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THEMA:   Das gierige Gehirn

 16 Antwort(en).

Karl begann die Diskussion am 25.09.03 (12:08) mit folgendem Beitrag:

Eine absolut spannende Story im Spiegel über Spezialbegabungen. Ich empfehle, das zu lesen, alle 5 Teile.

Mit den besten Grüßen

Karl

Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,266956,00.html


Roalf antwortete am 25.09.03 (12:29):

Danke, es war wirklich ein sehr spanneder Artikel.

Als Ergänzung kann ich ein Buch empfehlen, welches ich als Highlight der von mir in der letzten Zeit gelesenen Bücher empfinde:
Vilaynur Ramachandran "Die blinde Frau, die sehen konnte."


Ebba antwortete am 25.09.03 (12:58):

Eine nicht fassbare Geschichte, Karl. Danke! Ich habe mir alles ausgedruckt.


Karl antwortete am 25.09.03 (13:10):

Der vollständige Titel lautet: "Die blinde Frau, die sehen kann. Rätselhafte Phänomene unseres Bewußtseins". Auch dieses Buch handelt von der Erkenntnis, dass uns Fehlfunktionen des Gehirns oft sehr viel über seine Arbeitsweise verraten.

Zu diesem Thema passt weiter das Buch von Oliver Sacks: "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte."

https://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3499187809/derseniorentimin

Mit freundlichen Grüßen

Karl

Internet-Tipp: https://makeashorterlink.com/?R25742106


Geli antwortete am 25.09.03 (13:45):

Hallo, Karl - ja, da bleibt einem vor Staunen der Mund offen (mir zumindest)!
Gestern habe ich zufällig im Fernsehen gesehen, wie eine Gruppe unterschiedlich alter Menschen sich in einer Stunde unter Anleitung 30 Begriffe in der richtigen Reihenfolge einprägten. Schon da konnte ich nur staunen. Aber das hier?
Danke für den Link!


Roalf antwortete am 25.09.03 (14:48):

@karl
immherhin scheine ich den recht schwierigen Namen des Autos aus dem Gedächniss gut hinbekommen zu haben :-)


Geli antwortete am 25.09.03 (14:54):

Danke, Roalf und Karl - mein Bücherkasten bekommt schon in den nächsten Tagen Zuwachs und ich Lesefutter!


tiramisusi antwortete am 26.09.03 (09:19):

..leibder spielt ein Link zum manager-magazin auf der 2. seite der spiegel-story verrückt und öffnet pausenlos neue fenster - aber was ich im ersten teil gelesen habe, fand ich eher erschütternd. was nützt einem menschen all diese gespeicherte information, wenn er schlussendlicu damit nichts anfangen kann und er eigentlich lebensunfähig ist? ich erinnere mich an einen jungen mann aus der früheren nachbarschaft, dessen behinderung als autismus bezeichnet wurde. sämtliche bücher des hauses hatte er im kopf, alle daten konnten abgerufen werden - auch diese geschichte mit dem wochentag - aber er wusste es nicht, weil er es errechnete sondern weil alle buch- und kalenderseiten, die er je gesehen hatte, im kopf hatte und jederzeit abrufen konnte. fiel eine offene schachtel streichhölzer herunter, sah er sofort, wie viele hölzchen es waren - aber er war nicht in der lage, sich einen kaffee zu kochen oder ein spiegelei zu braten und auch beim anziehen hatte er probleme und zog die sachen in der falschen reihenfolge an - unterhose über die jeans zb. nachdem seine eltern verstorben waren, kam er in ein him, kurz darauf in eine geschlossene abteilung. die mutter erzählte mal, dass es ihm viel schwerer fällt, gefühle zu zeigen und "ich liebe dich" zu sagen als sämtliche bibelstellen auf zuruf aufzusagen oder sich sämtliche telefonnummern zu merken. und nahm sie oder andere verwandte ihn in den arm, machte er sich steif wie ein stock und war nicht in der lage, seinen gefühlen ausdruck zu geben. was nützt einem da die genialität des hirns, wenn ein mensch emotional ein krüppel ist ...ich find es sehr traurig.


tiramisusi antwortete am 26.09.03 (09:54):

