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THEMA:   Wasserstofftechnik, nur Energiespeicher?

 15 Antwort(en).

radefeld begann die Diskussion am 18.02.04 (07:06) mit folgendem Beitrag:

Derzeit wird in den Medieen viel von der kommenden Wasserstoff-Technik, gar von einem "Wasserstoff-Zeitalter" gesprochen. Sehe ich das richtig, wenn ich die ganze sog. "Revolution auf dem Energiesektor" lediglich als eine mögliche Art der Energiespeicherung sehe? M.E. gibt es doch praktisch keine großtechnisch verwertbaren Wasserstoffquellen. Und über den Wirkungsgrad dieser Art der Energiespeicherung im Verhältnis zu anderen Möglichkeiten schweigt man meist (lieber).


schorsch antwortete am 18.02.04 (09:25):

Vielleicht war ja der Umstand, dass Marsbewohner vor Jahrmillionen das Wasser als Energiespender anzapften, der Untergang des Lebens auf dem Mars?


Roalf antwortete am 18.02.04 (12:02):

@radefeld seufz...du scheinst etwas gründlich Falsch verstanden zu haben. Da die Sprache in solchen Diskussionen soviele Unschärfen hat, will etwas für Klarheit sorgen:


Das Wort "Energieerzeugung" ist nonsens. Schon 7klässlern wird der Energieerhaltungssatz beigebracht. Und der sagt: Energie kann niemals "erzeugt", sondern nur umgewandelt werden. Andernfalls wäre das Perpetuum Mobile möglich.

Aber es gibt Energieformen die leicht in andere umwandelbar sind und welche die sehr schwer umwandelbar sind. So kann z.b. die elektr. Energie leicht in Wärme, Bewegung u.ä. umgewandelt werden. Das macht sie so bequem. Aber die kommt eben auch nicht aus der Steckdose...sondern muss zuvor erst aus einer anderen Energie (z.b. fossile Brennernergie oder Atomkraft) in diese gewandelt werden. Und dabei sind erhebliche Verluste einkaluliert. Ich kann mich an einen Lehrer erinnern der meinem Jüngsten mal erzählt hat, das ein Tauchsieder das ideale Gerät sei um Wasser zu erwärmen. Denn schließlich hat dieser einen Wirkungsgrad von 99% (?!) (Hab ich schon mal erzählt, dass ich das Gros der Lehrer für strunzdumm halte?). Schaut man sich den ganzen Energielauf an, sieht es nämlich ganz anders aus. Beispiel Kohle: zuerst muss in Kohlekraftwerk die fossile Energie in Strom umgewandelt werden (Wirkungsgrad eines modernen Kohlekraftwerkes = 40-45%) der rest verpufft an Wärme in Flüssen und in der Luft. Dann wird die elektrische Energie in Trafostationen in transportierbare Hochspannung umgewandelt (erheblicher Verlust)...nun überland (Strommasten sind eigendlich gigantische Heizkörper)...um zum schluß in 220V zurücktransformiert zu werden (mit Verlust)...dann durch die Hausleitungen (mit Verlust)...zum Tauchsieder. Geht mal von einem Stück Kohle aus...sind von deren Energie dann schlußendlich weniger als 2% (!!) im Wasser auf der Kochstellen als Wärmeenergie angekommen. Kleiner Hinweis: bei der beliebten Cerankochstelle sind es noch weniger!

Aber die elektrische Energieform hat noch einen weiteren massiven Nachteil: sie lässt sich im größeren Umfang nicht verlustfrei speichern. Um Spitzen anzufedern hilft sich die Elektrizitäswirtschaft mit sogenannten Speicherkraftwerken (wieder so ein nonsenswort). Wenn Energie "übrig" ist, wird einfach Wasser auf einen Berg in einen Speichersee gepumpt..und in Hochphasen wieder in Elektrizität umgewandet (womit aber...wenn wunderts...erhebliche Verlustwärme verbunden ist).


Wasserstoff hat aber als Energieträger diesen Nachteil nicht...er kann mit wenig Verlusten transportiert und "gelagert" werden. Er kann sogar unmittelbar in elektr. Energie umgewandelt werden (Stichwort: Brennstoffzellen).


Wolfgang antwortete am 18.02.04 (13:43):

Genau so ist es, Roalf... Es ist erstaunlich, dass immer noch mit der angeblichen Ueberlegenheit nicht-erneuerbarer Energiequellen mit Hilfe des Wirkungsgrades argumentiert wird. Heute lernen alle Ingenieur-StudentInnen bereits in den ersten Semestern, dass es neben dem Wirkungsgrad noch den entscheidenderen sogenannten Erntefaktor gibt...

