlich eine gute Sache. Dort können die Frauen lernen, etwas zu tun und vielleicht bekommen sie auch Unterweisung im Haushalten und wie mit Geld umzugehen ist. Wenn dann noch einige der Frauen sich abwechselnd um die Kinder kümmern, wäre das doch schon eine sinnvolle Tätigkeit, auf der sich einiges Positive aufbauen läßt -wenn man denn nur will.
Solche positiven Einrichtung sollten vermehrt eröffnet werden und nicht geschlossen, Könnte es aber nicht sein -dies ist nur ein vorsichtiger Gedanke- daß in einigen Gegenden diese Begegnungsstätten nicht so angenommen werden, weil das ja auch wieder in eine Art Verpflichtung ausarten würde? Gleiches gilt für sinnvolle Jugendclubs, wo die Jugendlichen sich nataürlich ordentlich benehmen müssen, etwas selbst herstellen und in Ordnung halten. Wenn sie dann nur randalieren und sich verprügeln -ist auch nicht aus der Luft gegriffen- haben Betreuer keine Lust mehr und die sind schon sehr geduldig und die Orte werden geschlossen. Hinterher wird dann wieder auf die Stadt oder den Staat geschimpft.
Kinderarmut ist eine verdammte Sauerei und dürfte einfach nicht sein. Aber die Verantwortung dafür geht -in den meisten Fällen- an die Eltern, die dann wieder versagen. Es sollte bei vielen Leuten das Kindergeld an Kinderhorte gegeben werden, damit die Kinder regelmäßig essen und trinken und Betreuung haben. Dann heißt es aber auch wieder, man kann den Leuten nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben, aber wir anderen, die immer gearbeitet haben, müssen dann diese Scharten wieder auswetzen.
Das ist einfach ein unendliches Thema und man käme in 2 Jahren intensiver Diskussion zu keiner Einigung.


Bernd-Christian antwortete am 15.05.02 (03:57):

Aus euren Beiträgen entnehme ich, dass viele von euch glauben, das Problem der Armut sei selbstverschuldet und könnte durch Einflussnahme jedweder Art auf den armen Menschen an sich gelöst werden, sofern dieser bereit ist, unsere guten Ratschläge und unsere Hilfe anzunehmen, um dann wieder so zu werden, wie wir.
Dem ist leider nicht so.
Bedenkt, wieviel Mühe und Disziplin es euch gekostet hat, zu dem zu werden, was ihr jetzt seid.
Bedenkt, welches Glück euch zuteil wurde, in geordneten Verhältnissen aufwachsen zu dürfen.
Bedenkt, dass nicht alle Menschen von Geburt an priviligiert sind.

Und dann, wenn ihr richtig darüber nachgedacht habt, geht hin und dankt Gott für dieses euch geschenkte Glück.

Barbara stellte genau die richtige Frage:
Wie sollte unsere Gesellschaft denn mit Menschen umgehen, die einfach nicht in der Lage sind, selbstständig zu leben und für sich zu sorgen?

Ganz einfach: durch Nächstenliebe, Toleranz und persönliche Zuwendung, so wie es uns Jesus Christus gelehrt hat.


Ursula J. antwortete am 15.05.02 (07:48):

Bernd-Christian,
ich hätte es nicht so gut ausdrücken können, aber denken tu` ich genau so darüber.
Ich bin dankbar, dass nicht von Sozialhilfe leben muss und würde, denen die es müssen nicht noch dafür die Schuld geben.
Niemand kennt die Gründe, außer die Betroffenen selbst.


isolde antwortete am 15.05.02 (10:49):

Ich war eine alte, saufende, stinkende Sozialschmarotzerin, die ihren 50ten Geburtstag fast auf den Bahnschienen feierte. Diese Zeilen, für diejenigen, die so überheblich über sozialschwache Menschen schreiben.

Zum Fakt: Wenn die DM 530,-- noch zum Leben übrig bliebe, dann wäre es ein wenig leichter. Doch von diesem Geld muss man noch den Strom, die Fahrkarte (DM 40,--) und Telefon bezahlen.

Nein, mit dem Geld kommt man nicht aus.

