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THEMA:   Palomares/Almeria 1966 - Atomunfall. Wer erinnert sich?

 10 Antwort(en).

tiramisusi begann die Diskussion am 07.10.03 (17:43) mit folgendem Beitrag:

Im Januar 1966 stiess in Spanien, etwas nördlich von Almeria bei der Küstenortschaft Palomares ein B-52-Bomber der US-Luftwaffe beim Auftanken in der Luft mit einem Tankflugzeug zusammen und stürzte ab. Drei der vier Atombomben an Bord der B 52 prallten auf die Erde. Zwei davon platzten auf und verseuchten 220 Hektar Felder mit radioaktivem Plutonium. Die spanische Regierung, damals noch unter dem faschistischen Franco-Regime, spielte den Unfall herunter oer berichtete gar nicht darüber, auch die USA verharmlosten die Situation. Offiziell heisst es, man hätte damals große Mengen an verseuchter Erde abtragen und in die USA bringen lassen. Tatsache ist (das habe ich inzwischen bei Umweltorganisationen recherchiert) dass knapp 1000 Kubikmeter abgetragen wurden, die jetzt in einem bewachten unterirdischen Depot in Spanien gelagert sind. Die vierte Bombe wurde erst 80 Tage nach dem Unfall vom Meeresgrund geborgen.

Es wird von offizieller Seite beteuert, dass man an 50 Personen seit dem Unfall gesundheitliche Untersuchungen und Tests vorgenommen hätte, die keine auffallenden Veränderungen gezeigt hätte. Tatsache ist aber, dass das Gebiet auch heute noch Verstrahlung aufweist.

Auf eine parlamentarische Anfrage vor einem Jahr, wurdee dies durch einen Regierungsprrecher bestätigt und - die regelmäßigen Strahlenmessungen würden weiter fortgesetzt. Das ist alles. Verletzt wurde damals niemand, nur 3 Besatzungsmitglieder der beiden Maschinen kam ums Leben, 4 retteten sich mit dem Fallschirm. Um der Bevölkerung von Palomeras die Angst vor einer radioaktiven Verstrahlung zu nehmen, badeten der damalige spanische Tourismusminister Manuel Fraga Iribarne und der US-Botschafter wenige Monate nach dem Unglück am Strand der Ortschaft im Meer ...

Seitdem wird geschwiegen - wahrscheinlich mit gutem Grund, denn man hat grosses Interesse, die Ferienhäuser und Wohnungen in der Region zu verkaufen ( die übrigens erstaunlich preiswert sind). Freunde von mir wurden durch meine Recherchen und Infos erst aufmerksam auf diese Geschichte, sie leben dort seit mehr als 10 jahren und haten noch nie davon gehört. Nun haben 2 Kinder in der Siedlung Lympfdrüsenkrebs, in den letzten Jahren starben auch einige Leute an Leukämie. Man dachte es hätte mit den Pestiziden zu tun, die weite Teile um Almeria vergiften ( die Gemüseplantagen unter Folien sind die reinsten Giftkammern und müssten verboten werden).

Meine Frage: Kann sich jemand an Nachrichten aus der damaligen Zeit erinnern, weiss jemand noch, was damals in den Nachrichten und Zeitungen berichtet wurde?

Informationen spanischer und englischsprachiger Organisationen habe ich schon zahlreich aus dem Netz , jede weitere Information wäre hilfreich und wird dankbar entgegengenommen.

Angelika


tiramisusi antwortete am 07.10.03 (22:09):

Habe da noch einen Artikel zum Thema Pstizide zugeschickt bekommen:Danach sollte man eigentlich kein spanisches Gemüse mehr verzehren...
GLOBAL NEWS 4/01
pestizide
Unser Wintergarten in Almeria
Wer mit dem Flugzeug über dem andalusischen Almeria fliegt, sieht unter sich einen
riesigen silbrig-grau schimmernden Teppich, das "mar del plastico" (Plastikmeer).

Damit ist die weltweit größte Konzentration von Intensivkultur gemeint, die in
der Provinz Almería bereits 350 Quadratkilometer Land bedeckt und 80 Prozent des
gesamten spanischen Gemüseexports erwirtschaftet.