Die derzeitigen solar betriebenen Umwandlungssysteme haben einen Wirkungsgrad von 10-20 Prozent, fossil oder atomar betriebene Umwandlungssysteme dagegen einen solchen von 30-40 Prozent (wohlgemerkt, das ist nur der Wirkungsgrad der Umwandlungsanlage, eines kleinen Teils des Gesamtsytems, und nicht etwa der gesamte Wirkungsgrad, der nur ein paar Prozent betraegt). Aber der niedrigere Wirkungsgrad der Umwandlungsanlage macht gar nichts... Im Gegensatz zu nicht-erneuerbaren Energien muss man bei erneuerbaren Energien gar nicht so sehr auf einen hohen Wirkungsgrad der Anlage aus sein, denn die Energie ist im Ueberfluss vorhanden und reicht praktisch unendlich lange.

Wer sich für die Diskussion interessiert um die angebliche Unwirtschaftlichkeit alternativer Umwandlungssysteme, dem sei dieser Link zum Institut für Elektrische Energietechnik an der TU-Berlin empfohlen:

Energetische Amortisation und Erntefaktoren regenerativer Energien (von VOLKER QUASCHNING)
https://emsolar.ee.tu-berlin.de/allgemein/enamort.html

Internet-Tipp: https://emsolar.ee.tu-berlin.de/allgemein/enamort.html


Wolfgang antwortete am 18.02.04 (13:54):

Noch ein Wort zur 'Grosstechnik', Manfred... Anlagen zur Energieumwandlung erneuerbarer Energien zeichnen sich gerade dadurch aus, dass es - im Gegensatz zur fossil-atomar betriebenen Anlagen - relativ kleine Anlagen sind. Diese relativ kleinen Anlagen wandeln die Energie in fuer uns nutzbringende Formen dort um, wo sie gerade gebraucht wird. Eine dezentral organisierte Energiewirtschaft entsteht. Das Grauen schlechthin fuer die wenigen EigentuemerInnen der Grosskonzerne, die von der bisherigen zentralen Struktur profitiert haben. Ein Segen aber fuer alle Menschen. :-)


radefeld antwortete am 19.02.04 (06:14):

Entschuldigt bitte die ungenaue Ausdrucksweise, Ihr Schulmeister Roalf und Wolfgang! Aber nicht die Energieumwandlung -ist's so recht?- sondern die Energiespeicherung war gefragt. "Thema verfehlt" wurde das in der Schule genannt.
Und da habe ich echte Zweifel, ob die derzeit so hochgelobte Wasserstofftechnik tatsächlich der Stein der Weisen ist. Man denke nur an die enorme Masse, die infolge der schweren Hochdruckbehälter zu transportieren wäre. Dazu kommt noch die Masse der Brennstoffzellen-Anlage. Leitungen bis zum Fahrzeug, und um dessen Antrieb geht es doch hier primär, könnte ich mir kaum vorstellen. Ich wollte auch nicht wissen, mit welchen Verlusten die einzelnen Enbergieumwandlungssysteme behaftet sind, sondern wie sich die Verluste bei den Speicherprozessen darstellen.
Und wegen der Dezentralisierung der Energieumwandlung, die Du, Wolfgang befürwortest: Ich sehe das schon auch so ähnlich. Aber unter Großtechnisch verstand ich nicht RIESENKRAFTWERKE, sondern Kraftwerke überhaupt, die mehr als den Bedarf EINES Haushaltes an Elektroenergie bereitstellen. Und die wird man wohl noch eine Weile brauchen. Womit will man sonst z.B. öffentliche Verkehrsmittel elektrisch betreiben oder überhaupt produzieren? Es kann nicht alles in der kleinen Handwerker-Meisterei hergestellt werden.


Wolfgang antwortete am 19.02.04 (06:43):

Eine interessante Diskussion fuehrten JEREMY RIFKIN und HERMANN SCHEER auf der Website von DaimlerChrysler. Thema: "Wasserstoff - Revolution oder Illusion?".