@karl: Zu Oliver Sacks sei noch gesagt, dass eines seiner Bücher auch verfilmt wurde - sehr ergreifend -
"Zeit des Erwachens" - ....

zu "Der Mann der seine Frau mit einem Hut verwechselte": Ich habe an anderer Stelle kurz erwähnt, dass mein Lebensgefährte 1990 schwerste Hirnverletzungen bei einem Autounfall erlitt. Nach wochenlangem Koma und Intubierung war er endlich irgendwann in der Lage wieder selbst zu atmen und war wach - aber er sprach nicht. Aber alles schien in ordnung zu sein - er erkannte die Leute, zeigte Emationen, konnte sich durch Zeichensprache verständig machen. Dann kam der Tag, an dem er zu sprechen begann - es war erschütternd: Buchstabensalat - kein einziges Wort war zu erkennen. So als ob die Festplatte alles durcheinander geworfen hätte. Vo da an kamen seine Freunde, selbst seim Bruder, ihn nicht mehr besuchen und es stand für sie fest: er ist schwachsinnig geworden. Seine Sprache entwickelt sich erstaunlich aber sein Langzeitgedächtnis war für alle Zeiten gelöscht. Er hatte grosse Wortfindungsprobleme- so wusste er zB 2 Jahre nach dem Unfall noch immer nicht meinen Namen sondern sagte zu mir Charly (das war sein Hund) oder "die andere Gitte" (Gitte war seine erste Frau). Aber: er sagte tröstend,"ich weiss nicht wie du heisst aber ich weiss wer du bist!" Einmal wiollten wir im Winter raus und ich bat ihn, die Handschuh anzuziehen, warf sie ihm zu und er schimpfte - da dass er auf dem Sofa, guckte die Dinger an und sagte "Handschuh, so ein Blödsinn" und versuchte, mit dem Fuss hineinzuschlüpfen. Ich hatte mir angewöhnt, mit ihm immer wie mit dem Mann zu reden, den ichauch vor dem Unfall kannte, nahm den Handschuh, hielt ihm das Teil vors Gesicht und bat ihn, mir zu sagen was das denn seiner M einung nach ist. Er drehte den weichen lederhandschuh in der Hand und sagte dann blitzschnell. "Ein flexibler Hohlkörper mit einem Eingang und 5 Kammern!" .... #
Man konnte richtig mitverfolgen, wie bisher brach liegende Hirnzellen versuchten, die Funktionen der zerstörten zu übernehmen und ich bin heute noch überzeigt, dass der "Input" immer funktionierte - aber er die empfangenen Infos nicht mehr verarbeiten konnte. Manchmal war er ganz klar und dann sagte er mir traurig "Ich komme aus dem Käfig, in dem ich wieder zusammengewachsen bin, nicht mehr heraus!" ... die auffälligste Sache war, dass es ihn jeden Tag zu einem Ausflug mit dem Auto trieb. Es musste dann präzise jeden Tag genau die gleiche Strecke gefahren werden - etwa täglich 60km durch das Wispertal und am Rheinufer zurück - er sagte jedes Orts- und Hinweisschild an, sagte die Orte und die KM-angaben, die draufstanden und wehe, es wurde mal versucht, eine andere Strecke zu fahren - dann wurde er fast tobsüchtig. Diese Monotonie täglich wiederholender "Rituale" ist etwas typisches für diese Hirnerkrankungen...

Das kognitive Denkvermögen war weitgehenst zerstört aber interessanter Weise konnte er besser Schach und Dame spielen als je zuvor und wurde sauer wenn er merkte, dass man ihn absichtlich gewinnen lassen wollte. Dann flog das Brett samt Steine durch die Wohnung :-)

Der Film "Zeit des Erwachens" ist immer so ein wenig schmerzliche Erinnerung an ihn und an oft auch sehr schwere Zeit nach diesem Unfall. Immerhin machte er mir im 2. Jahr nach dem Unfall eine der schönsten Liebeserklärungen: "Es ist schrecklich mit Dir, aber ohne Dich ist es furchtbar" ...:-)

Wie sehr möchte ich Angehörigen von hirngeschädigten Unfallopfern Mut machen - es normalisiert sich so viel, wenn man sie normal und selbstverständlich behandelt...
Sorry, geht etwas vom Thema weg aber auch wieder nicht. Das vermögn des menschlichen Hirns, brachliegende Speicher zu aktivieren und Daten von "defekten" Speichern zu übernehmen ist kolossal...


