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THEMA: Die Mörder kamen im Schutze der Dämmerung...
12 Antwort(en).
Barbara
begann die Diskussion am 11.03.03 (09:55) mit folgendem Beitrag:
Im Schutz der Dämmerung nahm man Hamburger Bürgern ein Stück ihrer Heimat:
>>Wie viele Jahre die Eiche gelebt hat, weiß keiner mehr genau. Vielleicht waren es 100, vielleicht 200 Jahre. Sicher ist: Jetzt hat dieser Baum seinen letzten Tag erlebt. Die riesige Eiche auf einem Grundstück am Harvestehuder Weg wurde gefällt. Die Anwohner reagieren schockiert: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass so etwas genehmigt wird", sagte Hans Christoph Würdinger (54), ein Rechtsanwalt aus der Nachbarschaft. "Unser Stadtviertel wird durch diese großen, alten Bäume geprägt."
Freitagabend, 18.30 Uhr: Es ist gerade dunkel geworden, als die Kettensägen aufheulen. Aus dem Boden des ehemals dicht bewachsenen Grundstücks ragen etliche Baumstümpfe. Plötzlich ein dumpfer Fall. Die alte Eiche ist nicht mehr. Ein Anwohner ruft die Polizei, Hans Christoph Würdinger ist aufgebracht: "Diese Nacht- und Nebelaktion hat mich misstrauisch gemacht." Wenige Minuten später sind die Beamten da - die Kettensägen knattern aber weiter. Die Arbeiter haben eine Genehmigung des Bezirksamtes Eimsbüttel.
Joachim Nawrath (51) vom Naturschutzreferat begründet die Fällgenehmigung für die Eiche mit "Standsicherheitsproblemen". Der Baum stand demnach gefährlich nahe an der alten Stützmauer des Geländes. Beantragt wurden die Fällarbeiten von dem Bauunternehmen Hochtief: Die Firma will am Harvestehuder Weg ein Mehrfamilienhaus mit insgesamt 13 Eigentumswohnungen bauen.
"Für uns war es sehr wichtig, dass die Bäume auf dem Grundstück jetzt gefällt worden sind", sagt Björn Dahler (44), Geschäftsführer des Unternehmens Dahler & Company, der die Wohnungen vermarkten soll. Das Hamburgische Naturschutzgesetz erlaubt das Fällen von Bäumen zwischen 1. Oktober und 15. März. Der Bau soll aber in diesem Sommer beginnen. Noch liegt zwar keine Baugenehmigung vor - die Zustimmung des Bezirksamtes gilt nach langen Verhandlungen aber als sicher. Deshalb hat das Naturschutzreferat die beantragten Fällarbeiten erlaubt.
Das entspricht auch dem Normalfall, wie Nawrath vom Naturschutzreferat erklärt. Das Bezirksamt Eimsbüttel erhält im Jahr bis zu 1200 Anträge auf Fällarbeiten auf privaten Grundstücken. "Davon genehmigen wir 90 Prozent", sagt Nawrath. "Und die Zahl dieser Anträge hat in den vergangenen Jahren zugenommen."
Till Steffen (29), der Fraktionsvorsitzende der GAL in der Bezirksversammlung von Eimsbüttel, macht dafür außer verstärktem Sicherheitsdenken auch das fehlende Geld verantwortlich. "Es müsste mehr Geld eingesetzt werden, um kranke Bäume zu retten", sagt Steffen. Wenn ein Baum ein Sicherheitsrisiko darstellt, hält aber auch er den Einsatz der Kettensäge für unvermeidlich: "In solchen Fällen ist es die beste Lösung, neue Bäume nachzupflanzen."<<
https://www.abendblatt.de/daten/2003/03/11/133086.html
Unsere Vorfahren haben den Bäumen Achtung entgegengebracht. Ihre Thing-Plätze, die der gemeinsamen Kommunikation und der Rechtssprechung dienten, waren von Bäumen umgeben. Unter einer Eiche saß der Richter. Ihre Aura verlieh ihm die Fähigkeit, Recht im Namen der Menschen zu sprechen. Linden säumten den Kreis, ihr süßlicher Duft sollte, so vermute ich, die Geschworenen zu Verständnis und Milde bewegen.