Bestimmt wird man nicht alleine auf das Medium 'Wasserstoff' setzen, sondern auf einen sinnvollen Energie-Mix. Aber eines ist sicher:

"Erneuerbare Energiequellen bieten wegen ihrer dezentralen Struktur immer mehr Moeglichkeiten an, diese Kosten [gemeint sind die im Vergleich zu den anderen Kosten enorm hohen Bereitstellungskosten innerhalb der fossilen-atomaren Energiewirtschaft mit zentralen Strukturen, W. M.] zu vermeiden. Die Favoriten unter den erneuerbaren Energiequellen sind diejenigen, die den einzigartigen Vorteil bieten, sowohl Brennstoffkosten als auch Infrastrukturkosten zu vermeiden - durch kurze Energieketten und Lieferung auf Abruf."

Quelle des Zitats... HERMANN SCHEER, in: 'Wasserstoff - Revolution oder Illusion?', DaimlerChrysler.de


BarbaraH antwortete am 19.02.04 (10:43):

Ich habe fachlich keine Ahnung... aber vielleicht hilft ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung weiter: Ein Ingenieur aus Minnesota/USA hat einen Katalysator erfunden, mit dessen Hilfe sehr effektiv aus Alkohol Wasserstoff gewonnen werden kann:

>>Denn der Hilfsstoff erzeugt nicht nur Wasserstoff sehr effektiv aus Alkohol, sondern er ist auch in einer kleinen Verpackung effektiv: Samt Brennstoffzelle passt ein kompletter Alkohol-Umwandler mit einem Kilowatt elektrischer Leistung in eine Hand, meint Lanny Schmidt. Mit ihm könnte man einen kompletten Haushalt versorgen. Koppelt man einige dieser mit dem Katalysator ausgestatteten Brennstoffzellen, sollte das Kraftpaket nicht größer als ein herkömmlicher Automotor sein und auch dessen Leistung bringen.

In den Tank füllt man dann Alkohol und erzeugt daraus den für die Brennstoffzelle benötigten Wasserstoff erst, wenn man ihn benötigt. Damit wäre das Transportproblem gelöst.<<

Süddeutsche Zeitung vom 13.02.04
Abkürzung in die Wasserstoffwelt
Erfindung beschleunigt die Umwandlung von Bio-Alkohol
von Roland Knauer
https://www.sueddeutsche.de/sz/wissenschaft/red-artikel1910/

Internet-Tipp: https://www.sueddeutsche.de/sz/wissenschaft/red-artikel1910/


Wolfgang antwortete am 19.02.04 (11:16):

Eine prima Erfindung. Das Problem: Rhodium - der verwendete Katalysator - ist selten und damit teuer. Trotzdem: Das Beispiel zeigt, dass es Loesungen gibt. Denn eines muss allen klar sein: Das fossile-atomare Energie-Zeitalter geht binnen einer Generation zu Ende. Gerade wird das Produktionsmaximum des Erdoels erreicht (s. Link). Folge: Aus billigem Erdoel wird teures Erdoel. Damit verbessern sich die Chancen fuer die Energieumwandlung per erneuerbare Energietraeger. :-)

Internet-Tipp: https://www.ecotrip.de/inhalt.html


mart antwortete am 19.02.04 (11:24):

Ethanol als Energieträger ist schon lange üblich, allerdings in seiner direkten Verwendung in Ottomotoren.

Die Folgen, daß landwirtschaftliche Gründe über den Zuckerrohranbau der Ernährung der Bevölkerung entzogen werden, lassen sich in Brasilien beobachten.

Damit möchte ich nicht gegen die Wasserstofftechnologie argumentieren, sie wird im kommenden Energiemix eine bedeutende Rolle spielen.


Wolfgang antwortete am 20.02.04 (10:08):

Freilich wird per erneuerbare Energien gewonnener Wasserstoff (H2) wichtiger (aber nicht alleiniger) Teil des Energie-Mix der solaren Energiewirtschaft sein. HERMANN SCHEER hat einen Artikel ueber das Thema in der Zeitung 'Solarzeitalter' (SZA) veroeffentlicht (s. Link):

SZA 03/2001
Solare Wasserstoffwirtschaft - nur ein Element einer kuenftigen Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien
Von HERMANN SCHEER
https://www.hermann-scheer.de/artikel.php?type=sza&action=show&uid=26

Internet-Tipp: https://www.hermann-scheer.de/artikel.php?type=sza&action=show&uid=26


radefeld antwortete am 21.02.04 (06:06):