Um die enorme Produktion von Tomaten, Gurken, Paprika, Erdbeeren etc. aufbauen
zu können, waren massive Förderungen der EU notwendig. Das produzierte Gemüse
wird mitten in den Wintermonaten in unseren Supermärkten günstigst zum Kauf
angeboten. Kaum jemand verschwendet beim Einkauf einen Gedanken an die Produktions-
bedingungen im Herkunftsland, die diesen Luxus erst ermöglichen.

Vergifteter Alltag

In 32.000 Gewächshäusern, die sich auf 15.000 landwirtschaftliche Betriebe verteilen,
produziert die Region Almeria im Jahr 2,8 Millionen Tonnen Obst und Gemüse für
den EU-Binnenmarkt. Dabei werden phytosanitäre Erzeugnisse so umschreibt man
Pestizide und Düngemittel im Übermaß eingesetzt. Im Durchschnitt entfallen auf
jeden Hektar 40 Kilogramm Pestizide, obwohl mehrere Studien inzwischen die massiven
Gesundheitsschädigungen durch die Pflanzengifte belegen. Von 506 schweren
Vergiftungsfällen, die in der Intensivstation von Torrecardenas behandelt wurden,
starben 25 an den Folgen einer Organophosphat-Vergiftung. Erbrechen, Kopfschmerzen,
Hautentzündungen oder der Anstieg der Brustkrebsraten gehören hier zum Alltag.

Ausbeutung unter Plastik
Pro Hektar kannst du eine Ernte von 160 Tonnen Tomaten erzielen, sagt der
Landbesitzer Antonio, pro Hektar brauchst du durchschnittlich einen Moro,
sonst schaffst du es nicht. Moro ist der abschätzige Ausdruck für die marokkanischen
ImmigrantInnen. Diese leben zu Tausenden in der Provinz und sind mitverantwortlich
für das Wirtschaftswunder in Andalusien. Ihre Lebenssituation ist katastrophal:
Für umgerechnet 300 Schilling am Tag müssen sie die Strapazen unter den Plastikfolien
aushalten. Als ihre Behausung dienen Schuppen, neben denen Pestizide und Düngemittel
gelagert werden oder alte Gebäude, deren Dach eingestürzt und die nur mit einer
Plastikplane überdeckt sind. Unter dem Plastik arbeiten 20.000 bis 25.000 MarokkanerInnen.
Die soziale Ausbeutung erinnert mehr an die Dritte Welt als an Europa, so das Resumee
einer Delegation des Europäischen Bürgerforums. Unter diesen Umständen müsste das
TransFair-Gütesiegel, das eigentlich nur gerechtere Handelsbedingungen und Löhne
in der Dritten Welt garantieren soll, auch innerhalb der EU zur Anwendung kommen.
Die Einhaltung der Menschenrechte muss weltweit und erst recht innerhalb der EU
ein Grundprinzip sein. Wir sollten dies durch unser Konsumverhalten unterstützen.
Denken Sie daran, wenn bei Außentemperaturen von -10° C im Supermarkt sonnengereifte
Tomaten aus der Provinz Almeria locken!


Vergleich der Produktionskosten in Euro von 100 kg Tomaten in Holland und in
Almeria/Spanien (1997):

Holland / Almeria
Pestizide 0,92 / 3,66
Dünger 0,92 / 2,29
Wasser 0,46 / 0,92
Bodenpreis 1,38 / 2,75
Heizung 8,69 / 0,00
Arbeitskraft 15,55 / 4,38
gesamt 27,95 / 14,00


mart antwortete am 07.10.03 (22:51):

Das ist sicher für dich schon alles bekannt, aber trotzdem:

https://www.tina-sommer.de/board/viewtopic.php?p=4818



Der Atomunfall von Palomares 1966 wirkt bis heute nach

Palomares – jan. Am 17. Januar 1966 stürzte ein B-52- Bomber des US-Militärs mit vier Atombomben an Bord über Palomares ab. Zwei Bomben explodierten beim Aufprall konventionell und ließen radioaktives Plutonium frei. Die CSN berichtete in der Ausgabe 346 anlässlich einer Ausstellung über die damaligen Ereignisse.