Heute "rechnet" es sich nicht, einen mehr als hundert Jahre alten Baum zu schützen. Die "Vermarktung" seines Lebensraumes ist "wertvoller". Harvestehude ist ein Stadtteil Hamburgs mit noblem Klang. Seit dem Ende des Börsen-Booms stehen hunderte neuer Eigentumswohnungen in Nobel-Gegenden Hamburgs leer. Der Geldgier des Staatssäckels sind ein paar mehr wichtiger, als der Erhalt eines Stück Heimats....
Das schlechte Gewissen, falls man bei Behörden überhaupt von Gewissen reden kann, zeigt sich in der gewählten Tageszeit für diese "Umweltaktion": 18.30 Uhr, nach Einbruch der Dunkelheit. Dazu noch an einem Freitag, wo viele der betuchten Anwohner sich längst in Richtung Ferienwohnung aufgemacht haben.
Aber immer mehr Bürger begehren gegen ihren Staat auf......hoffentlich!
Internet-Tipp: https://www.abendblatt.de/daten/2003/03/11/133086.html
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mechtild
antwortete am 11.03.03 (15:15):
Das ist leider schon ein altes Problem. Ich kann mich noch erinnern, als vor 30 Jahren die alten Buchen vor unserem Haus gefällt wurden, weil sie in einer Kurve standen und angeblich eine Gefahr für die Autofahrer darstellten. Mein Vater hat damals geweint. Viele Bürger fanden es richtig, dass alte Bäume dem Fortschritt weichen.
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schorsch
antwortete am 11.03.03 (16:06):
Ich will nicht für das Abholzen von lieb gewordenen Bäumen werben. Aber Jede(r) hier soll sich mal überlegen, was auf dem Grundstück stand, auf dem das Haus gebaut wurde, in dem er/sie jetzt lebt!
PS. Auf der Wiese, auf der ich mein Haus baute, grasten noch vor 43 Jahren Kühe! Eingedenk dessen, dass ich ein Stück Natur "verschandelt" habe, habe ich dutzende von Bäumen und Sträuchern auf dem vormals kahlen Wiesland gesetzt....
PPS. Dafür wird nächstens in unserer Gemeinde eine "Verursacherbebühr" erhoben - weil Bäume und Sträucher zwar schön und gut sind, aber Äste haben, die hin und wieder geschnitten und entsorgt werden müssen....
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Hermann Penker
antwortete am 11.03.03 (16:18):
@Barbara, man kann die Sache auch anders ansehen. In unserer Stadt haben wir ein Baumschutzgesetz, welches das Fällen von Walnussbäumen, Fichten etc. auf Bauparzellen (kaum einmal größer als 1000 qm) verbietet. Meines Nachbarn Häuschen verschwindet unter der riesigen Krone eines Nussbaumes, den dessen Eltern vor der Gültigkeit dieses absurden Gesetzes gepflanzt hatten. Bricht bei einem der immer häufiger werdenden Stürme ein schwerer Ast, ist Dachstuhl und Dach unweigerlich kaputt. Die Schlägerung ist verboten, das Risiko trägt das potentielle Opfer und nicht die Behörde. Dazu kommt, dass die Nussbäume wirklich nicht vom Aussterben bedroht sind. Zudem wächst auf einem kleinen Grundstück kaum noch etwas, wenn er von einem riesigen Nussbaum einmal mit Beschlag belegt ist. Ähnliches gilt für die Fichten. Sollen sie wirklich gesund sein, müssten sie in wesentlich größerer Höhenlage wachsen und nicht am Talboden. Die Steuer, die eingehoben wird, nimmt Maß am Wert eines Baugrundes, aber einen Obstbaum pflanzen darf der Betroffene Besitzer auf seinem Grund nicht, wenn er bespielsweise im Garten für ein paar Jahre einen lebenden Christbaum haben wollte und übersehen hat, dass der Umfang mittlerweile 20 cm überstiegen hat. Dann darf er nicht mehr gefällt werden (analog zum Forstgesetz). So etwas ist eigentlich eine Zwangsbewirtschaftung, bei der die entwerteten Gründe weiter voll versteuert werden. Und es trifft nicht nur Leute, die reich genug sind, dass sie sich jederzeit Alternativen finanzieren könnten. Es trifft solche, die oft nur ein kleines Grundstück haben, die die Steuern dafür zu bezahlen haben, denen aber die Errichtung eines Wirtschaftsgartens verwehrt wird. Dahinter stehen oft Grünfanatiker, die meistens selbst keinen Cent für die Umwelt investieren, die aber aus "Liebe zur Umwelt" den anderen Vorschriften machen, was sie mit ihrem Eigtentum zu tun haben. MfG Hermann
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Medea.