Bleibt es also dabei: NUR wenn Wasserstoff mithilfe erneuerbarer Energiequellen dargestellt wird, macht die ganze Sache überhaupt Sinn. Ob es aber DER Energiespeicher, vor allem für Elektroenergie ist, bleibt abzuwarten. Z.B.Akkumulatoren, herkömmliche mit einer Leistungsmasse von 10kg/Kwh sind natürlich zu schwer, aber vielleicht gibt es auch da positive Entwicklungen. Jedenfalls sind nicht so viele Umwandlungsprozesse nötig. Die Darstellung des H2 aus fossilen Energieträgern halte ich für ebenso verfehlt wie aus Nachwachsenden.(Z.B.Alkohol)Da bleibt immer die Frage: Wohin mit dem Rest? Bei Alkohol bleiben selbst bei vollständigem Entzug (wenn das überhaupt geht)des Wasserstoffes immer noch rund 31% reiner Kohlenstoff übrig. Kann man sich natürlich trösten: War ja, da gewachsen, schon vorher als CO2 in der Luft. Derzeit wird Wasserstoff übrigens großtechnisch noch überwiegend aus Erdöl hergestellt!


mart antwortete am 21.02.04 (07:36):

Eher aus Erdgasbestandteilen, da einfacher.Wenn Erdöl, muß man wesentlich mehr Reinigungs- und Umwandlungsschritte setzen. Der Gedanke ist aber, daß dadurch die Einführung, Verbesserung und Verbilligung dieser Technik ermöglicht wird. Der Umstieg auf die Gewinnung von Wasserstoff aus Wasser wäre dann einfacher.


Die leistungsfähige Speicherung von elektrischer Energie ist nach wie vor das große Problem und hier hat sich in letzter Zeit wenig bewegt.

Nach wie vor muß der elektr. Strom, der verbraucht wird, praktisch im selben Augenblick irgendwo erzeugt werden. (Damit es korrekt ist, ergänze ich "umgewandelt" werden.)

Wasserstoff ließe sich aber speichern, sicher nicht so einfach und billig wie Erdgas, aber es geht. Es gibt übrigends in Deutschland Produktenpipelines für Wasserstoff.


Wolfgang antwortete am 21.02.04 (13:38):

Ja, natuerlich, Manfred... Wasserstoff, soll dieser einen langfristigen Beitrag zum komfortablen Leben der Menschheit leisten, muss per Erneuerbare Energien hergestellt werden. Das, was kurzfristig praktiziert wird, die grosstechnische Herstellung des Wasserstoffs per fossiler Energietraeger, mag vielleicht gerade wirtschaftlich interessant sein, ein Weg aus der Energiekrise ist das nicht.

Internet-Tipp: https://www.ecotrip.de/inhalt.html


Wolfgang antwortete am 21.02.04 (13:48):

Eine GEO-Studie wird online angeboten (PDF, Acrobat Reader erforderlich):

Wasserstoff-Erzeugung in offshore-Windparks (von MATTHIAS ALTMANN und CHRISTOPH STILLER)
https://www.hyweb.de/Wissen/pdf/HandoutOffshoreH2GEO.pdf

Ist es sinnvoll, einen offshore Windpark nicht elektrisch an das Festlands-Stromnetz anzubinden, sondern statt dessen direkt am Windpark Wasserstoff zu produzieren, danach an Land zu transportieren und dort zu vermarkten, fragen die Autoren.

Wie immer gibt es Risiken, aber auch Chancen... Ich meine, da wird ueber einen interessanten technischen Ansatz nachgedacht. :-)

Internet-Tipp: https://www.hyweb.de/Wissen/pdf/HandoutOffshoreH2GEO.pdf


Wolfgang antwortete am 22.02.04 (13:48):

Ich moechte auf ein wegweisendes Projekt hinweisen... Seit 1990 schon wird in Neunburg vorm Wald (das ist in der Oberpfalz in Bayern) Wasserstoff per Solarenergie gewonnen. Damals wurde der Grundstein fuer den Einstieg in die praktische Wasserstoff-Technik gelegt. Selbstverstaendlich auf Basis Erneuerbarer Energien (denn sonst waere es keine Loesung zum Problem).

Es gibt eine Website zum dortigen Informationszentrum 'Erneuerbare Energien und Solar-Wasserstoff':

https://www.solarhydrogen.com/

Besonders empfehlen moechte ich die Seite mit den Links zu Dokumenten rund um das Projekt und rund um die Technik (die Dokumente werden zum Download angeboten, PDF, Acrobat Reader erforderlich):

https://www.solarhydrogen.com/themen_uebersicht.htm

Internet-Tipp: https://www.solarhydrogen.com/themen_uebersicht.htm