Zur Information: Ich habe 35 Jahre gearbeitet. Zuletzt 4 Jahre als Honorarkraft. Habe ca. 30.000,-- gespart gehabt und wollte mir im Spreewald meinen Traum vom Wohnen und Arbeiten (wieder als festangestellte Finanzmanagerin in einem 4 Sternehotel). Ich habe die Rechnung ohne den Wirt gemacht, soll heissen, ein Arschloch als Chef und ich habe meinem Traum nach 3 Monaten beendet.
Was allerdings an mir vorbei ging, war die zugespitze Arbeitsmarkt lage. Ich bekam keinen Job mehr, auch keinen kleinen. Ich lebte ein Jahr von meinen Ersparnissen, dann war das Geld alle und immer noch keinen Job.
Da ich weder Verwandte, noch sonst jemanden hatte, der mich finanziell unterstützen hätte können, musste ich zum Sozialamt.
Es war das Grauen. Ich durfte behördliche Willkür auf´s Feinste erleben. Nichts nutze, weder Kontakte von Vorgesetzen dieser Behörde, noch Rechtsbeistand dieser Behörde und auch nicht Schreiben an die Senatorin (PDS) für Soziales.
Ich war psychisch fertig. Mir halfen 3 Ärztinnen. Meine Hausärztin, die Ärztin meiner Krankenkasse und die Amtsärztin vom Sozialamt. Alle 3 schrieben mich auf längere Zeit krank.
Trotzdem ich in diesem desulaten Zustand war, sollte nach 4 Monaten Sozialamt meine zu grosse und zu teuere Wohnung aufgeben.
(Ich habe einen Mann kennengelernt, der im Nachbarbezirk seit 6 Jahren eine zu grosse und noch teuere Wohnung vom Sozialamt bezahlt bekam)
Nun, zu guter Letzt zahlte das Sozialamt nur die Miete von DM 560,--, so dass ich dann Mietschulden hatte.
Trotz meines Zustandes schaute ich weiterhin nach Arbeit und nach einer anderen Wohnung.
Endlich hatte ich nach 9 Monate Arbeit gefunden. Der Arbeitgeber wollte jedoch die Fördermittel in Anspruch nehmen. Ich lies mich auf eigenen Wunsch von meiner Hausärztin gesundschreiben und ging frohen Mutes zum Sozialamt. Dort sagte man mir dann, dass das Sozialamt durch ihre Amtsärzte erst einmal feststellen lassen müsse, ob ich überhaupt gesund wäre.
Nun, da sprang mir doch der Drath aus der Mütze.
Ohne einen Pfennig verlies ich diesen Laden.
Ich hatte ausserdem auch eine neue Wohnung gefunden, doch die hätte das Sozialamt auch nicht bezahlt. Nein, nein, die Miete war korrekt (DM 560,--) nur die Quadratmeter waren zuviel.

Ergo, es ist nicht nur das wenige Geld, es ist die Willkür, die mir zu schaffen gemacht hat.

Im übrigen, den Job bekam ich nicht. Dafür aber zur gleichen Zeit mit dem Wohnungswechsel einen Verkäuferjob in einem Copy-Laden. Auch mit Fördermittel allerdings vom Arbeitsamt aus. Als das Jahr der Förderung vorbei war, war ich auch meinen Job los. Dafür bekam ich jetzt aber wieder Arbeitslosengeld DM 1200,--. Das war weniger als ich vom Sozialamt bekommen hätte. Den mir zustehenden Rest habe ich mir nicht vom Sozialamt geholt, sondern habe nebenbei gejobt.

Wenn man in diesen Kreisen ist, bekommt man auch von anderen Sozialhilfeempfänger Stories zu hören, die darauf schliessen lassen, dass ich kein Ausnahmefall war.

Gut, ich gebe zu, als ich noch im Futter stand, konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass das so abgeht beim Sozialamt.

Doch wie ist das Motto? Alles, was mich nicht umbringt, macht mich stark! ;- )

isolde


Bernd-Christian antwortete am 17.05.02 (00:15):

Liebe isolde,
recht herzlichen Dank für deinen Beitrag, der hoffentlich auch anderen ST-Teilnehmern die Augen öffnet.
Du beschreibst nahezu klassisch, wie es Menschen ergehen kann, die arbeiten wollen, aber nach nach 35 Jahren Arbeitsleben keine Anstellung mehr finden.
Dir ist es ergangen, wie vielen hochqualifizierten Arbeitskräften, die das fünfzigste Lebensjahr überschritten haben. Besonders in deinem Job, der mit Publikumsverkehr zu tun hat.
In den Augen der Arbeitgeber warst du trotz deiner Erfahrungen zu alt. In einer falschen Welt, die nur noch auf die Jugend setzt, bist du durch das Raster der Vorzeigbaren gefallen.
Deine Hoffnung, nach 35 Jahren Beitragszahlung in die Sozialversicherung von der Gesellschaft unterstützt zu werden, hat sich leider als trügerisch erwiesen.
Auch an Hand deiner Erfahrungen zeigt sich leider wieder, dass Arbeits- und Sozialämter in unserer Gesellschaft nicht wirklich helfen, sondern lediglich den Notstand verwalten.
Und das nur nach Vorschriften, die den Verwaltungsbeamten eine zügige Abarbeitung ermöglichen, ohne jedoch den betroffenen Bürgern eine wirkliche Hilfestellung geben zu wollen.
Trotz vielfältiger Lippenbekenntnisse der verantwortlichen Politiker hat sich an dem Selbstverständnis unserer Ämter immer noch nichts getan.
Anstatt den Notstand wie bisher leider nur zu verwalten, wäre ein bürgernahes Dienstleistungs-Unternehmen erforderlich.
Es freut mich, dass du trotz dieser negativen Erfahrungen den Mut behalten hast. Man darf sich nicht unterkriegen lassen!
Bernd-Christian