Das ausgeströmte radioaktive Material verstrahlte die Unglücksstelle im Grenzgebiet zwischen den Gemeinden Cuevas del Almanzora und Vera. Auch die Verbrennung von Vegetation und der Abbau verseuchter Erde im Rahmen der Operation „Broken Arrow“ konnten daran nichts ändern.

Die Bevölkerung wurde sowohl vonseiten des US-Militärs als auch der spanischen Regierung in Unkenntnis gehalten. In einer Mitteilung an die Presse wurde lediglich der Absturz eines Flugzeugs verkündet. Der gewaltige Aufmarsch des US-Militärs und das Verbot, die Felder zu bestellen, ließen die Einheimischen jedoch bald Verdacht schöpfen.

Die meisten Familien in Palomares lebten von der Landwirtschaft. Die Zerstörung ihrer Ernten brachte sie bald in eine unhaltbare Situation. Die Amerikaner begannen kurz nach dem Unfall Reklamationen auf Entschädigungszahlungen entgegenzunehmen. Doch die Militäradministration wertete die Schäden zur tiefen Unzufriedenheit der Bevölkerung weit niedriger als die Betroffenen. Die spanische Presse, in der Hand der Franco-Diktatur, kritisierte die überzogenen Forderungen der Betroffenen, die angeblich von der Situation profitieren wollten.

In welcher Weise aber wirkte sich der Unfall auf die Gesundheit der Einheimischen aus? Einen Monat nach dem Ereignis bot die Atomenergiebehörde der USA ihrem spanischen Pendant eine Zusammenarbeit zur Untersuchung der Bevölkerung an. Die Untersuchungsergebnisse sollten nur in beiderseitigem Einverständnis öffentlich bekannt werden. Bis zum heutigen Tag werden jährlich 150 Personen zu Stichprobenkontrollen nach Madrid bestellt.

1985 weigerten sich die Betroffenen im mittlerweile demokratischen Spanien, die Kontrollen fortzusetzen und erzwangen von den Behörden die Herausgabe der Untersuchungsberichte. Doch deren Aussagegehalt hinsichtlich der pathologischen Konsequenzen des Unfalls war gering. Forschungszweck der amerikanischen Atomenergiebehörde war nämlich von Anfang an lediglich die Erkundung inwieweit überhöhte radioaktive Werte in der Luft inhaliert werden, nicht jedoch eine epidemiologische Studie.

So wissen die Bewohner von Palomares bis heute nicht, in welcher Verbindung die Krebsfälle in der Bevölkerung zu dem Atomunfall stehen. Fest steht nur, dass die Unglücksstelle bis heute nicht bebaut oder landwirtschaftlich genutzt werden kann, denn Erdbewegungen würden die nach wie vor vorhandenen Plutoniumpartikel freisetzen.

Quelle:
Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Peter Hubert
Geschäftsführer CSN
https://www.csn-malaga.com/
https://www.leben-in-spanien.com/

Ich habe mir vor zwei Jahren Palomares angesehen. So kann man davon nichts bemerken oder sehen, aber irgendwie mulmig war mir schon.

Tina
_________________
Carga que a gusto se lleva,
nada pesa.


mart antwortete am 07.10.03 (23:09):

Angelika,Ich bin auf folgenden Link gestoßen

https://ausschreibungen.dgmarket.com/eproc/eu/495009

Hier wird Plutonium angeboten? Wer soll das kaufen?

