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THEMA:   Starke Frauen

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Emil Wachkopp begann die Diskussion am 01.05.02 (02:08) mit folgendem Beitrag:

Ganz in Gegensatz to mi, Emil Heinrich Wachkopp, war mein Grossvater, was der Robert war, ehrer ein etwas ungewöhnlicher Mann. Manchmal frag ik mi sogor, ob de jemals alle Tassen in Schrank hatte. Aber so darf man denn auch wieder nich denken, weil man sich denn alles viel zu leicht macht. Ich mein das so: Manche machen das so, dass alles was sie nich begreifen, dass nennen sie bekloppt, um ihre Unwissenheit und ihren Mangel an Empathie dahinter zu verbergen. So will Emil das aber gornich hebben. Darum sagt ich nur, dass mein Opa klein büschen ungewöhnlich war. Er war nämlich Seeräuber. Ob dat stimmt? Das könnte stimmen, denn meine Grossmutter, was die Anna war, hat mal zu mir gesagt: „Emil, sie froh, dat du keen Mäken büst. Een Jung is ümmer goot versorgt.“ Das war nämlich so, dass meine Oma, die is im hohen Alter noch Geschäftsfrau geworden. Sie hat selbst ausgedachte Horoskope verschachert, damit‘n büschen Geld ins Haus kommt und damit das Alter gesichert ist. „Dein Opa, der Taugenix, der macht doch nie keine Beute nich, ausser seine Weiber in den Häfen. Und wenn der mal so alt und tatterich wird, dat em de Säbel aus die Hände glitscht, denn schicken sie ihn in Rente und denn kriggt de gor keen Rente nich.“ Ob dat stimmt? Das könnte stimmen, denn mein Opa hat mir mal im Suff ganz im Vertrauen gesagt: „Emil, ganz unter uns Männer gesprochen: werd kein Seeräuber. Die Branche hat keine Zukunft. Kein fester Urlaub und eine ordentliche Sozialversicherung hast auch nich. Betrügereien Emil, das ist die Zukunft.“
Eigentlich hat Oma ganz umsonst geschuftet, weil sie noch lange vor Opa gestorben ist. „Weisst wat dat Schlimmste is Emil? Wenn de Taugenix mi överleevt un ook noch beerbt. Nee Emil, mein Geld erbst du und kein anderer.“ „Geld is bi mi gut aufgehoben Oma.“ „Dat weet ik Emil, du sleist na die Vadder, den olen Knicker. Der lässt sich für‘n Groschen doothaun.“


Emil Wachkopp antwortete am 01.05.02 (02:13):

Paar Jahre später wurde denn Opa zwar nich tatterich, aber so kurzsichtig, dass er bei jedes Gefecht op alles losgedroschen hat: Freund und Feind. Deshalb ist er wegen die Unfallgefahr kurzfristig entlassen worden. Aber er hat, wie he dat ausgedrückt hat, eine schöne Abschiedsfeier bekommen: „‘Aloa-he‘ hebbt se sungen, dreistimmig, und ‚Junge komm bald wieder‘. Mi sünd de Tränen gekommen Emil.“ Und auch ein schönes Abschiedsgeschenk hat er bekommen: Eine Frau. Ja, das war damals Sitte unter Seeräubern. Ich hab die Frau später selbst kennengelernt: Eine hübsche, grosse und starke dunkelhäutige Frau: Tabata hiess sie. „Emil“, hat Opa bei die Ankunft gesagt, „dat is dien neue Oma. Echte Kanibalin!“ Ich war gerad 10 Jahre alt. Als Opa und ich allein waren, hab ich ihn gefragt: „Opa, büst denn nich bang, dat se di in de Pann haut, wenn mal kein Fleisch in Kühlschrank ist?“ „Emil, in Vertrauen gesagt: Nein. Ich bin zu dürre. Tabata hat mal zu mit gesagt: ‚Dürre Männer schmecken nach Leder. Nach Leder, pfui Deibel.‘ So is dat, Emil. An mi hett si gor keen Geschmack nich.“ Opa hat immer Diät gehalten, um auf Nummer Sicher zu gehen. Ich selber bin denn so‘n beten Tabatas Augenstern geworden. Obwohl, zuerst hätt ik mi fast in de Büx maakt. „Emil“, hat Tabata einmal zu mir gesagt, „dich mag ich.“ „Opaaaaaaaaaa!!!!!!“ „Nein Emil, nicht falsch verstehen. Ich dich mag als Freund, nicht als Braten.“ „Ich schmeck nach Leder!“ „Ja Emil, du auch dürres Gerippe. Schwache Männer Tabatas Freunde. Starke Männer Tabatas Nahrung.“
Eigentlich tat Tabata mir etwas leid. Sie war zu wild und zu frei für unsre zahme Zivilisation. Und in die komische Ehe mit mien alten Opa hat sich dasselbe Dilemma ook noch einmal in komprimierter Form reproduziert. Ich wollt seggen: Mein Opa war nur Begrenzung für sie. Aber manchmal muss man nur warten können, denn kommt eine Gelegenheit und alles wird wieder gut. Mein Opa is senil geworden und hat am Schluss bloss noch rumgetüdelt. Ich war sein Sohn, Tabata seine Mutter, seine Tochter seine Schwester, sein Sohn sein Neffe u.s.w. „Emil, erst ich Beute, denn Frau, denn Mutter. Weisser Mann bekloppt.“ „Nee Tabata, weisser Mann Ödipuskomplex. Davon verstehst du nichts.“ Ich bin denn zu Opa gegangen und heff to em seggt: „Opa, nu büst alt genug, um dich vun dien Mudder zu trennen und auf eigne Fööt to stahn.“ „Ja wie alt bün ik denn?“ „Sechsundachtzig.“ „Kiek an, so alt schon. Ja denn mutt ik wull maal vun to Huus wegtrecken. Denn pack man schon mal den Koffer, mein Sohn.“ „Nee Opa, so macht man das heut nicht mehr. Heut bleiben die Kinder zu Hause wohnen und schmeissen die Eltern raus.“ „Kiek een sik dat an, ja das is ja praktisch.“ Aber aus dem Abschied von Tabata musste Opa wieder eine Zeremonie machen. Er hat Heintjes alte Platte „Mama“ aufgelegt und Strömen zu den Geplärre geheult. „Weisser Mann bekloppt, Emil.“ „Nein Tabata, weisser Mann Ödipus. Dorvun versteihst du nix.“ Die Fahrkarte hat Tabata sich von mein Erbe gekauft. Aus Dankbarkeit hett si mi ehr Keule vermacht: „Immer schön einfetten, Emil, sonst Keule sich spalten bein Zuhaun.“