leona antwortete am 18.05.02 (22:57):

Da habe ich doch neulich einen Bericht über völlig verschuldete Familien gesehen, denen jetzt von einem Anwalt geholfen wird, nachdem die Schuldnerberatung nicht mehr konnte.

Da habe ich mir die Frage gestellt, wie es soweit kommen kann, dass ein Schuldenberg von mehr als 40-50.000 Euro anwachsen kann. Die Frau zeigte ihre Kleiderkammer mit der Bemerkung: allein hier sind 20.000 Euros begraben. Die Kinder hatten alles vom Feinsten: Fernseher, Videorecorder, PC, Markenklamotten und natürlich hatten alle ein Handy.

Zunächst hatten die Banken mitgespielt, dann die Versandhäuser und die Telecom, niemand ist auf die Idee gekommen einmal irgendwo den Geldfluss abzudrehen.

Nun steht für 7 Jahren ein Minimum zur Verfügung und alles nur, weil die Eltern sich einem förmlichen Kaufrausch hingegeben haben. Ist das der Start für den Gang in die Suppenküche?


utelo antwortete am 19.05.02 (18:37):

An leona,
genau das ist zu oft der springende Punkt. Nicht gelernt zu haben und nicht lernen wollen, einzuteilen. Immer alles sofort und besser als die anderen haben wollen. Bezahlen, nein, kaufen wir auf Raten. Die Kids kriegen nur das Beste, Markenklamotten. Die wissen nicht, daß man eigentelich dafür arbeiten muß. So und dann steht der Gerichtsvollzieher nach vielen Mahnungen, die imPapierkorb landen, vor der Tür. Es wird gepfändert, das Geschrei ist groß. Dann muß der Staat dran mit bezahlen. Wenn sie dann in solche Suppenküchen gehen, sind sie ja zu dem Zeitpunkt arm, wie soviele, aber nicht unverschuldet.
Wenn diese Leute dann endlich lernen mit Geld umzugehen und diese 7 Jahre gut durchstehen, haben sie eine Schule fürs Leben durchgemacht und werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr so unbedraft mit Geld umgehen.
Suppenküchen oder ähnliche Einrichtungen sind sicherlich gut für etliche Leute -wie schon gesagt ältere Männer, die ja nie kochen gelernt haben, oder eben Kinder, deren Mütter und Väter nicht mit Geld umgehen können. Und wenn dort auch noch Kommunikation bei rauskommt, ist das sicherlich positiv. Jedoch sollten sie nicht zur Regel werden für sogenannte "Arme", die aus eigenem Verschulden dort hin gekommen sind und nichts dagegen tun.
Ich schreibe diese Meinung nicht aus Hochnäsigkeit sondern aus Erfahrung.


KlausKlaus antwortete am 19.05.02 (19:51):

Hallo,
es stellt sich wiedereinmal die Frage, wie weit die Gesellschaft ( der Staat ) den Einzelnen vor sich selbst
zu schützen hat ( schützen soll oder gar muß ). Ich weiß es auch nicht, wie es zu machen ist, aber den
Geschäftsleuten und Banken aufzuerlegen, den Einzelnen hinsichtlich seiner ( Kredit-/Kauf- ) Enscheidungen
zu bevormunden halte ich nicht mit der Menschenwürde vereinbar.

Soll die Zahl der Führerscheine vermehrt werden? HUNDE ( gibt es teilweise schon ), KÄFIGVÖGEL,
KINDERERZIEHUNG, PARTNERSCHAFT ( Eheführerschein ), GELDUMGANG ( je nach Verhalten
steigt die Kreditlinie ) und manches mehr - wäre doch denkbar, wo man einen Angelschein, einen
Segelschein, einen Drachenfliegerschein, einen Motorsportmodellflugschein, einen Brennholzsammel-
schein, einen Jagdschein, einen Bettelschein und so weiter, und so fort, in Deutschland braucht.

Gruß Klaus