antwortete am 11.03.03 (17:34):
Bei den alten Germanen wurde Baumfrevel mit dem Tode bestraft.
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Hermann Penker
antwortete am 11.03.03 (17:56):
Und wie definiert man Baumfrevel? Liegt ein solcher vor, wenn man einen Baum umschneidet, damit ein Kind im Kinderzimmer endlich ohne elektrisches Licht (bei Tage) lesen und schreiben kann? MfG Hermann
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Senator
antwortete am 11.03.03 (18:30):
Gesehen in Zürich, eine Tafel an einer Linde:
"Die Zeit dieser Linde ist leider um.
Der Zustand dieser altehrwürdigen Linde ist schlecht. Ihre Vitalität lässt ständig nach und die Anzeichen für das Einsetzen des natürlichen, altersbedingten Zerfalles sind deutlich, so fehlt zum Beispiel der Austrieb in der Krone fast gänzlich."
usw.
So durfte dieser Baum seinen letzten Tag erleben, egal ob er zu normaler Arbeitszeit oder abends in der Dämmerung gefällt worden ist - oder wie lange hätte er noch vor sich hin rotten sollen?
Auch für Bäume in Hamburg ist das Leben einmal zu Ende.
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Barbara
antwortete am 11.03.03 (18:56):
Lieber Hermann,
die Indianer und auch die Germanen gingen davon aus, dass jeder Baum - genau wie der Mensch - eine Seele hat. Brauchten sie einen Ast von ihm, haben sie ihn um Erlaubnis gebeten.... war das Fällen zum Bau eines Einbaums notwendig, haben sie lange vorher mit ihm Zwiesprache gehalten, abgewägt, ob sie sich das Recht nehmen dürften, ihn zu fällen.
Du kennst vielleicht alte Volkslieder, in denen man unter den Bäumen gefeiert und getanzt hat, in ihrem Umkreis, in ihrer Aura. War die Linde nicht der Baum der Liebespärchen, der ihnen Glück bringen sollte?
Man hatte Achtung vor jeder Schöpfung unserer Natur... Vielleicht ist uns das abhanden gekommen....
In diesem Fall bedrohte die Eiche kein Haus. Luxus-Eigentumswohnungen sollen entstehen, es werden danach einfach zwei neue Bäume angepflanzt, als könne man dieses Symbol der Jahrhunderte alten Weisheit und Kraft so einfach ersetzen....
Die Eiche war mehr als hundert Jahre alt, vielleicht sogar zweihundert.... Hat Bombennächte und vieles mehr überstanden.... Nun war ihr Leben nichts mehr wert, Luxus-Wohnungen sind nach unserer "Rechnung" mehr wert. Und das, obwohl noch nicht einmal eine Baugenehmigung erteilt worden ist....
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Senator
antwortete am 11.03.03 (21:05):
Mir scheint, da geht es eher um das Abreagieren linkssozialistischer Ressentiments als um Sorge für einen Baum. Ich wohne auch in einer Wohnung, die uns als Komfortwohnung verkauft worden war und auf einem Gelände steht, das in diesem Ort früher der Centralpark war. Wir sind dankbar für diese schöne Wohnlage, ohne daß wir Plutokraten wären, für Bäume ist in unserer Gemeinde genug Platz.