Geli antwortete am 26.09.03 (14:33):

Hallo, Angelika - ich habe bei dem Spiegel-Artikel gleich zu Anfang auf "Druckansicht" geklickt, und da war der ganze Text in einem Stück zu lesen.
Durch Deine Erfahrungen verstehst Du wahrscheinlich besser als andere die Problematik.
Ich kenne einige (Wissenschaftlerkollegen), die mit dem Alltag nur schwer bis gar nicht zurechtkommen. Da allerdings das Pendel in der einen Richtung nicht sooo weit ausschwingt, sind die Defizite in der anderen Richtung auch nicht so ausgeprägt.


tiramisusi antwortete am 26.09.03 (14:59):

Geli - ja das Phänomen der hochgebildeten Wissenschaftler, die - verzeih - wirklich oft nur Fachidioten sind und im alltäglichen Leben nicht zurechtkommen, nicht mal ein Paar Schuhe kaufen könnten und nicht selten "Messies" sind, ist mir aus meinem Umfeld auch nicht fremd! So kenne ich zB einen Hirnchirurgen, ein Perfektionist der die unglaublichsten OPs macht und Hände aus Gold besitzt - als ich noch in seiner Nähe wohnte, war ich eine der 3 guten Freunde, die in seine Wohnung durften und die auch alle 2 Wochen dort entmüllt und aufgeräumt hat - der Mann ist mit seinem beruf verheiratet, reist um die Welt und hält Vorträge und wird zu komplizierten OPs dazugerufen - wenn Du in sein Schlafzimmer oder in seine Küche guckst, Du wärest schockiert... nur sein Badezimmer/WC sind immer wie antiseptisch und sehr gepflegt. Sein Rotweinglas hat er oft wochenlang nicht gespühlt - das Glas war schon fast blind (Kommentar. es kommt ja jeden Tag Wein hinein und der desinfiziert...) und alles, was es an Fachzeitungen gibt, lag gestapelt in sämtlichen Räumen - Ausgaben, die schon 10 jahre alt waren bis heute :-))


Minna antwortete am 26.09.03 (15:47):

Hallo Karl,
danke für Deine Tipps, die direkt auf mein Lieblingsthema verweisen. Habe sofort bei Amazon gewühlt und eine Bestellung hinausgehen lassen.


Mechtild antwortete am 26.09.03 (18:19):

@tiramisusi, sind wir nicht alle irgendwie Fachidioten, nur jeder auf einem anderen Gebiet?


pilli antwortete am 26.09.03 (20:52):

also...

ihr glaubt nicht, wie "gierig" ich geworden bin auf weitere von euch vermittelte informationen, die übrigens auch gut verständlich "rüberkommen" :-)

dazu gibt es ja noch die verschiedenen rezensionen zu den genannten büchern nachzulesen, die unter beachtung verschiedener aspekte deutlich machen, wie zusammenhänge erkannt werden können.

eine spannende beschäftigung! by the way...über die recherche zu einem anderen themen entdeckte ich auf der seite von "nano" neben einer vorstellung des "Doppeltalentes" Prof. Singer in der gesonderten rubrik "mehr zum thema" eine fülle von weiterführenden beiträgen.

so z.bsp.

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"Wie funktioniert Bewusstsein"
"Sprachverständnis bei Frauen zyklusabhängig"
"Wie erinnert sich das Gehirn"
"Die Biologie der Angst und der Depression"
"Der Flirt im Gehirn"
"Farben hören"
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:-)

Internet-Tipp: https://www.3sat.de/nano/astuecke/50747/index.html


Roalf antwortete am 30.09.03 (10:38):

@pilli

solltest du gut englisch können, habe ich einen sehr netten Text beim New Scientist:

https://www.newscientist.com/hottopics/humannature/article.jsp?id=23955000&sub=What%20is%20human%20nature?


BarbaraH antwortete am 30.09.03 (11:51):

So ist der Link anklickbar....

Internet-Tipp: https://makeashorterlink.com/?H4D821D06


pilli antwortete am 30.09.03 (12:19):

@ Roalf

danke!