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THEMA:   Michael Kohlhaas -H.v. Kleist

 8 Antwort(en).

KlausD begann die Diskussion am 24.03.03 (10:10) mit folgendem Beitrag:

Ich habe in einem andern Thema folgendes behauptet:

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Wer die Novelle -Michael Kohlhaas- liest,und auch den Schluss richtig deutet,weiß,daß es eine gerechte Gesellschaftordnung nicht geben kann.
Und gerade diese gerechte Gesellschaftsordnung wurde hier immer wieder genannt und gefordert.

Dem Michael Kohlhaas wird übel mitgespielt.
Sein Recht bekommt er nicht - auch nicht vom Staat!
Er nimmt sich sein eigens Recht :-((
Dann geschieht das,was unsere "Ordnung" auszeichnet:
Michael Kohlhas bekommt Recht für das an ihm begangene Unrecht:-))....
Und wird zum Tode verurteilt für sein begangenes Unrecht:-((

Ganze Heerscharen von "Wissenschaftlern" ergötzen sich an diese Novelle und machen Abhandlungen bis zum Umfallen.
für mich ein einziger Beweis für die (gewollte) Unfähigkeit einem Rechtsstaat seine Grundlagen zu geben.
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Liege ich mit dieser Behauptung richtig?


Antonius antwortete am 24.03.03 (10:26):

Wer die Novelle liest - und sich nicht von einem irgenwie vorgebildeten Pessimismus leiten lässt, müsste zum Ergebnis kommen, dass Kleist sie geschreiben hat, dass der Mensch des Mitleids fähig ist.
Dass Kunst ein kathartisches Erlebnis ist (manchmal wie Gottesdienste); dass keiner sich gezwungen sieht, ähnliches oder noch mehr Unrecht zu tun - oder erleiden muss.
Jede Kunst ist ein Befreiungsakt, ein Erlebnis, NEIN zu sagen gegen Unrecht.
Kuck mal im Schamoni-Film zu "Michael K." die Befreiung der herrlichen Pferde vor der Hinrichtung an. Sie sind Zeugen der Natur (oder Gottes, also auch der Freiheit des Menschen), dass es Freude und Freiheit geben kann - dass der Kunstinteressierte oder, der davon erzählt, den Mitmenschen Mut machen kann (oder soll), vom Glück - auch nach Verbrechen und Tod) und von der Liebesfähigkeit eines sensiblen Menschen zu erzählen - oder das Recht für alle Menschen einzufordern - als Menschenrecht.
Und vom Mut, sprachlich (oder künstlerisch) Schönes, Überlieferungswertes zu schaffen..
Kleist hst sich erschossen, nicht bevor er den "Kohlhas" schrieb.
Vielleicht erschoss er sich (auch), dass damals noch nicht genug Menschen lesen und lieben konnten... (oder: weil es unseren Deutschunterricht noch nicht gab...? Ist ironisch gemeint. Das ist aber auch eine Fähigkeit, von der uns Kleist mitteilte.)


KlausD antwortete am 24.03.03 (10:56):

Die Betrachtung des M. Kohlhaas aus der künstlerischen Sicht wie Antonius es aufzeigt ist sicherlich eine wunderbare Seite des Lebens!

Mir kommt es aber in diesem Thema mehr auf das geschilderte Unrecht an!

Ist unsere Rechtsstruktur so aufgebaut wie ich es behaupte?


schorsch antwortete am 24.03.03 (16:03):

Als Bub habe ich das Buch "Michael Kohlhaas" verschlungen. Aber schon damals war ich nicht einverstanden mit Kohlhaas` Selbstjustiz - trotzdem ich mir ab und zu wünsche, wie er handeln zu können!


Wolfram Unger antwortete am 24.03.03 (19:11):

Auch ich verschlang als Kind das Buch und noch heute bin ich fasziniert. Ich denke auch ich könnte ein Kohlhas werden. Jedoch schon immer fühlte ich, daß es eine Grenze , eine Angemessenheit der Mittel und eine große Gefahr des Entgleitens der Situation , des Verselbständigens einer begonnenen Angelegenheit geben kann.
Warum es keinen Rechtsstaat geben soll,oder der Rechtsstaat gewollt unfähig angelegt wird, das kann ich nicht einsehen.Es kommt doch auf die "Hersteller" dieses Rechtsystems und deren Willen zur Umsetzung an. Die Gefahr der Pervertierung eines guten Systems besteht , da es Menschen handhaben, immer.


KlausD antwortete am 24.03.03 (20:21):

Wir haben den Kolhaas in der 8.Klasse-Volksschule gehabt.

Schon damals war mir klar,daß da was nicht stimmen kann.

Denn eines ist klar,dem Kolhaas wurde Unrecht zuteil und keine Macht der Welt hat das gerichtet.
Und dieser Versuch,sein Recht zu bekommen, ging über eine lange Zeit.


Karl antwortete am 24.03.03 (21:49):

Kohlhaas war Anfangs im Recht und hat sich dann ins Unrecht gesetzt, da er die Angemessenheit der Mittel nicht beachtet hat.

Michael Kohlhaas ist keineswegs ein Argument gegen den Rechtsstaat, sondern eine Aufforderung an diesen, die Rechte seiner Bürger ernst zu nehmen und sensibel und rechtzeitig auf deren Verletzung zu reagieren.


Antonius antwortete am 24.03.03 (22:50):


Ein besonderes Rechtsproblem liegt ja im Abschluss darin, dass Kohlhaas ja Amnestie zugesichert bekommt, vom Kurfürsten von Sachsen, auf Intervention des Reformators (Luthers) hin.
Aber vom Kaiser in Wien her wird das unterlaufen - und Kohlhaas wird enthauptet; äh, ja nun, als Erleichterung gegenüber der Qual und dem Tod auf dem Rad...


Karl antwortete am 25.03.03 (08:16):

Hier ist die Novelle nachlesbar:

Internet-Tipp: https://gutenberg.spiegel.de/kleist/kohlhaas/kohlhaas.htm