Und wenn jeder Baum eine Seele hat, dann hat er auch eine Physis, und deren Lebenskraft neigt sich ohne Rücksicht auf den Wunsch nach einer Baugenehmigung.
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Barbara
antwortete am 12.03.03 (00:16):
@ Senator
Nach der Logik Deines letzten Satzes könntest Du praktisch jedes Lebewesen umbringen, weil in seiner "Physis die Neigung seiner Lebenskraft" beinhaltet ist.
Paar Jahre mehr oder weniger leben ist doch .....egal.
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schorsch
antwortete am 12.03.03 (09:19):
Als das Gerücht umging, in unserer Strasse würde ein Gehsteig gebaut, setzte einer meiner Nachbarn flugs auf seiner Seite eine Linde, 30 Zentimeter vom Strassenrand entfernt. Die Jahre gingen ins Land und die Linde wuchs zu einer stattlichen Höhe von 20 Metern. Die Krisenjahre kamen und das Geld für einen Gehsteig fehlte. Also liess man die Strasse wie sie war, ohne Gehsteig. Die Linde aber wuchs weiter. Sie hob mit ihren Wurzeln die Strasse und diese riss bis in die Mitte der Breite. Als es darum ging, die Strasse zu sanieren, hiess es, alle Anlieger müssten sich an den Kosten beteiligen. Ein Gespräch mit den Behörden brachte Klarheit: Die Linde musste gefällt werden und der "fehlbare" Nachbar musste zähneknirschend sowohl die Kosten für das Fällen, wie auch für die Reparatur der Strasse begleichen!
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Angelika
antwortete am 12.03.03 (17:53):
bei allem Respekt vor dem Recht der Menschen auf helle Häuser - es ist ein Jammer um jeden alten Baum, der gefällt werden muss. Ich selbst habe hier, wo ich jetzt wohne, u.a. zwei riesige, alte Eichen im Vorgarten - mit 3 Personen muss man den Stamm umfassen und sie überragen alles. Die Wohnung wäre sicher heller ohne sie - und eben weil die Bäume Licht nehmen, stand das Haus wohl auch so lange leer - was mir völlig unverständlich ist. Die Bäume waren mit ein Grund, warum ich hier her gezogen bin.
übrigens - kennt Ihr noch das schöne Lied von Alexandra?
Du wirst dich nie im Wind mehr wiegen Ich wollt' dich längst schon wiedersehn, mein alter Freund aus Kindertagen, ich hatte manches dir zu sagen und wußte, du wirst mich verstehn. Als kleines Mädchen kam ich schon zu dir mit all den Kindersorgen; ich fühlte mich bei dir geborgen, und aller Kummer flog davon. Hab ich in deinem Arm geweint, strichst du mit deinen grünen Blättern mir übers Haar, mein alter Freund.
Mein Freund, der Baum ist tot, er fiel im frühen Morgenrot.
Du fielst heut' früh, ich kam zu spät, du wirst dich nie im Wind mehr wiegen, du mußt gefällt am Wege liegen, und mancher, der vorübergeht, der achtet nicht den Rest von Leben und reißt an deinen grünen Zweigen, die sterbend sich zur Erde neigen. Wer wird mir nun die Ruhe geben, die ich in deinem Schatten fand? Mein bester Freund ist mir verloren, der mit der Kindheit mich verband.
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Barbara
antwortete am 12.03.03 (18:28):
Mein Nachbar erzählte mir gerade, dass sein Arbeitgeber, ein weltweiter Konzern, gezwungen war, seinen Neubau um eine riesige Eiche herum zu bauen. Ein Architekt hat die Idee besonders gut umgesetzt, sogar die Farbe des Mauersteins auf die Eiche abgestimmt.
Er sagte mir, später seien immer wieder Bauunternehmer und Architekten gekommen, um sich dieses gelungene Zusammenspiel von Bürogebäude und Bewahrung der Natur anzuschauen.
Auch so geht es.....zum Wohle aller.
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