Die vermittelnde Gesellschaft ist offenbar die Development Gateway Foundation


(Kontakte zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Hand zu vermitteln, das ist die vornehmste Aufgabe der Development Gateway Foundation. Hauptziel der Weltbanktochter: Entwicklungshilfe)

siehe auch:
https://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsordnung_und_politik/weltbankforum_bonn/weltbank/gateway_foundation.jhtml?rubrikenstyle=weltbankforum

Hat nichts mit deiner Frage zu tun, aber für mich schleierhaft.Hast Du dafür eine Erklärung?


tiramisusi antwortete am 08.10.03 (08:29):

oh ich bekam vor einigen jahren auch mal ein fax, offenbar ein irrläufer - dort wurde auch plutonium angeboten und es waren kontaktadressen in hongkong, österreich und tschechien dabei, das fax kam aus einem kaff aus sachsen. ich fand es immerhin so bemerkenswert, dass ich einen freund, der beim bundeskriminalamt arbeitet, um rat fragte. der verwies mich dann an einen verantwortlichen kollegen, der das fax an sich nahm. erst dachte ich, dass ich mich fürchterlich lächerlich mache aber nach einigen monaten fragte ich mal nach und siehe da - einige namen waren beim BKA bekannt, andere infos waren kleine mosaiksteinchen in einem komplexen gebilde, dass man mir aus verständlichen gründen aber nicht weiter beschreiben konnte. -

Dein Link ist interessant, ja ...betreiber ist tatsächlich Development Gateway Foundation, ein deutscher Name als Kontaktperson, in Washington und seine email geht zur @worldbank.org ... Infos über DGF zu folge wird dort vor allem alles Mögliche für akademische und Forschungszwecke angeboten ???


mart antwortete am 08.10.03 (11:39):

Ich habe das Ganze jedenfalls an das BKA, Stelle für Internetsachen, weitergeleitet.


tiramisusi antwortete am 08.10.03 (12:57):

hätte ich dir auch vorgeschlagen, mart - beim studieren der betreffender seite hatte ich den selben gedanken. mir sagte das BKA damals auch: lieber einen übereifrigen bürger mehr, der uns etwas meldet als all die, die signale übersehen und nicht weitergeben.


mart antwortete am 08.10.03 (15:14):

Ich tat es auch erst auf Deine Anregung hin; ich hätte gar nicht recht gewußt, wer dafür zuständig ist -- so uninformiert kann man sein.

Hoffentlich sind Befürchtungen unsinnig, erfahren werden wir es wohl nie.
Aber mir kommen die verwendeten Ausdrücke "unverstrahltes" Uran (mit einiger Mühe kann ich mir vorstellen, was damit gemeint sein könnte) und "unverstrahltes" Plutonium (das ist einfach ein Nonsense) so unprofessionell vor.


Wolfgang antwortete am 09.10.03 (13:43):

Vielleicht kann dieses Buch eine Hilfe sein:

ISBN: 0-89745-214-3 / 0897452143
Title: America's Lost H-Bomb!: Palomares, Spain, 1966
Author: Randall C. Maydew
Publisher: Sunflower University Press
Edition: 165 pp., illus., $16.95 paper

https://www.sunflower-univ-press.org/books/america-lost-hbomb.html


tiramisusi antwortete am 09.10.03 (18:42):

danke wolfgang! auszuege aus dem buch fand ich schon im netz. interessant wäre zu wissen, was über den fall in der deutschen presse stand. ich war mal grad´14 jahre alt und kann mich daran nicht erinnern...


trebor antwortete am 11.10.03 (02:14):

Servus tiramisusi,

bei dem Atomunfall war ich 6 Jahre älter. Kann mich nach den ständig auf uns herunterprasselnden Horrormeldungen leider auch nicht mehr daran erinnern. Wer spricht heute noch von Tschernobyl? Davon waren, und sind es noch heute,
alle betroffen. Einige mehr, andere weniger. Mehr z.B. Schwammerl- Wildbretgenießer)

Zu Obst und Gemüse. Was zur jeweiligen Jahreszeit nicht bei uns wächst, einfach nicht kaufen. Es gibt auch Konserven die zur richtigen Zeit eingemacht werden. Der Verbraucher bestimmt Angebot und Nachfrage. Das weiß jeder. Wer hält sich daran? Das gilt auch für's Essen in Lokalen/Restaurants/Gourmetküchen. Auch dort nur Gerichte bestehend aus jahreszeitlich verfügbaren Zutaten bestellen.

Gruß
Trebor